Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Offenbar in Folge dieser drohenden Erklärung Englands und nicht aus Rück¬ Martinez, unfähig sich zu behaupten, war endlich zurückgetreten aus einer Der Sieg der radikalen Partei brachte einen völligen Umschwung in den Offenbar in Folge dieser drohenden Erklärung Englands und nicht aus Rück¬ Martinez, unfähig sich zu behaupten, war endlich zurückgetreten aus einer Der Sieg der radikalen Partei brachte einen völligen Umschwung in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114275"/> <p xml:id="ID_1584" prev="#ID_1583"> Offenbar in Folge dieser drohenden Erklärung Englands und nicht aus Rück¬<lb/> sicht auf das wahre Wohl Spaniens entschied sich auch Frankreich, gegen Thiers<lb/> Ansicht, für Ablehnung des Jnterventionsgesucbcs. Daß übrigens Englands<lb/> Haltung keineswegs aus der Sorge um den europäischen Frieden hervorge¬<lb/> gangen war, sollte sich bald zeigen,</p><lb/> <p xml:id="ID_1585"> Martinez, unfähig sich zu behaupten, war endlich zurückgetreten aus einer<lb/> Stellung, in der er Gewissenhaftigkeit und patriotische Hingabe, nicht aber die<lb/> eiserne Kraft und Fähigkeit zu entschlossenem Handeln bewährt hatte, durch die<lb/> allein eine Mittclpartei zum Siege gefüllt und vor Zerbröckelung oder Erstickung<lb/> durch die Extreme gerettet werden kann. Ebenso erfolglos waren die Bemühungen<lb/> seines Nachfolgers, des Grafen Toreno. Nicht lange nachdem in Frankreich das<lb/> Cavinet vom 11. Oktober 1832 zerfallen war, machte er (Anfangs 1836)<lb/> Mendizabal, dem Führer der Radikalen Platz: ein verhängnißvoller Moment, der<lb/> die Consolidirung des constitutionellen Princips in unabsehbare Ferne schob,<lb/> und Spanien zu einer Zukunft von revolutionären Erschütterungen verurtheilte,<lb/> die gegenwärtig nur einen scheinbaren Abschluß gefunden haben. Es ist nicht<lb/> schwer, den Spanier für abenteuerliche Unternehmungen zu begeistern, die<lb/> indessen nur eben durch ihre Abenteuerlichkeit an die Cvnquistadorcnperiode<lb/> erinnern. Es verräth einen großen Mangel an staatsmännischer Einsicht, die<lb/> inneren Zerwürfnisse einer Nation, deren Kräfte von Rohheit gebunden und<lb/> von Verwilderung überwuchert sind, dadurch heilen zu wollen, daß man ihre<lb/> Thätigkeit nach Außen lenkt. Spanien bedarf einer guten und gediegenen Ver¬<lb/> waltung, die an die schnöde unterbrochene Refvrmperivde des 18. Jahrhunderts,<lb/> an die Traditionen der Feijä, Macanaz, Campanams anzuknüpfen hat. Wohl<lb/> Niemand, den Einen ausgenommen, der die Kräfte der edlen Nation zu seinen<lb/> Zwecken zu mißbrauchen wünscht, blickt mit einem anderen Gefühl, als dem des<lb/> Bedauerns und Mitleidens auf die gegenwärtig in Spanien beliebten Experi¬<lb/> mente, die nimmermehr dem halb erstarrten, halb ficberglühenden Körper neues<lb/> Leben einflößen werden. Es wäre ein unberechenbarer Gewinn für Spanien,<lb/> wenn die neuesten Erfahrungen etwas ernüchternd auf die hochfliegende Phan¬<lb/> tasie seiner Staatslenker einwirkte und ihre Blicke von Marokko und Mexiko<lb/> auf Schulen, Gewissensfreiheit, Eisenbahnen zurücklenkten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Der Sieg der radikalen Partei brachte einen völligen Umschwung in den<lb/> Beziehungen Spaniens zu den Schutzmächten hervor. Martinez hatte sich nur<lb/> mit Widerstreben dem Einfluß Englands unterworfen und gegen dessen Ueber¬<lb/> wiegen ein Gegengewicht in der Freundschaft Frankreichs gesucht. Wohl nicht<lb/> ohne Grund behauptet Rahneval in einer Depesche, daß die Machinationen des<lb/> englischen Gesandten Villiers viel zum Sturze der Moderados und dem Triumphe<lb/> Mendizabals beigetragen haben. Dieser, in seiner abenteuerlichen und unbe¬<lb/> sonnenen Weise, beeilte sich, seine Abneigung gegen Frankreich aufs Geräusch-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Offenbar in Folge dieser drohenden Erklärung Englands und nicht aus Rück¬
