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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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welche den Zöglingen der Jesuitenschule in Rom als Anweisung für die geist¬
lichen Uebungen dienen, und zwar zuerst die Betrachtung über die Hölle, die
zwei "Vorspiele" (plALluäm), fünf "Punkte" und ein "Zwiegespräch" enthält.
Erstes Vorspiel: Man stelle sich vor, als ob man mit seinen Augen die Länge,
Breite und Tiefe der Hölle ermesse. Zweites Vorspiel: Lebendige Vorstellung
der schrecklichen Strafen der Verdammten, "damit, wenn jemals die Liebe zu
Gott vergessen würde, die Furcht der Strafe vor der Sünde bewahre." Erster
Punkt: Schaue mittelst der Einbildungskraft jenen furchtbaren Feuerbrand und
die in glühenden Leibern wie in Gefängnissen eingeschlossnen Seelen. Zweiter
Punkt: Höre mit Deinen Ohren das Klagen, Heulen und Wimmern der Ver¬
dammten und ihre Verwünschungen Christi und aller seiner Heiligen. Dritter
Punkt: Stelle Dir vor, als röchest Du aufsteigenden Qualm von Pech, Schwefel
und anderm Gestank. Vierter Punkt: Es sei Dir, als schmeckest Du in Deiner
Kehle allerlei Bitterkeiten, wie Thränen, Trübsal und Gewissensbisse sie erzeu¬
gen. Fünfter Punkt: Berühre gewissermaßen jenes Feuer, welches sogar die
Seelen verbrennt. Nun beginne ein Zwiegespräch mit Christo, währenddes)
Du Dir die Seelen Jener vergegenwärtigst, welche, weil sie an die Ankunft
Christi nicht glaubten oder trotz ihres Glaubens nicht nach seinen Geboten
lebten, zur Hölle verdammt sind. Alsdann danke von Herzen jenem Christus,
daß er Dich vor solchem Verderben bewahrt und bis heute mit so viel Liebe
und Barmherzigkeit aufgesucht hat. Zum Schluß der Betrachtung wird ein
Vaterunser gebetet, worauf man sich noch prüft, ob man Zerstreuungen wäh¬
rend der Kontemplation möglichst vermieden, was den größten Eindruck ge¬
macht, welche Frucht man gewonnen u. f. w.

Eine andere Betrachtung ist die über die "beiden Banner", welche in drei
Vorspiele, sechs Punkte und drei Zwiegespräche zerfällt. Erstes Vorspiel: Be¬
trachtung Christi einerseits und Lucifers andrerseits, wie jeder von beiden die
Menschen unter seinem Banner zu sammeln versucht. Zweites Vorspiel: Ver-
gegenwärtigung des Ortes. Das weite Gefilde um Jerusalem stellt sich dar,
wo Christus, der Oberseldhauptmann aller guten Menschen. Posto faßt. Dann
um anderes Gefilde in Babylonien, wo Lucifer, der Feldherr aller Uebelthäter.
sich zeigt. Drittes Vorspiel: Bitte um Erkenntniß der Truglist des Satans,
um ihr entgehen, und des edlen Wesens Christi, um ihm nachfolgen zu können.
Erster Punkt: Stelle Dir vor, als sähest Du in dem babylonischen Lande den
Heerführer der Gottlosen sitzen auf flammendem, rauchendem Thron, schaudervoll
von Gestalt, fürchterlich von Geberde. Zweiter Punkt: Höre, wie er zahllose
Teufel zusammenruft und sie über den ganzen Erdkreis aussendet, um Schaden
zu stiften. Dritter Punkt: Merke auf, wie er seine Diener anstachelt. Stricke
und Ketten zu ergreifen, sie über die Menschen zu werfen und diese zur Be¬
gierde nach Reichthümern zu verleiten, damit sie um so leichter in weltliche Ehr-


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welche den Zöglingen der Jesuitenschule in Rom als Anweisung für die geist¬
lichen Uebungen dienen, und zwar zuerst die Betrachtung über die Hölle, die
zwei „Vorspiele" (plALluäm), fünf „Punkte" und ein „Zwiegespräch" enthält.
Erstes Vorspiel: Man stelle sich vor, als ob man mit seinen Augen die Länge,
Breite und Tiefe der Hölle ermesse. Zweites Vorspiel: Lebendige Vorstellung
der schrecklichen Strafen der Verdammten, „damit, wenn jemals die Liebe zu
Gott vergessen würde, die Furcht der Strafe vor der Sünde bewahre." Erster
Punkt: Schaue mittelst der Einbildungskraft jenen furchtbaren Feuerbrand und
die in glühenden Leibern wie in Gefängnissen eingeschlossnen Seelen. Zweiter
Punkt: Höre mit Deinen Ohren das Klagen, Heulen und Wimmern der Ver¬
dammten und ihre Verwünschungen Christi und aller seiner Heiligen. Dritter
Punkt: Stelle Dir vor, als röchest Du aufsteigenden Qualm von Pech, Schwefel
und anderm Gestank. Vierter Punkt: Es sei Dir, als schmeckest Du in Deiner
Kehle allerlei Bitterkeiten, wie Thränen, Trübsal und Gewissensbisse sie erzeu¬
gen. Fünfter Punkt: Berühre gewissermaßen jenes Feuer, welches sogar die
Seelen verbrennt. Nun beginne ein Zwiegespräch mit Christo, währenddes)
Du Dir die Seelen Jener vergegenwärtigst, welche, weil sie an die Ankunft
Christi nicht glaubten oder trotz ihres Glaubens nicht nach seinen Geboten
lebten, zur Hölle verdammt sind. Alsdann danke von Herzen jenem Christus,
daß er Dich vor solchem Verderben bewahrt und bis heute mit so viel Liebe
und Barmherzigkeit aufgesucht hat. Zum Schluß der Betrachtung wird ein
Vaterunser gebetet, worauf man sich noch prüft, ob man Zerstreuungen wäh¬
rend der Kontemplation möglichst vermieden, was den größten Eindruck ge¬
macht, welche Frucht man gewonnen u. f. w.

Eine andere Betrachtung ist die über die „beiden Banner", welche in drei
Vorspiele, sechs Punkte und drei Zwiegespräche zerfällt. Erstes Vorspiel: Be¬
trachtung Christi einerseits und Lucifers andrerseits, wie jeder von beiden die
Menschen unter seinem Banner zu sammeln versucht. Zweites Vorspiel: Ver-
gegenwärtigung des Ortes. Das weite Gefilde um Jerusalem stellt sich dar,
wo Christus, der Oberseldhauptmann aller guten Menschen. Posto faßt. Dann
um anderes Gefilde in Babylonien, wo Lucifer, der Feldherr aller Uebelthäter.
sich zeigt. Drittes Vorspiel: Bitte um Erkenntniß der Truglist des Satans,
um ihr entgehen, und des edlen Wesens Christi, um ihm nachfolgen zu können.
Erster Punkt: Stelle Dir vor, als sähest Du in dem babylonischen Lande den
Heerführer der Gottlosen sitzen auf flammendem, rauchendem Thron, schaudervoll
von Gestalt, fürchterlich von Geberde. Zweiter Punkt: Höre, wie er zahllose
Teufel zusammenruft und sie über den ganzen Erdkreis aussendet, um Schaden
zu stiften. Dritter Punkt: Merke auf, wie er seine Diener anstachelt. Stricke
und Ketten zu ergreifen, sie über die Menschen zu werfen und diese zur Be¬
gierde nach Reichthümern zu verleiten, damit sie um so leichter in weltliche Ehr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/475>, abgerufen am 08.01.2025.