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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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den spanischen Gesandten darauf hinweist, daß eine Intervention Frankreichs
zu Gunsten der Königin die nordischen Mächte dahin bringen könnte, ihre bis¬
herige passive Haltung mit einer thätigen Parteinahme für den Prätendenten
zu vertauschen, so war dies wohl nicht ernst gemeint. Der wahre Grund für
Frankreichs Zurückhaltung war vielmehr, wie Broglie auch andeutet, der
Wunsch, alles zu vermeiden, was Englands argwöhnische Eifersucht beunruhigen
könnte. Man fühlte sich des Verbündeten nicht recht sicher, und hatte auch
in der That alle Ursache, vor ihm auf der Hut zu sein, wie sich bald an einer
sehr empfindlichen Demüthigung zeigen sollte, die der französischen Politik durch
das Uebelwollen Lord Palmerstons bereitet wurde.

Martinez de la Rosa, welcher als Haupt der gemäßigt liberalen Partei
in Spanien nach Bermudez Rücktritt ans Ruder gekommen war, wurde in
gleichem Maße von dem Carlistischen Aufstande der baskischen Provinzen,
wie von den extremen Forderungen der Radicalen, welche die Consiitution von
1812 zu ihrem Feldgeschrei gemacht hatten, bedrängt. Die Carlistischen Be¬
wegungen glaubte man mit einem entscheidenden Schlage treffen zu können,
wenn es gelänge, dem in Portugal von Don Miguel angefachten Bürgerkriege
ein Ende zu machen; denn von dem Hauptquartier des portugiesischen Präten¬
denten aus unterhielt Don Carlos lebhafte Verbindungen mit seinen Anhängern
in Spanien; seine Entfernung aus Portugal, so hoffte man, würde auch dem
Aufstande in Spanien die Wurzeln abschneiden. Um dies Ziel zu erreichen, schickte
die spanische Negierung der Königin Donna Maria nickt nur ein Truppencvrps
unter dem General Rodil zu Hülfe, sondern es wurde auch ein Vertrag zwi¬
schen England, Spanien und Portugal geschlossen (15. April 1834) des In¬
halts, daß die beiden Königinnen ihre Streitkräfte vereinigen würden, um die
beiden Infanten aus der Halbinsel zu vertreiben, wahrend England sich ver¬
pflichtete, durch Sendung einer Flotte die Unternehmungen der spanisch-portu¬
giesischen Truppen zu unterstützen. Erst nach Abschluß der Verhandlungen er¬
hielt Talleyrand, damals französischer Gesandter in London, entweder von
Florida Blanca, dem Vertreter der spanischen Regierung, oder von Lord Pal-
merston selbst Kunde von dem Vertrage, mit der Aufforderung, ihm beizutreten.
In Paris war man über diese Mittheilung aufs peinlichste überrascht, um so
mehr, da Martinez de la Rosa noch am 27. Januar ausdrücklich um die
Mitwirkung Frankreichs zur Vertreibung des Infanten aus Portugal gebeten
hatte. Die halben und verlegenen Entschuldigungen des spanischen Ministers,
Florida Bianca habe ohne Jnstructionen gehandelt, er selbst sei von der Bereit¬
willigkeit des englischen Cabinets überrascht gewesen, waren nicht geeignet die
Empfindlichkeit Frankreichs zu vermindern; sie gaben aber verständliche Andeu¬
tungen über die Art und Weise, wie der Vertrag zu Stande gekommen ist.
Offenbar ist die Initiative zu den Verhandlungen nicht von Martinez de la


den spanischen Gesandten darauf hinweist, daß eine Intervention Frankreichs
zu Gunsten der Königin die nordischen Mächte dahin bringen könnte, ihre bis¬
herige passive Haltung mit einer thätigen Parteinahme für den Prätendenten
zu vertauschen, so war dies wohl nicht ernst gemeint. Der wahre Grund für
Frankreichs Zurückhaltung war vielmehr, wie Broglie auch andeutet, der
Wunsch, alles zu vermeiden, was Englands argwöhnische Eifersucht beunruhigen
könnte. Man fühlte sich des Verbündeten nicht recht sicher, und hatte auch
in der That alle Ursache, vor ihm auf der Hut zu sein, wie sich bald an einer
sehr empfindlichen Demüthigung zeigen sollte, die der französischen Politik durch
das Uebelwollen Lord Palmerstons bereitet wurde.