sicht auf das wahre Wohl Spaniens entschied sich auch Frankreich, gegen Thiers
Ansicht, für Ablehnung des Jnterventionsgesucbcs. Daß übrigens Englands
Haltung keineswegs aus der Sorge um den europäischen Frieden hervorge¬
gangen war, sollte sich bald zeigen,
Martinez, unfähig sich zu behaupten, war endlich zurückgetreten aus einer
Stellung, in der er Gewissenhaftigkeit und patriotische Hingabe, nicht aber die
eiserne Kraft und Fähigkeit zu entschlossenem Handeln bewährt hatte, durch die
allein eine Mittclpartei zum Siege gefüllt und vor Zerbröckelung oder Erstickung
durch die Extreme gerettet werden kann. Ebenso erfolglos waren die Bemühungen
seines Nachfolgers, des Grafen Toreno. Nicht lange nachdem in Frankreich das
Cavinet vom 11. Oktober 1832 zerfallen war, machte er (Anfangs 1836)
Mendizabal, dem Führer der Radikalen Platz: ein verhängnißvoller Moment, der
die Consolidirung des constitutionellen Princips in unabsehbare Ferne schob,
und Spanien zu einer Zukunft von revolutionären Erschütterungen verurtheilte,
die gegenwärtig nur einen scheinbaren Abschluß gefunden haben. Es ist nicht
schwer, den Spanier für abenteuerliche Unternehmungen zu begeistern, die
indessen nur eben durch ihre Abenteuerlichkeit an die Cvnquistadorcnperiode
erinnern. Es verräth einen großen Mangel an staatsmännischer Einsicht, die
inneren Zerwürfnisse einer Nation, deren Kräfte von Rohheit gebunden und
von Verwilderung überwuchert sind, dadurch heilen zu wollen, daß man ihre
Thätigkeit nach Außen lenkt. Spanien bedarf einer guten und gediegenen Ver¬
waltung, die an die schnöde unterbrochene Refvrmperivde des 18. Jahrhunderts,
an die Traditionen der Feijä, Macanaz, Campanams anzuknüpfen hat. Wohl
Niemand, den Einen ausgenommen, der die Kräfte der edlen Nation zu seinen
Zwecken zu mißbrauchen wünscht, blickt mit einem anderen Gefühl, als dem des
Bedauerns und Mitleidens auf die gegenwärtig in Spanien beliebten Experi¬
mente, die nimmermehr dem halb erstarrten, halb ficberglühenden Körper neues
Leben einflößen werden. Es wäre ein unberechenbarer Gewinn für Spanien,
wenn die neuesten Erfahrungen etwas ernüchternd auf die hochfliegende Phan¬
tasie seiner Staatslenker einwirkte und ihre Blicke von Marokko und Mexiko
auf Schulen, Gewissensfreiheit, Eisenbahnen zurücklenkten.
Der Sieg der radikalen Partei brachte einen völligen Umschwung in den
Beziehungen Spaniens zu den Schutzmächten hervor. Martinez hatte sich nur
mit Widerstreben dem Einfluß Englands unterworfen und gegen dessen Ueber¬
wiegen ein Gegengewicht in der Freundschaft Frankreichs gesucht. Wohl nicht
ohne Grund behauptet Rahneval in einer Depesche, daß die Machinationen des
englischen Gesandten Villiers viel zum Sturze der Moderados und dem Triumphe
Mendizabals beigetragen haben. Dieser, in seiner abenteuerlichen und unbe¬
sonnenen Weise, beeilte sich, seine Abneigung gegen Frankreich aufs Geräusch-
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