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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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ich in die WitwenOki^ße lege, denn es scheint mir sehr unherzlich mit meinem
guten lieben Mann davon zu reden, wovon man nach seinem Hinsterben'leben
solle, und darum rede ich nicht darüber, sondern danke Gott daß mir noch et¬
was Geld geblieben ist, damit ich es selbst bestreiten kann; auf der andern
Seite halt ichs für meine Pflicht zu thun, denn die Menschen sind sterblich,
und auch ich bin sterblich, was sollte denn aus unserm armen Kinde werden?
sterbe aber auch ich. so bekommt unser Kind, bis in sein 25. Jahr, die Hälfte
von dem, was ich als Witwe bekommen hätte.

Ich bitte Sie mir den Taufschein gleich anfangs des künftigen Noiiaths
zu fehlten, denn sonst muß ich wieder ein Hakbesjahr warten, und den Brief an
mich zu gMi-Lssisi-en. weil ich Ihnen die Gründe warum mein Lieber Mann
nichts davon weiß, schon gesagt habe.

Wenn Sie lieber Vater keine Zeit, noch Lust haben mir'zu schreiben, so
schieben Sie's doch ja nicht auf mir den Taufschein zu fehlten, sondern fehlten
ihn mir nur ohne Brief. "

Ich habe Ihnen vor etlichen Non^then geschrieben, haben Sie meinen
Brief erhalten?

Mein Lieber Mann grüßt Sie alle herzlich; er ist ize Gottlob wieder wohl,
war es aber vor einiger Zeit nicht; bei dieser nahen ungesunden Witterung
sind hier viele Menschen krank, und sterben auch eine Menge.

Unser Lermimn, der Gottlob gesund ist, empfiehlt sich seinen Lieben
Groß Eltern.

Leben Sie Wohl. Gott sey mit Ihnen, ich grüße alle welche sich meiner
errinnern freundlich, und bin von Ilorzcn Ihre


lockte.

Aufschrift:


Herrndem VaterzuR^amman
Bey DresäLN.

krezs

Im October 1806 wich Fichte mit dem Geheimrath Hufeland, wie sämmt¬
liche Behörden und alle Männer von Ansehen, vor den siegreichen Feinden aus
Berlin und ging nach Königsberg, wo ihm provisorisch eine Professur zugewiesen
wurde; während seine Gattin zur Hütung des Hauses zurückblieb, dann aber
nachfolgen sollte, als sein Aufenthalt in Königsberg dauernd werden zu wollen
schien. So schmerzlich aber war ihr die Trennung von ihrem geliebten Manne,
daß sie trotz ihrer starken und duldungswilligen Seele darüber im November
in eine ernstliche Krankheit verfiel (I. 374 f.).


Grenzboten III. 1862. 23

ich in die WitwenOki^ße lege, denn es scheint mir sehr unherzlich mit meinem
guten lieben Mann davon zu reden, wovon man nach seinem Hinsterben'leben
solle, und darum rede ich nicht darüber, sondern danke Gott daß mir noch et¬
was Geld geblieben ist, damit ich es selbst bestreiten kann; auf der andern
Seite halt ichs für meine Pflicht zu thun, denn die Menschen sind sterblich,
und auch ich bin sterblich, was sollte denn aus unserm armen Kinde werden?
sterbe aber auch ich. so bekommt unser Kind, bis in sein 25. Jahr, die Hälfte
von dem, was ich als Witwe bekommen hätte.

Ich bitte Sie mir den Taufschein gleich anfangs des künftigen Noiiaths
zu fehlten, denn sonst muß ich wieder ein Hakbesjahr warten, und den Brief an
mich zu gMi-Lssisi-en. weil ich Ihnen die Gründe warum mein Lieber Mann
nichts davon weiß, schon gesagt habe.

Wenn Sie lieber Vater keine Zeit, noch Lust haben mir'zu schreiben, so
schieben Sie's doch ja nicht auf mir den Taufschein zu fehlten, sondern fehlten
ihn mir nur ohne Brief. »

Ich habe Ihnen vor etlichen Non^then geschrieben, haben Sie meinen
Brief erhalten?

Mein Lieber Mann grüßt Sie alle herzlich; er ist ize Gottlob wieder wohl,
war es aber vor einiger Zeit nicht; bei dieser nahen ungesunden Witterung
sind hier viele Menschen krank, und sterben auch eine Menge.

Unser Lermimn, der Gottlob gesund ist, empfiehlt sich seinen Lieben
Groß Eltern.

Leben Sie Wohl. Gott sey mit Ihnen, ich grüße alle welche sich meiner
errinnern freundlich, und bin von Ilorzcn Ihre


lockte.

Aufschrift:


Herrndem VaterzuR^amman
Bey DresäLN.

krezs

Im October 1806 wich Fichte mit dem Geheimrath Hufeland, wie sämmt¬
liche Behörden und alle Männer von Ansehen, vor den siegreichen Feinden aus
Berlin und ging nach Königsberg, wo ihm provisorisch eine Professur zugewiesen
wurde; während seine Gattin zur Hütung des Hauses zurückblieb, dann aber
nachfolgen sollte, als sein Aufenthalt in Königsberg dauernd werden zu wollen
schien. So schmerzlich aber war ihr die Trennung von ihrem geliebten Manne,
daß sie trotz ihrer starken und duldungswilligen Seele darüber im November
in eine ernstliche Krankheit verfiel (I. 374 f.).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/185>, abgerufen am 22.07.2024.