Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.Tancred spielte, daß er nickt, wie bei der letzten Darstellung, die höchsten Töne Schiller recitirte und spielte zuweilen in den Proben den Schauspielern Acht Tage vor seinem Tode besuchte er noch das Theater. "Ich stand," Tancred spielte, daß er nickt, wie bei der letzten Darstellung, die höchsten Töne Schiller recitirte und spielte zuweilen in den Proben den Schauspielern Acht Tage vor seinem Tode besuchte er noch das Theater. „Ich stand," <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114466"/> <p xml:id="ID_621" prev="#ID_620"> Tancred spielte, daß er nickt, wie bei der letzten Darstellung, die höchsten Töne<lb/> seines Organes anschlage und sich der ewigen Malerei mit den Händen und<lb/> Armen enthalten sollte. Der gute Haide hatte sich aber in diesen Fehler, den<lb/> Goethe schon oft an ihm gerügt, förmlich verbissen. Auch die Warnungen<lb/> Schillers fruchteten zu nichts. Er wollte diesem sogar seine Gründe auf das Brei¬<lb/> teste auseinandersetzen. Das brachte Schiller aus seiner würdevollen Ruhe<lb/> heraus, und er rief voller Zorn: „El was! Macle Sie's, wie ich's Jhre sage<lb/> und wie's der Goethe habbe will. Und er hat Recht — es ischt ni Graus, das<lb/> ewige Vagire mit dene Händ und das Hinaufpfeife bei der Recitation!"<lb/> Haide stand wie vom Donner gerührt; denn so war Schiller noch nie auf¬<lb/> getreten."</p><lb/> <p xml:id="ID_622"> Schiller recitirte und spielte zuweilen in den Proben den Schauspielern<lb/> einzelne Stellen vor. Sein Vortrag wäre sehr schön gewesen, wenn sein Dia¬<lb/> lekt die Wirkung nicht hier und da etwas abgeschwächt hätte. Aber trotzdem,<lb/> daß seine Haltung steif und gebückt, seine Bewegungen durchaus nicht plastisch<lb/> waren, riß er alle durch sein Feuer und seine Phantasie zur Begeisterung hin.<lb/> „Er war in der Karlsschule erzogen, wo bei den damaligen dramatischen<lb/> Uebungen der Schüler die Unnatur der französischen Tragöden als Norm galt,<lb/> und diese trat zuweilen bei seiner Rhetorik, wenn auch nicht störend hervor.<lb/> Besonders liebte er den Schluß einer Rede mit gewaltigem Pathos ins Pu-<lb/> blicum zu schleudern, und das an und für sich Grelle wünschte er öfters noch<lb/> greller hervorgehoben. Daß Alba im fünften Act des „Egmont" als Henker<lb/> mit großem rothen Mantel und tief ins Gesicht gedrücktem Hut erscheinen<lb/> mußte, geschah auf seine (also nicht, wie Palleske berichtet, auf Goethe's oder<lb/> Ifflands) Anordnung. Ferner wünschte Schiller nach der ersten Aufführung<lb/> des „Macbeth", daß die Teller, welche die Lady spielte, bei der Wiederholung<lb/> Des Stücks nach der Ermordungsscene die Hände ein wenig roth anstreiche, da¬<lb/> mit das Ringen derselben im fünften Act dem Publicum verständlicher würde.<lb/> Goethe aber wußte ihn von dem Gedanken abzubringen, der übrigens nicht<lb/> sein eigen war. sondern von England stammt, wo allerdings die Lady nach<lb/> dieser Scene mit bluttriefenden Händen erscheint, die sie bei den Worten:<lb/> „Mine Hände sind blutig wie die deinen" förmlich auswindet."</p><lb/> <p xml:id="ID_623" next="#ID_624"> Acht Tage vor seinem Tode besuchte er noch das Theater. „Ich stand,"<lb/> so berichtet A. Gemahl, „am Eingang desselben, als er kam. Er grüßte mich<lb/> mit den Worten: „Guten Abend. Gemahl! Goethe hat mich bis an das Palais<lb/> begleitet. Er kommt heute nicht, aber ich will mir das Stück doch ansehen.<lb/> KoKebue ist zwar nicht mein Mann, aber er kennt das Theater." Ich war er¬<lb/> schrocken über sein blasses Gesicht mit fast gläsernen Augen. Den andern Tag<lb/> ging ich in geschäftlicher Beziehung zu ihm. Der Bediente sagte mir, daß sein<lb/> Herr eine sehr schlimme Nacht gehabt habe und zu Bett läge. Trotzdem empfing</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
