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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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darüber geschrieben haben könne, weil Du mit den Sitten der ifeinern Welt
unbekannt bist; aber nach ihnen ist es unmöglich, daß er mir darüber ge¬
schrieben haben könne, weil ich mich nicht als Verfaßer genannt habe.)
hat er mir nicht darüber geschrieben; aber ich errathe es sogleich, weil ein
Studierter den andern auf einen Wink versteht. Da glaubst Du nun, ihm aus
dem Traume helfen zu können; und verstehst nicht, was er tadelt. Es betrift
den Ausdruck Denkfreiheit. Das Denken ist doch wohl etwas innerliches,
unsichtbares. Wie kann mir denn jemand die Freiheit nehmen, in meinem
Herzen zu denken, was ich will? und wer hat denn jemals diese Freiheit
unterdrücken wollen, oder können? Das ohngefähr hat K. sagen wollen. Es
sollte demnach heißen, Freiheit seine Gedanken mündlich oder schrift¬
lich oder durch den Druck mitzuthei im. --Nun hat er zwar nicht ganz
Recht: denn in der Schrift selbst ist der Ausdruck Denkfreiheit so erklärt wor¬
den ; und es ist nicht nöthig viel Worte zu machen, wo man mit einem einzigen
auslangt. -- Aber was Du sagst, paßt gar nicht auf seine Frage, und Du hast
ihn daher gar nicht verstanden.

So lange Du nun nicht bescheiden wirst, und erkennst, daß Du schlechthin
nichts weißt, aber etwas lernen sollst: und daß jeder Gelehrte Dich lehren
könne, so ist Dir nicht zu helfen. Beurtheilen, ob etwas nöthig sey zu
lernen oder nicht kannst Du gleichfalls nicht; denn Du weißt nicht, wozu
das unscheinbare, und geringfügige in der Zukunft dienen könne, da Du die
Wißenschaft nicht übersiehst. -- Denke, daß Du, als Du die Buchstaben kennen
leintest, hättest sagen wollen/, wozu das, zu lernen was A. und B. ist, u. s. f.
so könntest Du heute noch nicht lesen. -- Dergleichen Dinge werden Dir gar
viele vorkommen, die zuletzt doch so nöthig sind, als das A. B. C. ob sie
gleich unscheinbar aussehen.

Ferner habe ich bemerkt, daß Du die Wißenschaft für viel zu leicht hältst,
und daß Du glaubst, daß das alles auf den ersten Anlauf gelernt sey. Das ist
nun der Fall gar nicht; und wenn Du Dich nicht mit Geduld ausrüstest, so
kann nichts werden.

Also -- lege ab die große Meinung von Dir, und folge Deinen
Führern aus der Bahn der Wißenschaften blindlings. Zu seiner
Zeit wollen wir zusammen selbst prüfen, jezt bist Du dazu noch gar
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Ich habe diejenigen, welche die Aufsicht über Dich führen, gebeten, mir
freimüthig zu melden, wie es mit Dir geht. Ich habe ihnen ferner Winke
über diesen Deinen Fehler gegeben. Ich werde also sehr bestimmt erfahren,
wie Du Dich hältst. Von Dir selbst erwarte ich, daß Du mir alle 8. Tage
unfrankirt schreibst, sobald Du in Meisen seyn wirst, und mir meldest, was
Du studirst, wie es Dir von Statten geht. Deine Gesinnungen, Gedanken,


darüber geschrieben haben könne, weil Du mit den Sitten der ifeinern Welt
unbekannt bist; aber nach ihnen ist es unmöglich, daß er mir darüber ge¬
schrieben haben könne, weil ich mich nicht als Verfaßer genannt habe.)
hat er mir nicht darüber geschrieben; aber ich errathe es sogleich, weil ein
Studierter den andern auf einen Wink versteht. Da glaubst Du nun, ihm aus
dem Traume helfen zu können; und verstehst nicht, was er tadelt. Es betrift
den Ausdruck Denkfreiheit. Das Denken ist doch wohl etwas innerliches,
unsichtbares. Wie kann mir denn jemand die Freiheit nehmen, in meinem
Herzen zu denken, was ich will? und wer hat denn jemals diese Freiheit
unterdrücken wollen, oder können? Das ohngefähr hat K. sagen wollen. Es
sollte demnach heißen, Freiheit seine Gedanken mündlich oder schrift¬
lich oder durch den Druck mitzuthei im. —Nun hat er zwar nicht ganz
Recht: denn in der Schrift selbst ist der Ausdruck Denkfreiheit so erklärt wor¬
den ; und es ist nicht nöthig viel Worte zu machen, wo man mit einem einzigen
auslangt. — Aber was Du sagst, paßt gar nicht auf seine Frage, und Du hast
ihn daher gar nicht verstanden.

