Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.""Balsam"" versehen lassen. Sie leben sehr zurückgezogen von der übrigen Be¬ "Ich darf hinzufügen," sagt Edwards, "daß die moskauer Tartaren an¬ Den Persern ist die Ausübung ihrer Religion ebenfalls gestattet, und die Der beste Club in Moskau ist der englische, der aber nur von Englän¬ „„Balsam"" versehen lassen. Sie leben sehr zurückgezogen von der übrigen Be¬ „Ich darf hinzufügen," sagt Edwards, „daß die moskauer Tartaren an¬ Den Persern ist die Ausübung ihrer Religion ebenfalls gestattet, und die Der beste Club in Moskau ist der englische, der aber nur von Englän¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114249"/> <p xml:id="ID_1502" prev="#ID_1501"> „„Balsam"" versehen lassen. Sie leben sehr zurückgezogen von der übrigen Be¬<lb/> völkerung^ wenigstens habe ich dreißig Jahre in Moskau verweilt, ohne daß<lb/> ich oder einer meiner Bekannten mit einem von ihnen in regelmäßigen Ver¬<lb/> kehr gekommen wäre. Ihre Geschäfte besorgen sie in ziemlich ehrlicher Art:<lb/> zuerst allerdings versuchen sie den Kunden zu prellen, zuletzt aber schlagen sie<lb/> für mäßige Preise los. Sie sind von sanfter Gemüthsart, mindestens sieht<lb/> man nie, daß sie sich zankten oder prügelten. Ihr Friedhof ist hinter dem des<lb/> Klosters am Don. Jeden Sommer begeben sie sich nach dem vier Werst von<lb/> Moskau entfernten Ostankina-See, um ihre Abwaschungen zu verrichten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1503"> „Ich darf hinzufügen," sagt Edwards, „daß die moskauer Tartaren an¬<lb/> zunehmen schienen, jedermann, namentlich jeder Fremde, empfinde das dringende<lb/> Bedürfniß nach dem Besitz eines Schlafrocks, und wie ich einst das Traktic in<lb/> der Tartarenstraße besuchte, hatte ich kaum meine Mahlzeit beendigt, als ich<lb/> sofort ein Anerbieten nach dieser Richtung des Waarengeschäfts erhielt. Die<lb/> Schlafrocke befanden sich im Hause des Tartaren dem Traktir gegenüber, und<lb/> ich empfing eine Einladung, ihn dahin zu begleiten, „um sie wenigstens anzu¬<lb/> sehen und ihre Schönheit zu bewundern". Die Häuser sind von einer hohen<lb/> Mauer eingefaßt, welche die ganze Straße entlang läuft, und dann ist jedes<lb/> einzelne wieder in zwei Hälften, eine für die männliche, die andere für die<lb/> weibliche Bewohnerschaft, geschieden. Die kleinen Mädchen dürfen frei im<lb/> Hause umherlaufen, aber vom zwölften oder dreizehnten Jahr an werden sie<lb/> auf. die Frauengemächer beschränkt. Die Tartarenfrauen gehen nie auf die<lb/> Straße, ohne ihre Gesichter zu verhüllen und werden in der Regel nie an<lb/> öffentliche Orte mitgenommen. Mein Schlafrocks-Tartar indeß erzählte mir.<lb/> daß er gelegentlich seine Ehehälfte in öffentliche Gesellschaften geführt, wo sie<lb/> niemand gekannt habe. Nie aber nahm er sie mit zu seinen Freunden oder<lb/> gestattete diesen bei sich sie zu sehen. Kaltblütig behauptete er. daß Männer<lb/> sich ganz wohl ohne Weiber unterhalten und überhaupt ohne sie verkommen<lb/> könnten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1504"> Den Persern ist die Ausübung ihrer Religion ebenfalls gestattet, und die<lb/> Armenier haben als Glieder einer christlichen Kirche dieselben Rechte wie die<lb/> Römischkatholischen. Juden dagegen wurden bis vor wenigen Jahren in Mos¬<lb/> kau nur geduldet, wenn sie sich europäisch kleideten, und noch jetzt sieht man<lb/> hier selten einen Nachkommen Abrahams in der Tracht, die seine Landsleute<lb/> in Polen tragen. Früher durften