Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.gebet", die Pfeife verschmähen, verboten. Die Küche ist sehr gut, ebenso der In manchen Traktirs gibt's Billards, in andern riesige, sich selbst spielende Diese Tartaren leben in der Stadt wie auf den Dörfern stets beisammen Die moskauer Tartaren handeln mit den Waaren, die von ihren Lands- gebet", die Pfeife verschmähen, verboten. Die Küche ist sehr gut, ebenso der In manchen Traktirs gibt's Billards, in andern riesige, sich selbst spielende Diese Tartaren leben in der Stadt wie auf den Dörfern stets beisammen Die moskauer Tartaren handeln mit den Waaren, die von ihren Lands- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114248"/> <p xml:id="ID_1498" prev="#ID_1497"> gebet", die Pfeife verschmähen, verboten. Die Küche ist sehr gut, ebenso der<lb/> Thee-, ein sehr beliebtes Produkt der ersten sind die „Blinni", eine Art Pfan¬<lb/> nenkuchen, die Verwandte der sächsischen Plinzen zu sein scheinen und während<lb/> der Fastenzeit mit Eaviar verspeist werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1499"> In manchen Traktirs gibt's Billards, in andern riesige, sich selbst spielende<lb/> Orgeln, von denen einige 25.000 Rubel gekostet haben sollen. Im Puschkin-<lb/> Traktir kann man nach der Meinung unsres Berichterstatters am wohlfeilster,<lb/> in der ganzen Welt zu Mittag speisen. Der Wirth rechnet, wie seine Gäste,<lb/> die meist Bauern sind, nur nach Kupfergeld und liefert einem Gast, der sich<lb/> etwas zu Gute thun und ein komplettes Diner genießen will, für 2 Kopeken<lb/> Suppe, für I Kopeke Brot, für 4 Kopeken Fleisch, für 2 Kopeken Kascba (Buch-<lb/> weizenbrei) und für 2 Kopeken Kwas - macht Summa Summarum 10 Kope¬<lb/> ken oder 3V» Silbygroschen. In der Dschiwvdjorskaja Ulitza (Schinderstraße)<lb/> finden sich Traktirs für Zigeuner, über die Edwards ein eignes Kapitel hat, in<lb/> der Tatarskaja Ulitza ist ein Traktir für Tartaren, deren es in Moskau eine<lb/> ziemliche Anzahl gibt. Von außen gesehen ist dieses letztere sehr unscheinbar, nie¬<lb/> drig und schmutzig, Das Innere dagegen ist merkwürdig sauber gehalten, und<lb/> die Gäste, bärtige Mohamedaner mit hellfarbigen Schlafröcken, glänzend geripp¬<lb/> ten Mützen und langen Tabakspfeifen, sehen ebenso würdevoll als reinlich aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1500"> Diese Tartaren leben in der Stadt wie auf den Dörfern stets beisammen<lb/> und abgesondert von den Russen, aber stets auf gutem Fuß mit diesen, die<lb/> sie vertraulich mit dem Titel „Fürst" anreden. „Ob dieser Titel ihnen ironisch<lb/> ertheilt wird, kann ich," bemerkt unser Reisender, „nicht sagen, aber die Tar¬<lb/> taren nehmen ihn sehr ernsthaft, und es heißt, daß sie sammt und sonders<lb/> Anspruch darauf machen, von möglichst bester Herkunft zu sein. Diese Tartaren<lb/> gehören zu derselben Race wie die Türken und haben nichts von den hohen<lb/> Backenknochen, der platten Nase und den schiefstehenden Augen an, sich, welche<lb/> die oft mit demselben Namen bezeichneten mongolischen Eroberer Rußlands<lb/> charakterisiren."</p><lb/> <p xml:id="ID_1501" next="#ID_1502"> Die moskauer Tartaren handeln mit den Waaren, die von ihren Lands-<lb/> leuten aus Kasan und Astrachan, der Bucharei und China hierhergesandt wer¬<lb/> den, und haben keinen Verkehr mit den Persern, welche Shawls importiren,<lb/> oder den Armeniern, welche sich mit allerlei Handelsgeschäften befassen. „Sie<lb/> essen." sagt ein russischer Schriftsteller, „Pferdefleisch, vollziehen ihre Abwaschun¬<lb/> gen, gehen in die Moschee und schließen ihre Weiber vor jedermann ein. Sie<lb/> tragen Schlafrocke und gehen in Telegas oder zu Fuß einher mit Packeten von<lb/> Waaren, die sie in jedem Hause aufbieten, in welches sie einzutreten passend<lb/> finden. Sie müssen sehr nüchtern leben; denn nie hat man einen betrunken ge¬<lb/> sehen, und wenn sie sich einmal dem Genuß von starken Getränken hingeben,<lb/> so müssen sie sich dazu Erlaubniß verschaffen und jede Flasche mit der Etiquette</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
gebet", die Pfeife verschmähen, verboten. Die Küche ist sehr gut, ebenso der
Thee-, ein sehr beliebtes Produkt der ersten sind die „Blinni", eine Art Pfan¬
nenkuchen, die Verwandte der sächsischen Plinzen zu sein scheinen und während
der Fastenzeit mit Eaviar verspeist werden.
