Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.beginnt um 4 Uhr) beten und gelegentlich der Jungfrau oder ihrem Lieblings¬ Für die Moskaner Kaufleute gibt's keine specielle Kirche oder Kapelle; Ein anderes interessantes' Traktir ist' das der Starowerzen. wo man Nur SS*
beginnt um 4 Uhr) beten und gelegentlich der Jungfrau oder ihrem Lieblings¬ Für die Moskaner Kaufleute gibt's keine specielle Kirche oder Kapelle; Ein anderes interessantes' Traktir ist' das der Starowerzen. wo man Nur SS*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114247"/> <p xml:id="ID_1495" prev="#ID_1494"> beginnt um 4 Uhr) beten und gelegentlich der Jungfrau oder ihrem Lieblings¬<lb/> heiligen eine Kerze opfern. „Dann und wann," meint unser Reisender, „muß<lb/> sich da begeben, daß ein Speculant, der auf die Hauffe, und ein anderer, der<lb/> auf die Baisse rechnet, zu gleicher Zeit in die Kapelle treten und ihr Gebet be¬<lb/> ginnen. Aber wahrscheinlich bitten sie in solchem Fall, daß sie nicht in Ver¬<lb/> such geführt werden, einander zu betrügen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1496"> Für die Moskaner Kaufleute gibt's keine specielle Kirche oder Kapelle;<lb/> auch mit jenem Troi'zkoi Traktir, welches die eigentliche moskauer Börse genannt<lb/> werden muß, ist kein solches Institut verbunden. Aber in jedem der Zimmer<lb/> dieses großen Theehauses, deren Eingänge gewöhnlich gewölbt sind, und welche<lb/> in langer Reihe aufeinander folgen, ist das unvermeidliche Heiligenbild zu sehen,<lb/> und kein echter Russe geht ein oder aus, ohne das Zeichen des Kreuzes zu<lb/> machen. Kein Russe, gleichviel, welcher Klasse er angehöre, behält in einem<lb/> Trattir Hüt oder Mütze auf dem Kopfe; denn das our'de unartig gegen die<lb/> Menschen und unehrerbietig gegen die heiligen Bilder sein. Die Kellner, von<lb/> denen däs Troizkoi Traktir nicht weniger als hundertundfunfzig beschäftigt, sind<lb/> alle in Weiß gekleidet, und man sagt scherzhaft, daß ihnen verboten ist, sich<lb/> den Tag über zu setzen, weil sie dadurch die Harmonie und Reinheit ihres<lb/> fleckenlosen Leinenzeugs beeinträchtigen könnten. Die Bedienung ist ckusterhaft.<lb/> Sie sieht dem Gast seine Wünsche an den Augen ab, schneidet ihm sein „Pirog"<lb/> lFleisch- oder Fischpastetchen) vor, so daß er es wie der Gabel essen kann, schenkt<lb/> rhin den Thee ein. füllt ihm den Tschibbuk und bringt ihm denselben sogar<lb/> brennend. Es steckt ein' gutes Theil Orient in diesen russischen Wirthschaften.<lb/> Der Hauptconsumtionsartikel in' denselben ist Thee, jeder bestellt sich dieses<lb/> Getränk entweder allein oder nach dem Essen, und die Mehrzahl der Gäste ge¬<lb/> nießt hier nichts Anderes. Man kann ein Glas oder einen ganzen Samowar<lb/> haben, aber beim Bestellen verlangt man nicht Thee, sondern nur so und so<lb/> viel Portionen Zucker — eine Sitte, die vermuthlich aus der Zeit des letzten<lb/> europäischen Krieges stammt, wo der Preis für ein Pfund Zucker in Nußland<lb/> auf 1'/- Thaler preußisch' stieg. Die Massen' von Thee, welche die russischen<lb/> Kaufleute zu sich nehmen, sind ungeheuer. Edwards erzählt'. „Ich habe zwei<lb/> Kaufleute in ein Traktir treten, so und so viele Portionen Zucker bestellen und<lb/> Tasse^ aus Tasse hinunterschlürfen sehen, bis die Thccurne vor ihnen leer war,<lb/> und die gewöhnliche Theeurne eines Trakti'rs hält mindestens anderthalb Gal¬<lb/> lonen" (ein Gallon ist ein Maß, welches dem achten' Theil eines berliner<lb/> Scheffels gleichkömmt und zehn Pfund Wasser faßt).</p><lb/> <p xml:id="ID_1497" next="#ID_1498"> Ein anderes interessantes' Traktir ist' das der Starowerzen. wo man Nur<lb/> Kaftane und lange Bärte seel/t. Dib' Kellner trägen hier lange schwarze Kaftane.<lb/> Das Rauchen ist, da die Altgläubigen nach dem Bibelspruch „Nicht was in den<lb/> Mund eingehet verunreinigt' den' Menschen, sondern was aus dem Münde aus-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> SS*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0467]
beginnt um 4 Uhr) beten und gelegentlich der Jungfrau oder ihrem Lieblings¬
heiligen eine Kerze opfern. „Dann und wann," meint unser Reisender, „muß
sich da begeben, daß ein Speculant, der auf die Hauffe, und ein anderer, der
auf die Baisse rechnet, zu gleicher Zeit in die Kapelle treten und ihr Gebet be¬
ginnen. Aber wahrscheinlich bitten sie in solchem Fall, daß sie nicht in Ver¬
such geführt werden, einander zu betrügen."