Martinez de la Rosa, welcher als Haupt der gemäßigt liberalen Partei
in Spanien nach Bermudez Rücktritt ans Ruder gekommen war, wurde in
gleichem Maße von dem Carlistischen Aufstande der baskischen Provinzen,
wie von den extremen Forderungen der Radicalen, welche die Consiitution von
1812 zu ihrem Feldgeschrei gemacht hatten, bedrängt. Die Carlistischen Be¬
wegungen glaubte man mit einem entscheidenden Schlage treffen zu können,
wenn es gelänge, dem in Portugal von Don Miguel angefachten Bürgerkriege
ein Ende zu machen; denn von dem Hauptquartier des portugiesischen Präten¬
denten aus unterhielt Don Carlos lebhafte Verbindungen mit seinen Anhängern
in Spanien; seine Entfernung aus Portugal, so hoffte man, würde auch dem
Aufstande in Spanien die Wurzeln abschneiden. Um dies Ziel zu erreichen, schickte
die spanische Negierung der Königin Donna Maria nickt nur ein Truppencvrps
unter dem General Rodil zu Hülfe, sondern es wurde auch ein Vertrag zwi¬
schen England, Spanien und Portugal geschlossen (15. April 1834) des In¬
halts, daß die beiden Königinnen ihre Streitkräfte vereinigen würden, um die
beiden Infanten aus der Halbinsel zu vertreiben, wahrend England sich ver¬
pflichtete, durch Sendung einer Flotte die Unternehmungen der spanisch-portu¬
giesischen Truppen zu unterstützen. Erst nach Abschluß der Verhandlungen er¬
hielt Talleyrand, damals französischer Gesandter in London, entweder von
Florida Blanca, dem Vertreter der spanischen Regierung, oder von Lord Pal-
merston selbst Kunde von dem Vertrage, mit der Aufforderung, ihm beizutreten.
In Paris war man über diese Mittheilung aufs peinlichste überrascht, um so
mehr, da Martinez de la Rosa noch am 27. Januar ausdrücklich um die
Mitwirkung Frankreichs zur Vertreibung des Infanten aus Portugal gebeten
hatte. Die halben und verlegenen Entschuldigungen des spanischen Ministers,
Florida Bianca habe ohne Jnstructionen gehandelt, er selbst sei von der Bereit¬
willigkeit des englischen Cabinets überrascht gewesen, waren nicht geeignet die
Empfindlichkeit Frankreichs zu vermindern; sie gaben aber verständliche Andeu¬
tungen über die Art und Weise, wie der Vertrag zu Stande gekommen ist.
Offenbar ist die Initiative zu den Verhandlungen nicht von Martinez de la


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[0493] den spanischen Gesandten darauf hinweist, daß eine Intervention Frankreichs zu Gunsten der Königin die nordischen Mächte dahin bringen könnte, ihre bis¬ herige passive Haltung mit einer thätigen Parteinahme für den Prätendenten zu vertauschen, so war dies wohl nicht ernst gemeint. Der wahre Grund für Frankreichs Zurückhaltung war vielmehr, wie Broglie auch andeutet, der Wunsch, alles zu vermeiden, was Englands argwöhnische Eifersucht beunruhigen könnte. Man fühlte sich des Verbündeten nicht recht sicher, und hatte auch in der That alle Ursache, vor ihm auf der Hut zu sein, wie sich bald an einer sehr empfindlichen Demüthigung zeigen sollte, die der französischen Politik durch das Uebelwollen Lord Palmerstons bereitet wurde. Martinez de la Rosa, welcher als Haupt der gemäßigt liberalen Partei in Spanien nach Bermudez Rücktritt ans Ruder gekommen war, wurde in gleichem Maße von dem Carlistischen Aufstande der baskischen Provinzen, wie von den extremen Forderungen der Radicalen, welche die Consiitution von 1812 zu ihrem Feldgeschrei gemacht hatten, bedrängt. Die Carlistischen Be¬ wegungen glaubte man mit einem entscheidenden Schlage treffen zu können, wenn es gelänge, dem in Portugal von Don Miguel angefachten Bürgerkriege ein Ende zu machen; denn von dem Hauptquartier des portugiesischen Präten¬ denten aus unterhielt Don Carlos lebhafte Verbindungen mit seinen Anhängern in Spanien; seine Entfernung aus Portugal, so hoffte man, würde auch dem Aufstande in Spanien die Wurzeln abschneiden. Um dies Ziel zu erreichen, schickte die spanische Negierung der Königin Donna Maria nickt nur ein Truppencvrps unter dem General Rodil zu Hülfe, sondern es wurde auch ein Vertrag zwi¬ schen England, Spanien und Portugal geschlossen (15. April 1834) des In¬ halts, daß die beiden Königinnen ihre Streitkräfte vereinigen würden, um die beiden Infanten aus der Halbinsel zu vertreiben, wahrend England sich ver¬ pflichtete, durch Sendung einer Flotte die Unternehmungen der spanisch-portu¬ giesischen Truppen zu unterstützen. Erst nach Abschluß der Verhandlungen er¬ hielt Talleyrand, damals französischer Gesandter in London, entweder von Florida Blanca, dem Vertreter der spanischen Regierung, oder von Lord Pal- merston selbst Kunde von dem Vertrage, mit der Aufforderung, ihm beizutreten. In Paris war man über diese Mittheilung aufs peinlichste überrascht, um so mehr, da Martinez de la Rosa noch am 27. Januar ausdrücklich um die Mitwirkung Frankreichs zur Vertreibung des Infanten aus Portugal gebeten hatte. Die halben und verlegenen Entschuldigungen des spanischen Ministers, Florida Bianca habe ohne Jnstructionen gehandelt, er selbst sei von der Bereit¬ willigkeit des englischen Cabinets überrascht gewesen, waren nicht geeignet die Empfindlichkeit Frankreichs zu vermindern; sie gaben aber verständliche Andeu¬ tungen über die Art und Weise, wie der Vertrag zu Stande gekommen ist. Offenbar ist die Initiative zu den Verhandlungen nicht von Martinez de la

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/493>, abgerufen am 08.01.2025.