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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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vollste zur Schau zu stellen. Er verwirft den Gedanken an eine französische
Intervention; einige Personen, die Pässe nach Frankreich verlangen, fordert er
auf, lieber überall anderswo hinzugehen, als nach Frankreich, da es möglich
sei, daß die Beziehungen Spaniens zu diesem Lande bald völlig ihren Charak¬
ter verändern würden. Daß er in vollem Gegensatze zu dieser Sprache bald
darauf versicherte, er erwarte nur von Frankreich die Befestigung des Thrones
der Königin, erklärt Guizot mit Recht für einen bloßen Versuch, die französische
Regierung zu begütigen. Dem beabsichtigten Abschluß eines Handelsvertrages
all England beugte Frankreich durch die Erklärung vor, daß es die Rechte der
meist begünstigten Raton ur Anspruch nehme und einen Vertrag, von dem
Frankreich ausgeschlossen würde, als einen Angriff auf die Quadrupelallicmce
ansehe. Natürlich aber mußte dieser Zwischenfall dazu beitragen, das Verhält¬
niß Spaniens zu England noch inniger zu gestalten.

Während Palmersion. so lange Martinez de la Rosa am Ruder war, jeder
Intervention widerstrebt hatte, änderte er jetzt sein System vollständig. Am
14. März 1836 theilt er dem französischen Gesandten in London, General Seba-
stiani, mit, daß den englischen Kriegsschiffen der Befehl werde ertheilt werden,
eine gewisse Anzahl Marinesoldaten und Matrosen ans Land zu setzen, um die
von den Carlisten bedrohten Plätze zu schützen und die von ihnen besetzten
wiederzunehmen. Zugleich lud er Frankreich ein. das Bastanthal und den Hafen
von Funke-Rabia zu besetzen, ohne übrigens der Mitwirkung Frankreichs bestimmte
Grenzen setzen zu wollen.

So sah sich das Ministerium Thiers zu Anfang seiner Laufbahn in die
Nothwendigkeit einer wichtigen und folgenschweren Entscheidung versetzt; kaum
im Besitze der Macht trat es in eine Krisis ein, die während seiner ganzen
Existenz fortdauerte und'endlich seinen Sturz herbeiführte. Thiers kriegerischen
Neigungen kam die Aufforderung nicht unerwünscht. Auch konnte er für seine
Ansicht anführen, daß ohne fremde Hülfe die Befestigung des Thrones der
Königin sich kaum noch hoffen lasse. Die Rufe nach der Constitution von
1812 wiederholten sich und führten bereits zu blutigen Excessen. Mendizabal,
schnell abgenutzt, machte dem besonnenen Jsturiz Platz, der aber viel zu schwach
war, um die brausende Bewegung in Schranken zu halten. Aufstände in
Madrid, bei denen auch die Nationalgarde betheiligt war, wurden nur durch
die eiserne Willenskraft des von Guizot nach Gesandtschastsberichten trefflich
geschilderten Generals Quesada unterdrückt. Unter diesen Umständen gab der
König so viel nach, daß er Lieferungen von Waffen und Munition gestattete
und es genehmigte, daß die schon früher der spanischen Regierung zur Dispo¬
sition geflekte algierische Fremdenlegion durch eine im Namen Spaniens von
spanischen Agenten in Frankreich zu veranstaltende Rekrutirung von 2500 auf
6000 Mann verstärkt würde. Bald aber gab es neue Streitigkeiten, indem der


vollste zur Schau zu stellen. Er verwirft den Gedanken an eine französische
Intervention; einige Personen, die Pässe nach Frankreich verlangen, fordert er
auf, lieber überall anderswo hinzugehen, als nach Frankreich, da es möglich
sei, daß die Beziehungen Spaniens zu diesem Lande bald völlig ihren Charak¬
ter verändern würden. Daß er in vollem Gegensatze zu dieser Sprache bald
darauf versicherte, er erwarte nur von Frankreich die Befestigung des Thrones
der Königin, erklärt Guizot mit Recht für einen bloßen Versuch, die französische
Regierung zu begütigen. Dem beabsichtigten Abschluß eines Handelsvertrages
all England beugte Frankreich durch die Erklärung vor, daß es die Rechte der
meist begünstigten Raton ur Anspruch nehme und einen Vertrag, von dem
Frankreich ausgeschlossen würde, als einen Angriff auf die Quadrupelallicmce
ansehe. Natürlich aber mußte dieser Zwischenfall dazu beitragen, das Verhält¬
niß Spaniens zu England noch inniger zu gestalten.

Während Palmersion. so lange Martinez de la Rosa am Ruder war, jeder
Intervention widerstrebt hatte, änderte er jetzt sein System vollständig. Am
14. März 1836 theilt er dem französischen Gesandten in London, General Seba-
stiani, mit, daß den englischen Kriegsschiffen der Befehl werde ertheilt werden,
eine gewisse Anzahl Marinesoldaten und Matrosen ans Land zu setzen, um die
von den Carlisten bedrohten Plätze zu schützen und die von ihnen besetzten
wiederzunehmen. Zugleich lud er Frankreich ein. das Bastanthal und den Hafen
von Funke-Rabia zu besetzen, ohne übrigens der Mitwirkung Frankreichs bestimmte
Grenzen setzen zu wollen.

