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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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gesetzlichen Bestimmungen, strafte aber beim Morde des abscheulichen Ho-
skins Quadra die schuldigen Sklaven nicht. Unter Nerv aber erlebte
Rom eine unmenschliche Anwendung des kurz vorher auch auf die testamenta¬
risch freigelassenen Diener ausgedehnten Gesetzes. Der Stadtpräfect Pedanius
Secundus war von einem seiner Sklaven ermordet worden. Der Senat ver-
urtheilte die 400 Sklaven desselben alle zum Tode, und als das Mitleid mit
so vielen anerkannt Unschuldigen den drohenden Unwillen der Volksmassen er¬
regte, ließ der Kaiser die zur Richtstätte führenden Straßen militärisch besetzen,
und dem Esquilinischen Felde,.wo die Gebeine der Verbrecher und Sklaven
bleichten, entging keines der vielen Opfer.

Auf der andern Seite fehlt es nicht an Beispielen der treuesten Anhäng¬
lichkeit und hochherzigsten Aufopferung von Seiten solcher Sklaven, die eine-
bessere Behandlung erfuhren. Seneca in seiner Schrift über die Wohlthaten
und Valerius Maximus in seiner Anekdotensammlung indem viele Fälle dieser
Art gesammelt, und auch aus Grabinschriften läßt sich erkennen, daß in manchen
Familien Herren und Sklaven ein enges Pietätsvcrhältniß verknüpfte. Doch
mögen immer die humanen Grundsätze eines Seneca und Plinius selten genug
gewesen sein. Der erste schreibt an Lucilius: "Mit Vergnügen habe ich ver¬
nommen, daß du auf einem vertraulichen Fuße mit deinen Sklaven stehst. So
geziemt es sich für deine Klugheit, deine Bildung. . . . Ich lache über Alle,
die es für eine Schande ansehen, mit ihren Sklaven zusammen zu speisen.
Freilich werde ich nicht alle Sklaven zu Tische ziehen, sondern nur die würdig¬
sten, aber nicht ihrer Verrichtung, sondern ihren Sitten nach. -- Laß dich lieber
von deinen Sklaven lieben und verehren, als fürchten" u. s. w. Auch Plinius
sagt in einem Briefe: "Die Krankheiten meiner Leute, deren einige der Tod in
der Blüthe ihres Alters hingerafft, haben mich aufs Tiefste gerührt. Zwei
Trostgründe habe ich, die zwar für einen so großen Schmerz zu schwach, aber
doch Trostgründe sind. Der eine ist die Bereitwilligkeit, womit ich ihnen die
Freiheit geschenkt, denn es dunkel mich, daß ich diejenigen nicht zu bald ver¬
loren, die ich frei verloren habe. Der andere ist die Erlaubniß, die ich meinen
Sklaven gebe, eine Art von Testament zu machen, die ich gesetzmäßig aufrecht
erhalte. Sie verordnen und bitten mich um das, was ihnen gefällt, und ich
vollziehe ihre Anordnungen wie Befehle. Sie vertheilen, schenken, hinterlassen,
wenn es nur nicht außer dem Hause geschieht. Denn den Sklaven ist das
Haus gleichsam'Republik und Stadt."

Wie in Attika gab es auch im römischen Staate öffentliche Sklaven.
Dieser Sklavenstand entsprang einestheils aus Kriegsgefangenen, die der Staat
seinem Dienste reservirte. So wurden im Jahre 210 v. Chr. nach der Er¬
oberung Neukarthagvs 2000 Handwerker zu Staatssklaven gemacht, und da zu
derselben Zeit die Einwohner Ccüabriens zu Hannibal gehalten hatten, so er-


gesetzlichen Bestimmungen, strafte aber beim Morde des abscheulichen Ho-
skins Quadra die schuldigen Sklaven nicht. Unter Nerv aber erlebte
Rom eine unmenschliche Anwendung des kurz vorher auch auf die testamenta¬
risch freigelassenen Diener ausgedehnten Gesetzes. Der Stadtpräfect Pedanius
Secundus war von einem seiner Sklaven ermordet worden. Der Senat ver-
urtheilte die 400 Sklaven desselben alle zum Tode, und als das Mitleid mit
so vielen anerkannt Unschuldigen den drohenden Unwillen der Volksmassen er¬
regte, ließ der Kaiser die zur Richtstätte führenden Straßen militärisch besetzen,
und dem Esquilinischen Felde,.wo die Gebeine der Verbrecher und Sklaven
bleichten, entging keines der vielen Opfer.

Auf der andern Seite fehlt es nicht an Beispielen der treuesten Anhäng¬
lichkeit und hochherzigsten Aufopferung von Seiten solcher Sklaven, die eine-
bessere Behandlung erfuhren. Seneca in seiner Schrift über die Wohlthaten
und Valerius Maximus in seiner Anekdotensammlung indem viele Fälle dieser
Art gesammelt, und auch aus Grabinschriften läßt sich erkennen, daß in manchen
Familien Herren und Sklaven ein enges Pietätsvcrhältniß verknüpfte. Doch
mögen immer die humanen Grundsätze eines Seneca und Plinius selten genug
gewesen sein. Der erste schreibt an Lucilius: „Mit Vergnügen habe ich ver¬
nommen, daß du auf einem vertraulichen Fuße mit deinen Sklaven stehst. So
geziemt es sich für deine Klugheit, deine Bildung. . . . Ich lache über Alle,
die es für eine Schande ansehen, mit ihren Sklaven zusammen zu speisen.
Freilich werde ich nicht alle Sklaven zu Tische ziehen, sondern nur die würdig¬
sten, aber nicht ihrer Verrichtung, sondern ihren Sitten nach. — Laß dich lieber
von deinen Sklaven lieben und verehren, als fürchten" u. s. w. Auch Plinius
sagt in einem Briefe: „Die Krankheiten meiner Leute, deren einige der Tod in
der Blüthe ihres Alters hingerafft, haben mich aufs Tiefste gerührt. Zwei
Trostgründe habe ich, die zwar für einen so großen Schmerz zu schwach, aber
doch Trostgründe sind. Der eine ist die Bereitwilligkeit, womit ich ihnen die
Freiheit geschenkt, denn es dunkel mich, daß ich diejenigen nicht zu bald ver¬
loren, die ich frei verloren habe. Der andere ist die Erlaubniß, die ich meinen
Sklaven gebe, eine Art von Testament zu machen, die ich gesetzmäßig aufrecht
erhalte. Sie verordnen und bitten mich um das, was ihnen gefällt, und ich
vollziehe ihre Anordnungen wie Befehle. Sie vertheilen, schenken, hinterlassen,
wenn es nur nicht außer dem Hause geschieht. Denn den Sklaven ist das
Haus gleichsam'Republik und Stadt."

Wie in Attika gab es auch im römischen Staate öffentliche Sklaven.
Dieser Sklavenstand entsprang einestheils aus Kriegsgefangenen, die der Staat
seinem Dienste reservirte. So wurden im Jahre 210 v. Chr. nach der Er¬
oberung Neukarthagvs 2000 Handwerker zu Staatssklaven gemacht, und da zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/74>, abgerufen am 08.01.2025.