Tancred spielte, daß er nickt, wie bei der letzten Darstellung, die höchsten Töne
seines Organes anschlage und sich der ewigen Malerei mit den Händen und
Armen enthalten sollte. Der gute Haide hatte sich aber in diesen Fehler, den
Goethe schon oft an ihm gerügt, förmlich verbissen. Auch die Warnungen
Schillers fruchteten zu nichts. Er wollte diesem sogar seine Gründe auf das Brei¬
teste auseinandersetzen. Das brachte Schiller aus seiner würdevollen Ruhe
heraus, und er rief voller Zorn: „El was! Macle Sie's, wie ich's Jhre sage
und wie's der Goethe habbe will. Und er hat Recht — es ischt ni Graus, das
ewige Vagire mit dene Händ und das Hinaufpfeife bei der Recitation!"
Haide stand wie vom Donner gerührt; denn so war Schiller noch nie auf¬
getreten."
Schiller recitirte und spielte zuweilen in den Proben den Schauspielern
einzelne Stellen vor. Sein Vortrag wäre sehr schön gewesen, wenn sein Dia¬
lekt die Wirkung nicht hier und da etwas abgeschwächt hätte. Aber trotzdem,
daß seine Haltung steif und gebückt, seine Bewegungen durchaus nicht plastisch
waren, riß er alle durch sein Feuer und seine Phantasie zur Begeisterung hin.
„Er war in der Karlsschule erzogen, wo bei den damaligen dramatischen
Uebungen der Schüler die Unnatur der französischen Tragöden als Norm galt,
und diese trat zuweilen bei seiner Rhetorik, wenn auch nicht störend hervor.
Besonders liebte er den Schluß einer Rede mit gewaltigem Pathos ins Pu-
blicum zu schleudern, und das an und für sich Grelle wünschte er öfters noch
greller hervorgehoben. Daß Alba im fünften Act des „Egmont" als Henker
mit großem rothen Mantel und tief ins Gesicht gedrücktem Hut erscheinen
mußte, geschah auf seine (also nicht, wie Palleske berichtet, auf Goethe's oder
Ifflands) Anordnung. Ferner wünschte Schiller nach der ersten Aufführung
des „Macbeth", daß die Teller, welche die Lady spielte, bei der Wiederholung
Des Stücks nach der Ermordungsscene die Hände ein wenig roth anstreiche, da¬
mit das Ringen derselben im fünften Act dem Publicum verständlicher würde.
Goethe aber wußte ihn von dem Gedanken abzubringen, der übrigens nicht
sein eigen war. sondern von England stammt, wo allerdings die Lady nach
dieser Scene mit bluttriefenden Händen erscheint, die sie bei den Worten:
„Mine Hände sind blutig wie die deinen" förmlich auswindet."
Acht Tage vor seinem Tode besuchte er noch das Theater. „Ich stand,"
so berichtet A. Gemahl, „am Eingang desselben, als er kam. Er grüßte mich
mit den Worten: „Guten Abend. Gemahl! Goethe hat mich bis an das Palais
begleitet. Er kommt heute nicht, aber ich will mir das Stück doch ansehen.
KoKebue ist zwar nicht mein Mann, aber er kennt das Theater." Ich war er¬
schrocken über sein blasses Gesicht mit fast gläsernen Augen. Den andern Tag
ging ich in geschäftlicher Beziehung zu ihm. Der Bediente sagte mir, daß sein
Herr eine sehr schlimme Nacht gehabt habe und zu Bett läge. Trotzdem empfing
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