So sah sich das Ministerium Thiers zu Anfang seiner Laufbahn in die
Nothwendigkeit einer wichtigen und folgenschweren Entscheidung versetzt; kaum
im Besitze der Macht trat es in eine Krisis ein, die während seiner ganzen
Existenz fortdauerte und'endlich seinen Sturz herbeiführte. Thiers kriegerischen
Neigungen kam die Aufforderung nicht unerwünscht. Auch konnte er für seine
Ansicht anführen, daß ohne fremde Hülfe die Befestigung des Thrones der
Königin sich kaum noch hoffen lasse. Die Rufe nach der Constitution von
1812 wiederholten sich und führten bereits zu blutigen Excessen. Mendizabal,
schnell abgenutzt, machte dem besonnenen Jsturiz Platz, der aber viel zu schwach
war, um die brausende Bewegung in Schranken zu halten. Aufstände in
Madrid, bei denen auch die Nationalgarde betheiligt war, wurden nur durch
die eiserne Willenskraft des von Guizot nach Gesandtschastsberichten trefflich
geschilderten Generals Quesada unterdrückt. Unter diesen Umständen gab der
König so viel nach, daß er Lieferungen von Waffen und Munition gestattete
und es genehmigte, daß die schon früher der spanischen Regierung zur Dispo¬
sition geflekte algierische Fremdenlegion durch eine im Namen Spaniens von
spanischen Agenten in Frankreich zu veranstaltende Rekrutirung von 2500 auf
6000 Mann verstärkt würde. Bald aber gab es neue Streitigkeiten, indem der


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[0496] vollste zur Schau zu stellen. Er verwirft den Gedanken an eine französische Intervention; einige Personen, die Pässe nach Frankreich verlangen, fordert er auf, lieber überall anderswo hinzugehen, als nach Frankreich, da es möglich sei, daß die Beziehungen Spaniens zu diesem Lande bald völlig ihren Charak¬ ter verändern würden. Daß er in vollem Gegensatze zu dieser Sprache bald darauf versicherte, er erwarte nur von Frankreich die Befestigung des Thrones der Königin, erklärt Guizot mit Recht für einen bloßen Versuch, die französische Regierung zu begütigen. Dem beabsichtigten Abschluß eines Handelsvertrages all England beugte Frankreich durch die Erklärung vor, daß es die Rechte der meist begünstigten Raton ur Anspruch nehme und einen Vertrag, von dem Frankreich ausgeschlossen würde, als einen Angriff auf die Quadrupelallicmce ansehe. Natürlich aber mußte dieser Zwischenfall dazu beitragen, das Verhält¬ niß Spaniens zu England noch inniger zu gestalten. Während Palmersion. so lange Martinez de la Rosa am Ruder war, jeder Intervention widerstrebt hatte, änderte er jetzt sein System vollständig. Am 14. März 1836 theilt er dem französischen Gesandten in London, General Seba- stiani, mit, daß den englischen Kriegsschiffen der Befehl werde ertheilt werden, eine gewisse Anzahl Marinesoldaten und Matrosen ans Land zu setzen, um die von den Carlisten bedrohten Plätze zu schützen und die von ihnen besetzten wiederzunehmen. Zugleich lud er Frankreich ein. das Bastanthal und den Hafen von Funke-Rabia zu besetzen, ohne übrigens der Mitwirkung Frankreichs bestimmte Grenzen setzen zu wollen. So sah sich das Ministerium Thiers zu Anfang seiner Laufbahn in die Nothwendigkeit einer wichtigen und folgenschweren Entscheidung versetzt; kaum im Besitze der Macht trat es in eine Krisis ein, die während seiner ganzen Existenz fortdauerte und'endlich seinen Sturz herbeiführte. Thiers kriegerischen Neigungen kam die Aufforderung nicht unerwünscht. Auch konnte er für seine Ansicht anführen, daß ohne fremde Hülfe die Befestigung des Thrones der Königin sich kaum noch hoffen lasse. Die Rufe nach der Constitution von 1812 wiederholten sich und führten bereits zu blutigen Excessen. Mendizabal, schnell abgenutzt, machte dem besonnenen Jsturiz Platz, der aber viel zu schwach war, um die brausende Bewegung in Schranken zu halten. Aufstände in Madrid, bei denen auch die Nationalgarde betheiligt war, wurden nur durch die eiserne Willenskraft des von Guizot nach Gesandtschastsberichten trefflich geschilderten Generals Quesada unterdrückt. Unter diesen Umständen gab der König so viel nach, daß er Lieferungen von Waffen und Munition gestattete und es genehmigte, daß die schon früher der spanischen Regierung zur Dispo¬ sition geflekte algierische Fremdenlegion durch eine im Namen Spaniens von spanischen Agenten in Frankreich zu veranstaltende Rekrutirung von 2500 auf 6000 Mann verstärkt würde. Bald aber gab es neue Streitigkeiten, indem der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/496>, abgerufen am 06.01.2025.