so gekleidete zwar, wenn ihre Geschäfte es<lb/> verlangten, die Stadt betreten, waren aber genöthigt, in einem eigens für<lb/> Jsraeliten bestimmten Hause im Kitai Gorod iber Chinesenstadt) zu wohnen,<lb/> auch war die Zeit ihres Aufenthalts auf einige Tage beschränkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1505" next="#ID_1506"> Der beste Club in Moskau ist der englische, der aber nur von Englän¬<lb/> dern gegründet worden ist und jetzt fast nrir Russen zu Mitgliedern hat. Der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
„„Balsam"" versehen lassen. Sie leben sehr zurückgezogen von der übrigen Be¬
völkerung^ wenigstens habe ich dreißig Jahre in Moskau verweilt, ohne daß
ich oder einer meiner Bekannten mit einem von ihnen in regelmäßigen Ver¬
kehr gekommen wäre. Ihre Geschäfte besorgen sie in ziemlich ehrlicher Art:
zuerst allerdings versuchen sie den Kunden zu prellen, zuletzt aber schlagen sie
für mäßige Preise los. Sie sind von sanfter Gemüthsart, mindestens sieht
man nie, daß sie sich zankten oder prügelten. Ihr Friedhof ist hinter dem des
Klosters am Don. Jeden Sommer begeben sie sich nach dem vier Werst von
Moskau entfernten Ostankina-See, um ihre Abwaschungen zu verrichten."
„Ich darf hinzufügen," sagt Edwards, „daß die moskauer Tartaren an¬
zunehmen schienen, jedermann, namentlich jeder Fremde, empfinde das dringende
Bedürfniß nach dem Besitz eines Schlafrocks, und wie ich einst das Traktic in
der Tartarenstraße besuchte, hatte ich kaum meine Mahlzeit beendigt, als ich
sofort ein Anerbieten nach dieser Richtung des Waarengeschäfts erhielt. Die
Schlafrocke befanden sich im Hause des Tartaren dem Traktir gegenüber, und
ich empfing eine Einladung, ihn dahin zu begleiten, „um sie wenigstens anzu¬
sehen und ihre Schönheit zu bewundern". Die Häuser sind von einer hohen
Mauer eingefaßt, welche die ganze Straße entlang läuft, und dann ist jedes
einzelne wieder in zwei Hälften, eine für die männliche, die andere für die
weibliche Bewohnerschaft, geschieden. Die kleinen Mädchen dürfen frei im
Hause umherlaufen, aber vom zwölften oder dreizehnten Jahr an werden sie
auf. die Frauengemächer beschränkt. Die Tartarenfrauen gehen nie auf die
Straße, ohne ihre Gesichter zu verhüllen und werden in der Regel nie an
öffentliche Orte mitgenommen. Mein Schlafrocks-Tartar indeß erzählte mir.
daß er gelegentlich seine Ehehälfte in öffentliche Gesellschaften geführt, wo sie
niemand gekannt habe. Nie aber nahm er sie mit zu seinen Freunden oder
gestattete diesen bei sich sie zu sehen. Kaltblütig behauptete er. daß Männer
sich ganz wohl ohne Weiber unterhalten und überhaupt ohne sie verkommen
könnten."
Den Persern ist die Ausübung ihrer Religion ebenfalls gestattet, und die
Armenier haben als Glieder einer christlichen Kirche dieselben Rechte wie die
Römischkatholischen. Juden dagegen wurden bis vor wenigen Jahren in Mos¬
kau nur geduldet, wenn sie sich europäisch kleideten, und noch jetzt sieht man
hier selten einen Nachkommen Abrahams in der Tracht, die seine Landsleute
in Polen tragen. Früher durften so gekleidete zwar, wenn ihre Geschäfte es
verlangten, die Stadt betreten, waren aber genöthigt, in einem eigens für
Jsraeliten bestimmten Hause im Kitai Gorod iber Chinesenstadt) zu wohnen,
auch war die Zeit ihres Aufenthalts auf einige Tage beschränkt.
Der beste Club in Moskau ist der englische, der aber nur von Englän¬
dern gegründet worden ist und jetzt fast nrir Russen zu Mitgliedern hat. Der
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