Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.der Leibeigenen. Die Bevölkerung derselben sollten eigentlich die des Ent- 8*
der Leibeigenen. Die Bevölkerung derselben sollten eigentlich die des Ent- 8*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113847"/> <p xml:id="ID_166" prev="#ID_165" next="#ID_167"> der Leibeigenen. Die Bevölkerung derselben sollten eigentlich die des Ent-<lb/> laufens verdächtigen und die wegen irgend welcher Vergehung aus der Stadt<lb/> hierher verwiesenen Sklaven bilden. Allein wiewohl Columella die große Küche<lb/> der«Villa den Sklaven als gewöhnlichen Aufenthaltsort anweist und die gün¬<lb/> stigste Lage für ihre Zellen bestimmt, so -kann man doch annehmen, daß in der<lb/> That wegen Mangel an Platz und aus Furcht die Mehrzahl der Sklaven in<lb/> jenen halb unter der Erde liegenden, mit recht hohen Fensterchen ver¬<lb/> sehenen Bagno's eingepfercht wurden und dort alle in Fesseln lagen. Des¬<lb/> halb heißt bei Plautus die t'tmülür rusti^r ein „eisernes Geschlecht" (ähn¬<lb/> lich unserem Ausdrucke: „Geschlossene Gesellschaft"). Deshalb sagt Martial:<lb/> „Du glaubst vielleicht, daß ich mir aus dem Grunde Reichthum wünsche, wes¬<lb/> halb der große Haufe und der ungebildete Schwarm ihn erstrebt: damit die<lb/> Setinische Scholle meine Hacken abnutze und mein Tuscifcher Acker von un¬<lb/> zähligen Fesseln klirre." An der Spitze der Verwaltung des Gutes stand ein<lb/> Inspektor (villieus), ebenfalls ein Sklave, welcher Kenner des Landbaues war;<lb/> ihm zur Seite auf größeren Gütern ein besonderer Rechnungsführer. Die<lb/> Pflichten des Jnspectors hat der ältere Cato genau beschrieben; auch wie dessen<lb/> Frau, die ihm vom Herrn octrvyirt wurde, beschaffen sein soll, über ihre Ge¬<lb/> schäfte und ihr Verhalten gegen die Nachbarweiber findet man bei ihm die<lb/> überraschendsten Einzelheiten. — Während diese Bewirthschaftung des Landes<lb/> sich über Mittel- und Unteritalien bis nach Sicilien erstreckte, blieben die galli¬<lb/> schen Bewohner der Pogegenden weniger davon berührt, weil die Besitzer der<lb/> dortigen Güter wie auch der jüngere Plinius, nur Kleinpächter und freie Ar¬<lb/> beiter hielten. Die schlimmen Folgen der großen Gütercomplexe und der<lb/> Sklaverei entgingen schon den Alten keineswegs. Sie sahen, daß die Kraft<lb/> des Landes verschwand, während nur die wenigen Sklavenhalter sich bereicherten<lb/> und daß auch das Zurückgehen der Agricultur mit der ungenügenden Arbeits¬<lb/> kraft und Arbeitslust der Sklaven zusammenhänge. Der ältere Plinius spricht<lb/> es an verschiedenen Stellen unumwunden aus. „Die Latifundien," heißt es<lb/> irgendwo, „haben Italien zu Grunde gerichtet und beinahe auch schon die Pro¬<lb/> vinzen." — „Wir wundern uns, daß jetzt die Kraftanstrengungen der Zücht-<lb/> linge geringer sind, als die der ehemaligen Feldherrn. Es taugt gar nichts,<lb/> daß die Fluren von den Sklaven bearbeitet werden und eben so wenig taugt<lb/> Alles, was durch solche verzweifelte Menschen geschieht." Selbst die Landstraßen<lb/> wurden zuweilen durch die Sklavenhalter unsicher gemacht, indem die habsüch¬<lb/> tigsten unter ihnen harmlose Wanderer., einerlei, ob Sklaven oder Freie, auf¬<lb/> greifen und unter ihre Sklaven stecken ließen. Der Kaiser Augustus nahm des¬<lb/> halb eine Revision der Arbeitshäuser vor, und Tiberius sah sich zur Wieder¬<lb/> holung dieser Maßregel gezwungen, weil abermals nicht blos Reisende, sondern<lb/> auch solche mit Gewalt zurückgehalten wurden, die aus Furcht vor der Recru-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 8*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
