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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Bedürfniß verschiedener anderer Gemeinden abgeholfen. Aber noch brauche"
14 dieser Gemeinden mehr oder minder Unterstützung. Ein Beispiel davon ist
Herbsten, wo 150 Protestanten unter 2000 großenthnls sehr bigotten Katho¬
liken leben. Vor Kurzem drohte hier noch der katholische Kaplan. ein evange¬
lisches Kind, das aus dem gemeinschaftlichen Friedhof in der Reihe beerdigt
worden, wieder aus der Erde nehmen und an einen abgesonderten Ort begraben
zu lassen. Der bekannte ultramontane. Bischof von Mainz kommt häufig nach
Herbstein, welches als eine katholische Insel mitten unter protestantischen Ge¬
meinden liegt, und entfaltet hier, den verlockenden Pomp der römischen Kirche.
Der sehr wackere evangelische Prediger wirkt nach Kräften dagegen: er predigt
jeden Sonntag an verschiedenen Orten und ertheilt wöchentlich außerdem
30 Unterrichtsstunden, und dabei beträgt sein Gehalt nicht mehr als 500 Gulden.
Eine Aufbesserung desselben ist höchst nöthig, ebenso der Bau einer eigenen
Kapelle für die Gemeinde. Betrübend ist ferner in manchen Gemeinden, daß
die Mehrzahl der Kinder gemischter Ehen katholisch werden, z. B. in Helden¬
bergen, wo von zwanzig solcher Ehen nur zwei, und in Hirschhorn, wo von sieb¬
zehn derselben nur acht ihre Kinder evangelisch werden lassen.

In Kur Hessen nennt unser Bericht sechs bedrängte Gemeinden, in Nassau
ebenfalls sechs, von denen namentlich Nied baldiger Unterstützung bedarf. Hier
und in den Nachbarorten Schwanheim, Griesheim und Höchst leben ungefähr
1500 Evangelische, deren Seelsorge dem protestantischen Kaplan in Nied obliegt.
Die früher hier und in Griesheim bestandenen evangelischen Kirchen wurden,
als diese Gemeinden von Hanau an Kurmainz gelangten, den Katholischen
übergeben. Später erbauten Protestanten und Katholiken gemeinschaftlich eine
Kirche in Nied, die noch jetzt als Simultankirche benutzt wirb. Die Zahl der
Schulkinder beträgt 200. Dieselben werden von vier Lehrern und einer Lehrerin
unterrichtet, die Schulen stehen, jedoch unter der Inspektion der katholischen
Geistlichen, denen auch der evangelische Kaplan in Nied untergeordnet und die
Führung der Geburth-, Trauungs- und SterbelisteNi übertragen ist. Bon welchem
Nachtheil dieses Verhältniß zur katholischen Kirche für tue Gemeinde ist, liegt
.auf der Hand. Es ist durchaus nothwendig, daß jene Unterordnung der Pro¬
testanten unter die Katholiken aufgehoben, die Kaplcmei zur selbständigen Pfarr-
gemeinde erhoben und dieser eine eigene Kirche geschafft wird.

Wir schließen unsere Mittheilungen über die protestantische Diaspora in
Deutschland und den außerdeutschen Besitzungen Preußens und Oestreichs mit der
Bemerkung, daß in Hannover dreizehn, in Oldenburg zwei Gemeinden der
Unterstützung des Gustav-Adolf-Bcreins empfohlen wurden, und betrachten jetzt
die uns serner liegenden, zum Theil ebenfalls sehr übel gestellten Protestanten
in den außerdeutschen Ländern, wobei wir uns noch mehr als bisher aus ein¬
zelne Beispiele beschränken müssen.


Bedürfniß verschiedener anderer Gemeinden abgeholfen. Aber noch brauche»
14 dieser Gemeinden mehr oder minder Unterstützung. Ein Beispiel davon ist
Herbsten, wo 150 Protestanten unter 2000 großenthnls sehr bigotten Katho¬
liken leben. Vor Kurzem drohte hier noch der katholische Kaplan. ein evange¬
lisches Kind, das aus dem gemeinschaftlichen Friedhof in der Reihe beerdigt
worden, wieder aus der Erde nehmen und an einen abgesonderten Ort begraben
zu lassen. Der bekannte ultramontane. Bischof von Mainz kommt häufig nach
Herbstein, welches als eine katholische Insel mitten unter protestantischen Ge¬
meinden liegt, und entfaltet hier, den verlockenden Pomp der römischen Kirche.
Der sehr wackere evangelische Prediger wirkt nach Kräften dagegen: er predigt
jeden Sonntag an verschiedenen Orten und ertheilt wöchentlich außerdem
30 Unterrichtsstunden, und dabei beträgt sein Gehalt nicht mehr als 500 Gulden.
Eine Aufbesserung desselben ist höchst nöthig, ebenso der Bau einer eigenen
Kapelle für die Gemeinde. Betrübend ist ferner in manchen Gemeinden, daß
die Mehrzahl der Kinder gemischter Ehen katholisch werden, z. B. in Helden¬
bergen, wo von zwanzig solcher Ehen nur zwei, und in Hirschhorn, wo von sieb¬
zehn derselben nur acht ihre Kinder evangelisch werden lassen.