Für die Moskaner Kaufleute gibt's keine specielle Kirche oder Kapelle;
auch mit jenem Troi'zkoi Traktir, welches die eigentliche moskauer Börse genannt
werden muß, ist kein solches Institut verbunden. Aber in jedem der Zimmer
dieses großen Theehauses, deren Eingänge gewöhnlich gewölbt sind, und welche
in langer Reihe aufeinander folgen, ist das unvermeidliche Heiligenbild zu sehen,
und kein echter Russe geht ein oder aus, ohne das Zeichen des Kreuzes zu
machen. Kein Russe, gleichviel, welcher Klasse er angehöre, behält in einem
Trattir Hüt oder Mütze auf dem Kopfe; denn das our'de unartig gegen die
Menschen und unehrerbietig gegen die heiligen Bilder sein. Die Kellner, von
denen däs Troizkoi Traktir nicht weniger als hundertundfunfzig beschäftigt, sind
alle in Weiß gekleidet, und man sagt scherzhaft, daß ihnen verboten ist, sich
den Tag über zu setzen, weil sie dadurch die Harmonie und Reinheit ihres
fleckenlosen Leinenzeugs beeinträchtigen könnten. Die Bedienung ist ckusterhaft.
Sie sieht dem Gast seine Wünsche an den Augen ab, schneidet ihm sein „Pirog"
lFleisch- oder Fischpastetchen) vor, so daß er es wie der Gabel essen kann, schenkt
rhin den Thee ein. füllt ihm den Tschibbuk und bringt ihm denselben sogar
brennend. Es steckt ein' gutes Theil Orient in diesen russischen Wirthschaften.
Der Hauptconsumtionsartikel in' denselben ist Thee, jeder bestellt sich dieses
Getränk entweder allein oder nach dem Essen, und die Mehrzahl der Gäste ge¬
nießt hier nichts Anderes. Man kann ein Glas oder einen ganzen Samowar
haben, aber beim Bestellen verlangt man nicht Thee, sondern nur so und so
viel Portionen Zucker — eine Sitte, die vermuthlich aus der Zeit des letzten
europäischen Krieges stammt, wo der Preis für ein Pfund Zucker in Nußland
auf 1'/- Thaler preußisch' stieg. Die Massen' von Thee, welche die russischen
Kaufleute zu sich nehmen, sind ungeheuer. Edwards erzählt'. „Ich habe zwei
Kaufleute in ein Traktir treten, so und so viele Portionen Zucker bestellen und
Tasse^ aus Tasse hinunterschlürfen sehen, bis die Thccurne vor ihnen leer war,
und die gewöhnliche Theeurne eines Trakti'rs hält mindestens anderthalb Gal¬
lonen" (ein Gallon ist ein Maß, welches dem achten' Theil eines berliner
Scheffels gleichkömmt und zehn Pfund Wasser faßt).
Ein anderes interessantes' Traktir ist' das der Starowerzen. wo man Nur
Kaftane und lange Bärte seel/t. Dib' Kellner trägen hier lange schwarze Kaftane.
Das Rauchen ist, da die Altgläubigen nach dem Bibelspruch „Nicht was in den
Mund eingehet verunreinigt' den' Menschen, sondern was aus dem Münde aus-
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