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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Verschiedenen Jahreszeiten vorschreibt, war natürlich nur Trcstcr. Die Oel-
lieferung betrug monatlich ein halbes Quart, die des Salzes jährlich 2 Metzen.
Rechnet man die Kleider (eine Tunica und einen Mantel), die blos alle zwei
Jahre gegeben wurden, hinzu, so werden die Unterhaltungskosten eines Skla¬
ven nicht viel über 24 Thlr, jährlich betragen, wogegen ein freier Tagelöhner
zu Ciceros Zeit sich täglich 4'/- Sgr" also jährlich mit Abrechnung der Feier¬
tage vielleicht SO Thlr. verdienen konnte. -- Die größere Hälfte der Sklaven
wurde zur Bewirthschaftung der Ländereien und großen Güter (ig,tit'unam)
verwendet, und da wir die agrarischen Verhältnisse Italiens genauer kennen als
die Attika's, so ist es interessant, zu sehen, wie die Sklaverei verbunden mit
den großen Gütercomplexen in nationalökonomischer Hinsicht hier dem Lande
ebensoviel geschadet hat. wie den Sklavenstaaten des heutigen Amerika. In
Folge der unaufhörlichen Eroberungskriege Roms konnte es gar nicht anders
kommen, als daß die freie Bevölkerung Italiens nicht nur abnehmen, sondern
auch dem friedlichen Ackerbau entfremdet werden mußte. Schon zur Zeit der
Gracchen waren viele italienischen Gefilde verödet, und das unselige System
der Militärlvlonien vollendete die Ausrottung des freien Bauernstandes. Sul¬
la's und Cäsars Legionen und die verwilderten Veteranen der letzten Triumvirn
vertrieben die Eigenthümer gerade der schönsten und fruchtbarsten Gegenden.
Selten aber wird aus einem alten Soldaten ein fleißiger Landmann. Jene
Krieger waren überhaupt ein lockeres, ausschweifendes Leben gewöhnt und blie¬
ben deshalb selten im langen Besitze des erworbenen Ruheplatzes. Zwar hatte
Cäsar den Kolonisten verboten, ihre Ländereien in den ersten zwanzig Jahren
zu veräußern, aber schon Cassius brachte dies Hinderniß in Wegfall; reiche Spe-
culanten legten ihr Geld in den zusammengekauften Gütchen an, um die Hände
ihrer sich immer mehrenden Sklaven vortheilhaft zu beschäftigen, und verdräng¬
ten sogar oft ihre ärmeren Nachbarn mit Gewalt, wenn ihnen deren Beb¬
ungen recht gelegen waren. So verschwand allmälig der kleine Grundbesitz.
Aber auch der Boden erfuhr nun eine andere Benutzung, die den Bedürfnissen
der Bevölkerung nicht entsprach. Der reiche Mann entzog auf seinem Besitz-
thum, dessen Grenzen oft ganze Landschaften umschlossen, den Acker dem Ge¬
treidebau, indem er oft den fruchtbarsten Raum für seine Landhäuser, Gärten,
Haine und Fischteiche brauchte. Auch der Sveculant vernachlässigte die Ge-
treideproduction, die zu Columella's Zeit kaum 4 Procent Gewinn abwarf und
legte sich auf Viehzucht, Wein- und Oelbau. So findet man denn gegen das
Ende der Republik die ungeheueren Sklavenmassen der römischen Schwelger in
den Oel- und Weinpflanzungcn abtheilungsweise unter ihren Aufsehern, zudem
noch großentheils gefesselt, arbeiten. Anstatt der zahlreichen Weiler und Ge¬
höfte glückliche Bürger, die früher die Landschaft belebt hatten, erblickte
man jetzt in abgemessenen Entfernungen die verrufenen Herbergen (si'MstUliy


Verschiedenen Jahreszeiten vorschreibt, war natürlich nur Trcstcr. Die Oel-
lieferung betrug monatlich ein halbes Quart, die des Salzes jährlich 2 Metzen.
Rechnet man die Kleider (eine Tunica und einen Mantel), die blos alle zwei
Jahre gegeben wurden, hinzu, so werden die Unterhaltungskosten eines Skla¬
ven nicht viel über 24 Thlr, jährlich betragen, wogegen ein freier Tagelöhner
zu Ciceros Zeit sich täglich 4'/- Sgr„ also jährlich mit Abrechnung der Feier¬
tage vielleicht SO Thlr. verdienen konnte. — Die größere Hälfte der Sklaven
wurde zur Bewirthschaftung der Ländereien und großen Güter (ig,tit'unam)
verwendet, und da wir die agrarischen Verhältnisse Italiens genauer kennen als
die Attika's, so ist es interessant, zu sehen, wie die Sklaverei verbunden mit
den großen Gütercomplexen in nationalökonomischer Hinsicht hier dem Lande
ebensoviel geschadet hat. wie den Sklavenstaaten des heutigen Amerika. In
Folge der unaufhörlichen Eroberungskriege Roms konnte es gar nicht anders
kommen, als daß die freie Bevölkerung Italiens nicht nur abnehmen, sondern
auch dem friedlichen Ackerbau entfremdet werden mußte. Schon zur Zeit der
Gracchen waren viele italienischen Gefilde verödet, und das unselige System
der Militärlvlonien vollendete die Ausrottung des freien Bauernstandes. Sul¬
la's und Cäsars Legionen und die verwilderten Veteranen der letzten Triumvirn
vertrieben die Eigenthümer gerade der schönsten und fruchtbarsten Gegenden.
Selten aber wird aus einem alten Soldaten ein fleißiger Landmann. Jene
Krieger waren überhaupt ein lockeres, ausschweifendes Leben gewöhnt und blie¬
ben deshalb selten im langen Besitze des erworbenen Ruheplatzes. Zwar hatte
Cäsar den Kolonisten verboten, ihre Ländereien in den ersten zwanzig Jahren
zu veräußern, aber schon Cassius brachte dies Hinderniß in Wegfall; reiche Spe-
culanten legten ihr Geld in den zusammengekauften Gütchen an, um die Hände
ihrer sich immer mehrenden Sklaven vortheilhaft zu beschäftigen, und verdräng¬
ten sogar oft ihre ärmeren Nachbarn mit Gewalt, wenn ihnen deren Beb¬
ungen recht gelegen waren. So verschwand allmälig der kleine Grundbesitz.
Aber auch der Boden erfuhr nun eine andere Benutzung, die den Bedürfnissen
der Bevölkerung nicht entsprach. Der reiche Mann entzog auf seinem Besitz-
thum, dessen Grenzen oft ganze Landschaften umschlossen, den Acker dem Ge¬
treidebau, indem er oft den fruchtbarsten Raum für seine Landhäuser, Gärten,
Haine und Fischteiche brauchte. Auch der Sveculant vernachlässigte die Ge-
treideproduction, die zu Columella's Zeit kaum 4 Procent Gewinn abwarf und
legte sich auf Viehzucht, Wein- und Oelbau. So findet man denn gegen das
Ende der Republik die ungeheueren Sklavenmassen der römischen Schwelger in
den Oel- und Weinpflanzungcn abtheilungsweise unter ihren Aufsehern, zudem
noch großentheils gefesselt, arbeiten. Anstatt der zahlreichen Weiler und Ge¬
höfte glückliche Bürger, die früher die Landschaft belebt hatten, erblickte
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/66>, abgerufen am 08.01.2025.