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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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klärte man sie ebenfalls später zu Sklaven des römischen Volks, und sie mußten
die Diensie der Büttel und Boten bei den Provinzialmagistraten verrichten.
Andererseits kaufte sich auch der Staat zuweilen Sklaven oder es gingen Privat¬
sklaven durch Erbschaft an den Staat über. August schenkte z. B. die von
Agrippa geerbten Sklaven den Wasserleitungen des Staates. Die niederen
Diener der Magistrate standen sich besser als die Sklaven der Privatleute; sie
konnten sich Vermögen erwerben, erhielten ein Deputat zu ihrem Unterhalte,
hatten freie Wohnung'und konnten seit Hadrian über die Hälfte ihres Besitzes
testamentarische Verfügung treffen. Viel übler war dagegen die Lage derjenigen
Staatssklaven, die bei Bergwerken, Wegebauten. Steinbrüchen, Kloaken, Bädern,
angestellt waren, Arbeiten, die der Kaiser Trajan in einem Briefe an Plinius
"nicht weit von Strafe entfernte" nennt. -- Da die Römer den engherzigen
Glauben an natürliche Stlavcnklassen und an deren Prädestination zur Skla¬
verei nicht theilten, so wurde auch durch die gesetzmäßige, feierliche Freilassung
vor dem Richter, vor dem Censor oder durch Testament der Sklave sofort zum
Range eines freien Bürgers erhoben, wenn auch erst seine Kinder in den vollen
Genuß der Rechte eintraten. Der neue Freigelassene, der nun den Fcnnilien-
und Vornamen seines Freilasscrs dem seinigen vorsetzte, ließ sich das Haupt
scheeren und trug einen Hut oder eine weiße wollene Binde, um die Verän¬
derung seines Standes kund zu thun. Wie in Hellas blieb er aber zur Ehr¬
erbietung und zu mancherlei Verpflichtungen gegen seine frühere Herrschaft ver¬
bunden, und da in 5er Kaiserzeit dieses Pietätsverhältniß sich bedeutend lockerte
und bittere Klagen Der das Benehmen der Freigelassenen einliefen, so wurden
verschiedene Verordnungen erlassen, in Folge deren Verbannung, körperliche
Züchtigung und selbst Wiedereintritt in die Sklaverei als Strafen der Rück¬
sichtslosigkeit eintraten. Die Freilassungen selbst wurden in der Kaiserzeit aus
verschiedenen Ursachen immer zahlreicher. Oft erwarb sich durch Schandthaten
der Sklave den Preis der Freiheit, oft wurde er auch zur Belohnung für seine
Verschwiegenheit vom verbrecherischen Herrn freigelassen. Sogar die Habsucht
kam zuweilen mit in's Spiel, indem der Freigelassene sich verpflichten mußte,
seinen Antheil an den, armen Bürgern zufallenden Getreidcspendungen und an¬
deren Spendungen seinem Herrn abzutreten. Die meisten Freilassungen hatten
aber ihren Grund in der Eitelkeit der Vornehmen, die nicht selten in ihrem
Testamente allen Sklaven die Freiheit schenkten, um das Gepränge ihres Leichen¬
zugs durch möglichst viele Zeugen ihrer Großmuth zu vermehren. So geschah
es. daß Augustus schon sich gezwungen sah. gegen diese Vermehrung der Bür¬
ger durch schlechte Subjecte aller Art einzuschreiten. Ein Gesetz bestimmte da¬
her, daß alle Sklaven, die entehrende Strafen erlitten hätten, des Bürgerrechts
unfähig wären, ein anderes, daß nur ein gewisser Theil der Sklaven vom Te-
stator freigelassen werden könnte und überhaupt nie mehr als hundert. Der


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klärte man sie ebenfalls später zu Sklaven des römischen Volks, und sie mußten
die Diensie der Büttel und Boten bei den Provinzialmagistraten verrichten.
Andererseits kaufte sich auch der Staat zuweilen Sklaven oder es gingen Privat¬
sklaven durch Erbschaft an den Staat über. August schenkte z. B. die von
Agrippa geerbten Sklaven den Wasserleitungen des Staates. Die niederen
Diener der Magistrate standen sich besser als die Sklaven der Privatleute; sie
konnten sich Vermögen erwerben, erhielten ein Deputat zu ihrem Unterhalte,
hatten freie Wohnung'und konnten seit Hadrian über die Hälfte ihres Besitzes
testamentarische Verfügung treffen. Viel übler war dagegen die Lage derjenigen
Staatssklaven, die bei Bergwerken, Wegebauten. Steinbrüchen, Kloaken, Bädern,
angestellt waren, Arbeiten, die der Kaiser Trajan in einem Briefe an Plinius
„nicht weit von Strafe entfernte" nennt. — Da die Römer den engherzigen
Glauben an natürliche Stlavcnklassen und an deren Prädestination zur Skla¬
verei nicht theilten, so wurde auch durch die gesetzmäßige, feierliche Freilassung
vor dem Richter, vor dem Censor oder durch Testament der Sklave sofort zum
Range eines freien Bürgers erhoben, wenn auch erst seine Kinder in den vollen
Genuß der Rechte eintraten. Der neue Freigelassene, der nun den Fcnnilien-
und Vornamen seines Freilasscrs dem seinigen vorsetzte, ließ sich das Haupt
scheeren und trug einen Hut oder eine weiße wollene Binde, um die Verän¬
derung seines Standes kund zu thun. Wie in Hellas blieb er aber zur Ehr¬
erbietung und zu mancherlei Verpflichtungen gegen seine frühere Herrschaft ver¬
bunden, und da in 5er Kaiserzeit dieses Pietätsverhältniß sich bedeutend lockerte
und bittere Klagen Der das Benehmen der Freigelassenen einliefen, so wurden
verschiedene Verordnungen erlassen, in Folge deren Verbannung, körperliche
Züchtigung und selbst Wiedereintritt in die Sklaverei als Strafen der Rück¬
sichtslosigkeit eintraten. Die Freilassungen selbst wurden in der Kaiserzeit aus
verschiedenen Ursachen immer zahlreicher. Oft erwarb sich durch Schandthaten
der Sklave den Preis der Freiheit, oft wurde er auch zur Belohnung für seine
Verschwiegenheit vom verbrecherischen Herrn freigelassen. Sogar die Habsucht
kam zuweilen mit in's Spiel, indem der Freigelassene sich verpflichten mußte,
seinen Antheil an den, armen Bürgern zufallenden Getreidcspendungen und an¬
deren Spendungen seinem Herrn abzutreten. Die meisten Freilassungen hatten
aber ihren Grund in der Eitelkeit der Vornehmen, die nicht selten in ihrem
Testamente allen Sklaven die Freiheit schenkten, um das Gepränge ihres Leichen¬
zugs durch möglichst viele Zeugen ihrer Großmuth zu vermehren. So geschah
es. daß Augustus schon sich gezwungen sah. gegen diese Vermehrung der Bür¬
ger durch schlechte Subjecte aller Art einzuschreiten. Ein Gesetz bestimmte da¬
her, daß alle Sklaven, die entehrende Strafen erlitten hätten, des Bürgerrechts
unfähig wären, ein anderes, daß nur ein gewisser Theil der Sklaven vom Te-
stator freigelassen werden könnte und überhaupt nie mehr als hundert. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/75>, abgerufen am 06.01.2025.