In Kur Hessen nennt unser Bericht sechs bedrängte Gemeinden, in Nassau
ebenfalls sechs, von denen namentlich Nied baldiger Unterstützung bedarf. Hier
und in den Nachbarorten Schwanheim, Griesheim und Höchst leben ungefähr
1500 Evangelische, deren Seelsorge dem protestantischen Kaplan in Nied obliegt.
Die früher hier und in Griesheim bestandenen evangelischen Kirchen wurden,
als diese Gemeinden von Hanau an Kurmainz gelangten, den Katholischen
übergeben. Später erbauten Protestanten und Katholiken gemeinschaftlich eine
Kirche in Nied, die noch jetzt als Simultankirche benutzt wirb. Die Zahl der
Schulkinder beträgt 200. Dieselben werden von vier Lehrern und einer Lehrerin
unterrichtet, die Schulen stehen, jedoch unter der Inspektion der katholischen
Geistlichen, denen auch der evangelische Kaplan in Nied untergeordnet und die
Führung der Geburth-, Trauungs- und SterbelisteNi übertragen ist. Bon welchem
Nachtheil dieses Verhältniß zur katholischen Kirche für tue Gemeinde ist, liegt
.auf der Hand. Es ist durchaus nothwendig, daß jene Unterordnung der Pro¬
testanten unter die Katholiken aufgehoben, die Kaplcmei zur selbständigen Pfarr-
gemeinde erhoben und dieser eine eigene Kirche geschafft wird.

Wir schließen unsere Mittheilungen über die protestantische Diaspora in
Deutschland und den außerdeutschen Besitzungen Preußens und Oestreichs mit der
Bemerkung, daß in Hannover dreizehn, in Oldenburg zwei Gemeinden der
Unterstützung des Gustav-Adolf-Bcreins empfohlen wurden, und betrachten jetzt
die uns serner liegenden, zum Theil ebenfalls sehr übel gestellten Protestanten
in den außerdeutschen Ländern, wobei wir uns noch mehr als bisher aus ein¬
zelne Beispiele beschränken müssen.


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[0109] Bedürfniß verschiedener anderer Gemeinden abgeholfen. Aber noch brauche» 14 dieser Gemeinden mehr oder minder Unterstützung. Ein Beispiel davon ist Herbsten, wo 150 Protestanten unter 2000 großenthnls sehr bigotten Katho¬ liken leben. Vor Kurzem drohte hier noch der katholische Kaplan. ein evange¬ lisches Kind, das aus dem gemeinschaftlichen Friedhof in der Reihe beerdigt worden, wieder aus der Erde nehmen und an einen abgesonderten Ort begraben zu lassen. Der bekannte ultramontane. Bischof von Mainz kommt häufig nach Herbstein, welches als eine katholische Insel mitten unter protestantischen Ge¬ meinden liegt, und entfaltet hier, den verlockenden Pomp der römischen Kirche. Der sehr wackere evangelische Prediger wirkt nach Kräften dagegen: er predigt jeden Sonntag an verschiedenen Orten und ertheilt wöchentlich außerdem 30 Unterrichtsstunden, und dabei beträgt sein Gehalt nicht mehr als 500 Gulden. Eine Aufbesserung desselben ist höchst nöthig, ebenso der Bau einer eigenen Kapelle für die Gemeinde. Betrübend ist ferner in manchen Gemeinden, daß die Mehrzahl der Kinder gemischter Ehen katholisch werden, z. B. in Helden¬ bergen, wo von zwanzig solcher Ehen nur zwei, und in Hirschhorn, wo von sieb¬ zehn derselben nur acht ihre Kinder evangelisch werden lassen. In Kur Hessen nennt unser Bericht sechs bedrängte Gemeinden, in Nassau ebenfalls sechs, von denen namentlich Nied baldiger Unterstützung bedarf. Hier und in den Nachbarorten Schwanheim, Griesheim und Höchst leben ungefähr 1500 Evangelische, deren Seelsorge dem protestantischen Kaplan in Nied obliegt. Die früher hier und in Griesheim bestandenen evangelischen Kirchen wurden, als diese Gemeinden von Hanau an Kurmainz gelangten, den Katholischen übergeben. Später erbauten Protestanten und Katholiken gemeinschaftlich eine Kirche in Nied, die noch jetzt als Simultankirche benutzt wirb. Die Zahl der Schulkinder beträgt 200. Dieselben werden von vier Lehrern und einer Lehrerin unterrichtet, die Schulen stehen, jedoch unter der Inspektion der katholischen Geistlichen, denen auch der evangelische Kaplan in Nied untergeordnet und die Führung der Geburth-, Trauungs- und SterbelisteNi übertragen ist. Bon welchem Nachtheil dieses Verhältniß zur katholischen Kirche für tue Gemeinde ist, liegt .auf der Hand. Es ist durchaus nothwendig, daß jene Unterordnung der Pro¬ testanten unter die Katholiken aufgehoben, die Kaplcmei zur selbständigen Pfarr- gemeinde erhoben und dieser eine eigene Kirche geschafft wird. Wir schließen unsere Mittheilungen über die protestantische Diaspora in Deutschland und den außerdeutschen Besitzungen Preußens und Oestreichs mit der Bemerkung, daß in Hannover dreizehn, in Oldenburg zwei Gemeinden der Unterstützung des Gustav-Adolf-Bcreins empfohlen wurden, und betrachten jetzt die uns serner liegenden, zum Theil ebenfalls sehr übel gestellten Protestanten in den außerdeutschen Ländern, wobei wir uns noch mehr als bisher aus ein¬ zelne Beispiele beschränken müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/109>, abgerufen am 25.08.2024.