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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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34.

Lorken d. 13: ?ed: 1807.

Theure Eltern, so eben erhalte ich den Brief aus Ulstra, ich eile sogleich
Ihnen Nachricht von uns zu geben, und gMr"8si"r" den Brief an Sie, damit
Sie geschwinder Nachricht erhalten; mein Lieber Mann ist vor Ankunft der
Franzosen hier, nach Königsberg, mit einem Freunde vereist, und hat dort eine
?r<zfeßur bis zur Wiederherstellung der Ruhe erhalten, und lißt Oollegien; die
lezte Nachricht von ihm ist. daß er Gottlob gesund ist; ich erhalte leider sehr
wenige Briefe von ihm, und kann nur selten schreiben, weil die dorthin gehend,
kosten nicht gehn: Sie stellen Sich meine Lage vor; ich wollte gleich mitreisen,
wurde aber aus manchen Ursachen zurükgelaßen, mit unserm Kinde; nun wünscht
mein Mann sehnlichst daß ich nachkomme, es hat aber bis ize noch nicht sein
können, weil ich keinen bekommen Konnte, weil die Straßen nicht sicher
sind, und andres mehr auch weil die Reise viel kostet.

Dieses Zurükbleiben ist die Ursache, daß ich tödlich krank gewesen bin,
nun mich aber Gottlob wieder erhole: ich stand viel Angst aus, durch die Zeit¬
umstände, grämte mich, hat viel Sorgen, und Verdruß, so daß ich troz alles
Quämpfen darnieder geworfen wurde; mein Schmerz war um so viel größer, da
ich unser Kind unter Fremde zurüklassen mußte, wenn ich gestorben wäre. Gott
> hat mir wieder geholfen, und wird auch weiters helfen, deßen tröste ich mich.
Ich werde zu meinem Mann reisen, so bald es nur immer möglich ist und Ih¬
nen vor meiner Abreise noch gewis schreiben.

Der Gnädige Gott sey mit Ihnen und schüze Sie vor jeder Gefahr, die¬
ses wünscht von ganzem Herzen, Ihre Sie.herzlichliebende Johanna Fichte.

Ich ti-Äneiere diesen Brief nicht, damit er sicher gehe, und grüße Alle alle
von ganzem Herzen.

Aufschrift:


Herr dickte 6>zr V^ter
zuü, g, IN in <z n g. u
nahe bey vissävrt.

Ende August 1807 kehrte aber Fichte selbst nach Berlin zurück, wo er als¬
bald, im September, von Beyme aufgefordert wurde, sein Nachdenken aus die
zweckmäßigste Ausführung des Plans zu richten, in der Hauptstadt eine Uni¬
versität zu gründen, -- ein Auftrag, der ihn bekanntlich zu jenem originellen
Organisations-Vorschlag einer "Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandes¬
gebrauchs" veranlaßte, der leider unausgeführt blieb. Fichte aber hielt im Win¬
ter 1807 -- 8 seine Reden an die Deutschen, die er sogleich auch durch den
Druck veröffentlichte. Sie sind die Schrift, von welcher er in einem ferneren
Briefe spricht.


34.

Lorken d. 13: ?ed: 1807.

Theure Eltern, so eben erhalte ich den Brief aus Ulstra, ich eile sogleich
Ihnen Nachricht von uns zu geben, und gMr«8si«r« den Brief an Sie, damit
Sie geschwinder Nachricht erhalten; mein Lieber Mann ist vor Ankunft der
Franzosen hier, nach Königsberg, mit einem Freunde vereist, und hat dort eine
?r<zfeßur bis zur Wiederherstellung der Ruhe erhalten, und lißt Oollegien; die
lezte Nachricht von ihm ist. daß er Gottlob gesund ist; ich erhalte leider sehr
wenige Briefe von ihm, und kann nur selten schreiben, weil die dorthin gehend,
kosten nicht gehn: Sie stellen Sich meine Lage vor; ich wollte gleich mitreisen,
wurde aber aus manchen Ursachen zurükgelaßen, mit unserm Kinde; nun wünscht
mein Mann sehnlichst daß ich nachkomme, es hat aber bis ize noch nicht sein
können, weil ich keinen bekommen Konnte, weil die Straßen nicht sicher
sind, und andres mehr auch weil die Reise viel kostet.

