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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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gange verbunden war. Ein besonderer Gang führte zu weiten Galerien, die
vom Schiff der Kirche aus unzugänglich und mit hohem Gitterwerk umgeben
waren, welches das Volk unten hinderte, die hier dem Gottesdienst beiwohnen¬
den Jesuiten und deren Zöglinge wahrzunehmen. Am äußersten Ende dieser
Galerie befand sich die Capelle, wo letztere jeden Morgen die gewöhnliche
Messe hörten. Der von den Klostermauern eingeschlossne viereckige Raum war
in einen sorgfältig gepflegten Garten umgeschaffen. An der Südseite war ein
zum Hause gehöriger verdeckter Säulengang. Nach der Straße hinaus sah
das Kloster wie ein Gefängniß aus, indem die Fenster des Erdgeschosses mit
Draht und Eisenstangen vergittert, die der obern Etagen mit den bereits
erwähnten hölzernen Kasten versehen waren. Im Parterre befanden sich meist
größere Räume, Sprechzimmer, Küche und Speisesäle für die Jesuiten und
die Germaniker, sowie Locale für die Handwerker des Klosters. Das zweite
Stockwerk enthielt lauter große Zellen für die Jesuiten, die Krankenzimmer,
eine besondere Kirche und einen Speisesaal für die Genesenden, die Aula
maxima, die Bibliothek und die in eine Capelle umgewandelten Räumlichkeiten,
welche der heilige Ignatius (Loyola) bewohnt hat.

Allenthalben, auf den Treppen und Gängen sah man Fresken, und Oel-
bilder, welche Madonnen, Scenen aus dem Leben von Jesuitenheiligen und
das Leiden der armen Seelen im Fegfeuer darstellten. Besonders interessant
waren die Gemälde in jener Capelle. "Dort sehen wir den heiligen Ignatius
zur Abkühlung seiner entflammten.Sinnlichkeit in winterlicher Umgebung zit¬
ternd vor Frost mitten in einem Wasser stehen. Hier ist er im Begriff, mit
einem florentinischen Edelmann eine Partie Billard zu Ende zu spielen. Man
sagte uns, als Preis für den Gewinn habe Ignatius von diesem gottlosen
Kavalier verlangt, er solle die Exercitien acht Tage lang machen, worauf sich
dieser bekehrt habe. Da wieder liegt Ignaz im Bette, aber greuliche Gestal¬
ten von Dämonen umstehen ihn und zerschlagen ihn jämmerlich mit Geißeln
und Stricken, weil sie ihm zürnen, daß er ihnen so viele Seelen entzogen.
Nun treten wir durch die alte kleine hölzerne Thür hinein in die von dem
heiligen Ignatius weiland selbst bewohnten Zellen. Die Thürme und Zim¬
merdecken haben noch die alte Gestalt und sind nur neuerdings mit vielen
Vergoldungen geziert. Da hängt das älteste Jesuitendocument an der Wand
eingerahmt- Ignaz und seine ersten Gefährten verbinden sich gegenseitig zur
Gesellschaft Jesu und unterschreiben den Pakt mit ihrem Blute." An der
Stelle, wo er gestorben ist, steht jetzt ein kleiner Altar, vor welchem am
Tage dieses großen Heiligen (3l. Juli) eine Messe lesen zu dürfen als hohe
Ehre gilt. Nicht weit davon ist die Höhlung des ehemaligen Kamins, in wel¬
chen Ignaz, als er sich von der Liebe zur Welt gänzlich losgesagt hatte, die
von seiner Familie für ihn anlangenden Briefe ungelesen zu werfen Pflegte.


gange verbunden war. Ein besonderer Gang führte zu weiten Galerien, die
vom Schiff der Kirche aus unzugänglich und mit hohem Gitterwerk umgeben
waren, welches das Volk unten hinderte, die hier dem Gottesdienst beiwohnen¬
den Jesuiten und deren Zöglinge wahrzunehmen. Am äußersten Ende dieser
Galerie befand sich die Capelle, wo letztere jeden Morgen die gewöhnliche
Messe hörten. Der von den Klostermauern eingeschlossne viereckige Raum war
in einen sorgfältig gepflegten Garten umgeschaffen. An der Südseite war ein
zum Hause gehöriger verdeckter Säulengang. Nach der Straße hinaus sah
das Kloster wie ein Gefängniß aus, indem die Fenster des Erdgeschosses mit
Draht und Eisenstangen vergittert, die der obern Etagen mit den bereits
erwähnten hölzernen Kasten versehen waren. Im Parterre befanden sich meist
größere Räume, Sprechzimmer, Küche und Speisesäle für die Jesuiten und
die Germaniker, sowie Locale für die Handwerker des Klosters. Das zweite
Stockwerk enthielt lauter große Zellen für die Jesuiten, die Krankenzimmer,
eine besondere Kirche und einen Speisesaal für die Genesenden, die Aula
maxima, die Bibliothek und die in eine Capelle umgewandelten Räumlichkeiten,
welche der heilige Ignatius (Loyola) bewohnt hat.

Allenthalben, auf den Treppen und Gängen sah man Fresken, und Oel-
bilder, welche Madonnen, Scenen aus dem Leben von Jesuitenheiligen und
das Leiden der armen Seelen im Fegfeuer darstellten. Besonders interessant
waren die Gemälde in jener Capelle. „Dort sehen wir den heiligen Ignatius
zur Abkühlung seiner entflammten.Sinnlichkeit in winterlicher Umgebung zit¬
ternd vor Frost mitten in einem Wasser stehen. Hier ist er im Begriff, mit
einem florentinischen Edelmann eine Partie Billard zu Ende zu spielen. Man
sagte uns, als Preis für den Gewinn habe Ignatius von diesem gottlosen
Kavalier verlangt, er solle die Exercitien acht Tage lang machen, worauf sich
dieser bekehrt habe. Da wieder liegt Ignaz im Bette, aber greuliche Gestal¬
ten von Dämonen umstehen ihn und zerschlagen ihn jämmerlich mit Geißeln
und Stricken, weil sie ihm zürnen, daß er ihnen so viele Seelen entzogen.
Nun treten wir durch die alte kleine hölzerne Thür hinein in die von dem
heiligen Ignatius weiland selbst bewohnten Zellen. Die Thürme und Zim¬
merdecken haben noch die alte Gestalt und sind nur neuerdings mit vielen
Vergoldungen geziert. Da hängt das älteste Jesuitendocument an der Wand
eingerahmt- Ignaz und seine ersten Gefährten verbinden sich gegenseitig zur
Gesellschaft Jesu und unterschreiben den Pakt mit ihrem Blute." An der
Stelle, wo er gestorben ist, steht jetzt ein kleiner Altar, vor welchem am
Tage dieses großen Heiligen (3l. Juli) eine Messe lesen zu dürfen als hohe
Ehre gilt. Nicht weit davon ist die Höhlung des ehemaligen Kamins, in wel¬
chen Ignaz, als er sich von der Liebe zur Welt gänzlich losgesagt hatte, die
von seiner Familie für ihn anlangenden Briefe ungelesen zu werfen Pflegte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/478>, abgerufen am 08.01.2025.