In manchen Traktirs gibt's Billards, in andern riesige, sich selbst spielende
Orgeln, von denen einige 25.000 Rubel gekostet haben sollen. Im Puschkin-
Traktir kann man nach der Meinung unsres Berichterstatters am wohlfeilster,
in der ganzen Welt zu Mittag speisen. Der Wirth rechnet, wie seine Gäste,
die meist Bauern sind, nur nach Kupfergeld und liefert einem Gast, der sich
etwas zu Gute thun und ein komplettes Diner genießen will, für 2 Kopeken
Suppe, für I Kopeke Brot, für 4 Kopeken Fleisch, für 2 Kopeken Kascba (Buch-
weizenbrei) und für 2 Kopeken Kwas - macht Summa Summarum 10 Kope¬
ken oder 3V» Silbygroschen. In der Dschiwvdjorskaja Ulitza (Schinderstraße)
finden sich Traktirs für Zigeuner, über die Edwards ein eignes Kapitel hat, in
der Tatarskaja Ulitza ist ein Traktir für Tartaren, deren es in Moskau eine
ziemliche Anzahl gibt. Von außen gesehen ist dieses letztere sehr unscheinbar, nie¬
drig und schmutzig, Das Innere dagegen ist merkwürdig sauber gehalten, und
die Gäste, bärtige Mohamedaner mit hellfarbigen Schlafröcken, glänzend geripp¬
ten Mützen und langen Tabakspfeifen, sehen ebenso würdevoll als reinlich aus.
Diese Tartaren leben in der Stadt wie auf den Dörfern stets beisammen
und abgesondert von den Russen, aber stets auf gutem Fuß mit diesen, die
sie vertraulich mit dem Titel „Fürst" anreden. „Ob dieser Titel ihnen ironisch
ertheilt wird, kann ich," bemerkt unser Reisender, „nicht sagen, aber die Tar¬
taren nehmen ihn sehr ernsthaft, und es heißt, daß sie sammt und sonders
Anspruch darauf machen, von möglichst bester Herkunft zu sein. Diese Tartaren
gehören zu derselben Race wie die Türken und haben nichts von den hohen
Backenknochen, der platten Nase und den schiefstehenden Augen an, sich, welche
die oft mit demselben Namen bezeichneten mongolischen Eroberer Rußlands
charakterisiren."
Die moskauer Tartaren handeln mit den Waaren, die von ihren Lands-
leuten aus Kasan und Astrachan, der Bucharei und China hierhergesandt wer¬
den, und haben keinen Verkehr mit den Persern, welche Shawls importiren,
oder den Armeniern, welche sich mit allerlei Handelsgeschäften befassen. „Sie
essen." sagt ein russischer Schriftsteller, „Pferdefleisch, vollziehen ihre Abwaschun¬
gen, gehen in die Moschee und schließen ihre Weiber vor jedermann ein. Sie
tragen Schlafrocke und gehen in Telegas oder zu Fuß einher mit Packeten von
Waaren, die sie in jedem Hause aufbieten, in welches sie einzutreten passend
finden. Sie müssen sehr nüchtern leben; denn nie hat man einen betrunken ge¬
sehen, und wenn sie sich einmal dem Genuß von starken Getränken hingeben,
so müssen sie sich dazu Erlaubniß verschaffen und jede Flasche mit der Etiquette
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