Dieses Zurükbleiben ist die Ursache, daß ich tödlich krank gewesen bin,
nun mich aber Gottlob wieder erhole: ich stand viel Angst aus, durch die Zeit¬
umstände, grämte mich, hat viel Sorgen, und Verdruß, so daß ich troz alles
Quämpfen darnieder geworfen wurde; mein Schmerz war um so viel größer, da
ich unser Kind unter Fremde zurüklassen mußte, wenn ich gestorben wäre. Gott
> hat mir wieder geholfen, und wird auch weiters helfen, deßen tröste ich mich.
Ich werde zu meinem Mann reisen, so bald es nur immer möglich ist und Ih¬
nen vor meiner Abreise noch gewis schreiben.

Der Gnädige Gott sey mit Ihnen und schüze Sie vor jeder Gefahr, die¬
ses wünscht von ganzem Herzen, Ihre Sie.herzlichliebende Johanna Fichte.

Ich ti-Äneiere diesen Brief nicht, damit er sicher gehe, und grüße Alle alle
von ganzem Herzen.

Aufschrift:


Herr dickte 6>zr V^ter
zuü, g, IN in <z n g. u
nahe bey vissävrt.

Ende August 1807 kehrte aber Fichte selbst nach Berlin zurück, wo er als¬
bald, im September, von Beyme aufgefordert wurde, sein Nachdenken aus die
zweckmäßigste Ausführung des Plans zu richten, in der Hauptstadt eine Uni¬
versität zu gründen, — ein Auftrag, der ihn bekanntlich zu jenem originellen
Organisations-Vorschlag einer „Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandes¬
gebrauchs" veranlaßte, der leider unausgeführt blieb. Fichte aber hielt im Win¬
ter 1807 — 8 seine Reden an die Deutschen, die er sogleich auch durch den
Druck veröffentlichte. Sie sind die Schrift, von welcher er in einem ferneren
Briefe spricht.


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[0186] 34. Lorken d. 13: ?ed: 1807. Theure Eltern, so eben erhalte ich den Brief aus Ulstra, ich eile sogleich Ihnen Nachricht von uns zu geben, und gMr«8si«r« den Brief an Sie, damit Sie geschwinder Nachricht erhalten; mein Lieber Mann ist vor Ankunft der Franzosen hier, nach Königsberg, mit einem Freunde vereist, und hat dort eine ?r<zfeßur bis zur Wiederherstellung der Ruhe erhalten, und lißt Oollegien; die lezte Nachricht von ihm ist. daß er Gottlob gesund ist; ich erhalte leider sehr wenige Briefe von ihm, und kann nur selten schreiben, weil die dorthin gehend, kosten nicht gehn: Sie stellen Sich meine Lage vor; ich wollte gleich mitreisen, wurde aber aus manchen Ursachen zurükgelaßen, mit unserm Kinde; nun wünscht mein Mann sehnlichst daß ich nachkomme, es hat aber bis ize noch nicht sein können, weil ich keinen bekommen Konnte, weil die Straßen nicht sicher sind, und andres mehr auch weil die Reise viel kostet. Dieses Zurükbleiben ist die Ursache, daß ich tödlich krank gewesen bin, nun mich aber Gottlob wieder erhole: ich stand viel Angst aus, durch die Zeit¬ umstände, grämte mich, hat viel Sorgen, und Verdruß, so daß ich troz alles Quämpfen darnieder geworfen wurde; mein Schmerz war um so viel größer, da ich unser Kind unter Fremde zurüklassen mußte, wenn ich gestorben wäre. Gott > hat mir wieder geholfen, und wird auch weiters helfen, deßen tröste ich mich. Ich werde zu meinem Mann reisen, so bald es nur immer möglich ist und Ih¬ nen vor meiner Abreise noch gewis schreiben. Der Gnädige Gott sey mit Ihnen und schüze Sie vor jeder Gefahr, die¬ ses wünscht von ganzem Herzen, Ihre Sie.herzlichliebende Johanna Fichte. Ich ti-Äneiere diesen Brief nicht, damit er sicher gehe, und grüße Alle alle von ganzem Herzen. Aufschrift: Herr dickte 6>zr V^ter zuü, g, IN in <z n g. u nahe bey vissävrt. Ende August 1807 kehrte aber Fichte selbst nach Berlin zurück, wo er als¬ bald, im September, von Beyme aufgefordert wurde, sein Nachdenken aus die zweckmäßigste Ausführung des Plans zu richten, in der Hauptstadt eine Uni¬ versität zu gründen, — ein Auftrag, der ihn bekanntlich zu jenem originellen Organisations-Vorschlag einer „Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandes¬ gebrauchs" veranlaßte, der leider unausgeführt blieb. Fichte aber hielt im Win¬ ter 1807 — 8 seine Reden an die Deutschen, die er sogleich auch durch den Druck veröffentlichte. Sie sind die Schrift, von welcher er in einem ferneren Briefe spricht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/186>, abgerufen am 22.07.2024.