So lange Du nun nicht bescheiden wirst, und erkennst, daß Du schlechthin
nichts weißt, aber etwas lernen sollst: und daß jeder Gelehrte Dich lehren
könne, so ist Dir nicht zu helfen. Beurtheilen, ob etwas nöthig sey zu
lernen oder nicht kannst Du gleichfalls nicht; denn Du weißt nicht, wozu
das unscheinbare, und geringfügige in der Zukunft dienen könne, da Du die
Wißenschaft nicht übersiehst. — Denke, daß Du, als Du die Buchstaben kennen
leintest, hättest sagen wollen/, wozu das, zu lernen was A. und B. ist, u. s. f.
so könntest Du heute noch nicht lesen. — Dergleichen Dinge werden Dir gar
viele vorkommen, die zuletzt doch so nöthig sind, als das A. B. C. ob sie
gleich unscheinbar aussehen.

Ferner habe ich bemerkt, daß Du die Wißenschaft für viel zu leicht hältst,
und daß Du glaubst, daß das alles auf den ersten Anlauf gelernt sey. Das ist
nun der Fall gar nicht; und wenn Du Dich nicht mit Geduld ausrüstest, so
kann nichts werden.

Also — lege ab die große Meinung von Dir, und folge Deinen
Führern aus der Bahn der Wißenschaften blindlings. Zu seiner
Zeit wollen wir zusammen selbst prüfen, jezt bist Du dazu noch gar
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Ich habe diejenigen, welche die Aufsicht über Dich führen, gebeten, mir
freimüthig zu melden, wie es mit Dir geht. Ich habe ihnen ferner Winke
über diesen Deinen Fehler gegeben. Ich werde also sehr bestimmt erfahren,
wie Du Dich hältst. Von Dir selbst erwarte ich, daß Du mir alle 8. Tage
unfrankirt schreibst, sobald Du in Meisen seyn wirst, und mir meldest, was
Du studirst, wie es Dir von Statten geht. Deine Gesinnungen, Gedanken,


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[0136] darüber geschrieben haben könne, weil Du mit den Sitten der ifeinern Welt unbekannt bist; aber nach ihnen ist es unmöglich, daß er mir darüber ge¬ schrieben haben könne, weil ich mich nicht als Verfaßer genannt habe.) hat er mir nicht darüber geschrieben; aber ich errathe es sogleich, weil ein Studierter den andern auf einen Wink versteht. Da glaubst Du nun, ihm aus dem Traume helfen zu können; und verstehst nicht, was er tadelt. Es betrift den Ausdruck Denkfreiheit. Das Denken ist doch wohl etwas innerliches, unsichtbares. Wie kann mir denn jemand die Freiheit nehmen, in meinem Herzen zu denken, was ich will? und wer hat denn jemals diese Freiheit unterdrücken wollen, oder können? Das ohngefähr hat K. sagen wollen. Es sollte demnach heißen, Freiheit seine Gedanken mündlich oder schrift¬ lich oder durch den Druck mitzuthei im. —Nun hat er zwar nicht ganz Recht: denn in der Schrift selbst ist der Ausdruck Denkfreiheit so erklärt wor¬ den ; und es ist nicht nöthig viel Worte zu machen, wo man mit einem einzigen auslangt. — Aber was Du sagst, paßt gar nicht auf seine Frage, und Du hast ihn daher gar nicht verstanden. So lange Du nun nicht bescheiden wirst, und erkennst, daß Du schlechthin nichts weißt, aber etwas lernen sollst: und daß jeder Gelehrte Dich lehren könne, so ist Dir nicht zu helfen. Beurtheilen, ob etwas nöthig sey zu lernen oder nicht kannst Du gleichfalls nicht; denn Du weißt nicht, wozu das unscheinbare, und geringfügige in der Zukunft dienen könne, da Du die Wißenschaft nicht übersiehst. — Denke, daß Du, als Du die Buchstaben kennen leintest, hättest sagen wollen/, wozu das, zu lernen was A. und B. ist, u. s. f. so könntest Du heute noch nicht lesen. — Dergleichen Dinge werden Dir gar viele vorkommen, die zuletzt doch so nöthig sind, als das A. B. C. ob sie gleich unscheinbar aussehen. Ferner habe ich bemerkt, daß Du die Wißenschaft für viel zu leicht hältst, und daß Du glaubst, daß das alles auf den ersten Anlauf gelernt sey. Das ist nun der Fall gar nicht; und wenn Du Dich nicht mit Geduld ausrüstest, so kann nichts werden. Also — lege ab die große Meinung von Dir, und folge Deinen Führern aus der Bahn der Wißenschaften blindlings. Zu seiner Zeit wollen wir zusammen selbst prüfen, jezt bist Du dazu noch gar mWK<M'5'j i'ahnt 5? nlixK uT ilMl .'ii6,ffnv dahin' o'sjb uZ 5>,Ä Ich habe diejenigen, welche die Aufsicht über Dich führen, gebeten, mir freimüthig zu melden, wie es mit Dir geht. Ich habe ihnen ferner Winke über diesen Deinen Fehler gegeben. Ich werde also sehr bestimmt erfahren, wie Du Dich hältst. Von Dir selbst erwarte ich, daß Du mir alle 8. Tage unfrankirt schreibst, sobald Du in Meisen seyn wirst, und mir meldest, was Du studirst, wie es Dir von Statten geht. Deine Gesinnungen, Gedanken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/136>, abgerufen am 24.08.2024.