der Leibeigenen. Die Bevölkerung derselben sollten eigentlich die des Ent-
laufens verdächtigen und die wegen irgend welcher Vergehung aus der Stadt
hierher verwiesenen Sklaven bilden. Allein wiewohl Columella die große Küche
der«Villa den Sklaven als gewöhnlichen Aufenthaltsort anweist und die gün¬
stigste Lage für ihre Zellen bestimmt, so -kann man doch annehmen, daß in der
That wegen Mangel an Platz und aus Furcht die Mehrzahl der Sklaven in
jenen halb unter der Erde liegenden, mit recht hohen Fensterchen ver¬
sehenen Bagno's eingepfercht wurden und dort alle in Fesseln lagen. Des¬
halb heißt bei Plautus die t'tmülür rusti^r ein „eisernes Geschlecht" (ähn¬
lich unserem Ausdrucke: „Geschlossene Gesellschaft"). Deshalb sagt Martial:
„Du glaubst vielleicht, daß ich mir aus dem Grunde Reichthum wünsche, wes¬
halb der große Haufe und der ungebildete Schwarm ihn erstrebt: damit die
Setinische Scholle meine Hacken abnutze und mein Tuscifcher Acker von un¬
zähligen Fesseln klirre." An der Spitze der Verwaltung des Gutes stand ein
Inspektor (villieus), ebenfalls ein Sklave, welcher Kenner des Landbaues war;
ihm zur Seite auf größeren Gütern ein besonderer Rechnungsführer. Die
Pflichten des Jnspectors hat der ältere Cato genau beschrieben; auch wie dessen
Frau, die ihm vom Herrn octrvyirt wurde, beschaffen sein soll, über ihre Ge¬
schäfte und ihr Verhalten gegen die Nachbarweiber findet man bei ihm die
überraschendsten Einzelheiten. — Während diese Bewirthschaftung des Landes
sich über Mittel- und Unteritalien bis nach Sicilien erstreckte, blieben die galli¬
schen Bewohner der Pogegenden weniger davon berührt, weil die Besitzer der
dortigen Güter wie auch der jüngere Plinius, nur Kleinpächter und freie Ar¬
beiter hielten. Die schlimmen Folgen der großen Gütercomplexe und der
Sklaverei entgingen schon den Alten keineswegs. Sie sahen, daß die Kraft
des Landes verschwand, während nur die wenigen Sklavenhalter sich bereicherten
und daß auch das Zurückgehen der Agricultur mit der ungenügenden Arbeits¬
kraft und Arbeitslust der Sklaven zusammenhänge. Der ältere Plinius spricht
es an verschiedenen Stellen unumwunden aus. „Die Latifundien," heißt es
irgendwo, „haben Italien zu Grunde gerichtet und beinahe auch schon die Pro¬
vinzen." — „Wir wundern uns, daß jetzt die Kraftanstrengungen der Zücht-
linge geringer sind, als die der ehemaligen Feldherrn. Es taugt gar nichts,
daß die Fluren von den Sklaven bearbeitet werden und eben so wenig taugt
Alles, was durch solche verzweifelte Menschen geschieht." Selbst die Landstraßen
wurden zuweilen durch die Sklavenhalter unsicher gemacht, indem die habsüch¬
tigsten unter ihnen harmlose Wanderer., einerlei, ob Sklaven oder Freie, auf¬
greifen und unter ihre Sklaven stecken ließen. Der Kaiser Augustus nahm des¬
halb eine Revision der Arbeitshäuser vor, und Tiberius sah sich zur Wieder¬
holung dieser Maßregel gezwungen, weil abermals nicht blos Reisende, sondern
auch solche mit Gewalt zurückgehalten wurden, die aus Furcht vor der Recru-
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