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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Die zarteste Sorte des Karawanenthce's ist "Tzwetotschny" oder Blumen¬
thee, dem in Westeuropa der "blumige Pekoe" einigermaßen entspricht; allein
ti.e besten Proben des letztern sind mit den feinern Gattungen des erstem nicht
zu vergleichen. Vielleicht haben auch die ungeheuern Preise, welche die Russen
für ihren Thee zahlen, etwas mit der Frage zu schaffen. In England ist nach
den besten Arten, die jetzt eingeführt werden, nur geringe Nachfrage, und es
ist fraglich, ob China jemals etwas von seinem ausgesuchtesten Produkt geschickt
hat. Bekannt ist, daß die Sträucher im Lauf der Erntezeit mehrmals gepflückt
werden. Die erste Lese gibt die seltenste Qualität des Tzwetotschny, die zweite
den gewöhnlichen Tzwetotschny, die dritte lar den gemeinen Thee. Die erste Ernte
geht nach Rußland."

Die Russen zahlen nach dem jetzigen Schutzzoll-Tarif über zwei Thaler für
das Pfund ordinären Korgon (Kanton-Thee), während derselbe bei einem mäßi¬
gen Zoll für etwa die Hälfte dieses Preises zu haben sein konnte'*). Der Staat
würde bei einer Zollermäßigung keinenfalls Schaden haben; denn während bei
dem jetzigen Tarif der jährliche Verbrauch auf ungefähr neun Millionen Pfund
beschränkt bleiben wird, würde bei der Vorliebe des Volks für das Getränk des
himmlischen Reichs eine beträchtliche Verminderung des Preises eine fast unendliche
Steigerung des Consums zur Folge haben.

Die, welche die Zulassung von Theezufuhrcn zur See befürworten, be¬
haupten, daß der Vorzug des Karawanenthce's vor "Jen Sorten, die zu Schiffe
eingeführt werden könnten, so stark markirt sei, daß jener stets reiche Liebhaber
finden würde, die, wie jetzt bisweilen geschieht, das Pfund besonders guten Ge¬
wächses Mit 10 bis 11 Thalern bezahlen. Gegenwärtig wird eine vortreffliche
Mischung von schwarzem und Blumen-Thee zu Moskau für 3'/z Thaler verkauft,
und es ist vollkommen wahr, daß man sich solchen Thee in keinem andern Lande,
ausgenommen China selbst, verschaffen kann. Indeß ist sehr wahrscheinlich, daß
wie große Anzahl von Familien sich mit einer geringeren Mischung zum hal¬
ben Preise begnügen würde, und in diesem Fall würde der sibirische Handel,
welchen zu schützen die Regierung sich so angelegen sein läßt, in der That beein¬
trächtigt werden. Die Aufrechthaltung des Karawanenhandels durch Sibirien
zum Schaden der theetrinkenden Bevölkerung des Landes aber muß, wenn sie
richtig beurtheilt werden soll, wieder in Verbindung mit der projectirten Eisen¬
bahn zwischen Nischnei-Nowgorod und Jrkutsk betrachtet werden. Denn so lange
man die Absicht festhält, einen so wichtigen Schienenweg auszuführen, erfordert
die Klugheit, daß man den Ueberlandhandel zwischen Rußland und China so
viel wie möglich ermuthigt.



") Die Häfen sind seitdem geöffnet, der Tarif herabgesetzt, und der Thee ist wohlfeiler, aber
D. R. auch schlechter geworden.
Grenzboten II. 1S62. 58

Die zarteste Sorte des Karawanenthce's ist „Tzwetotschny" oder Blumen¬
thee, dem in Westeuropa der „blumige Pekoe" einigermaßen entspricht; allein
ti.e besten Proben des letztern sind mit den feinern Gattungen des erstem nicht
zu vergleichen. Vielleicht haben auch die ungeheuern Preise, welche die Russen
für ihren Thee zahlen, etwas mit der Frage zu schaffen. In England ist nach
den besten Arten, die jetzt eingeführt werden, nur geringe Nachfrage, und es
ist fraglich, ob China jemals etwas von seinem ausgesuchtesten Produkt geschickt
hat. Bekannt ist, daß die Sträucher im Lauf der Erntezeit mehrmals gepflückt
werden. Die erste Lese gibt die seltenste Qualität des Tzwetotschny, die zweite
den gewöhnlichen Tzwetotschny, die dritte lar den gemeinen Thee. Die erste Ernte
geht nach Rußland."

Die Russen zahlen nach dem jetzigen Schutzzoll-Tarif über zwei Thaler für
das Pfund ordinären Korgon (Kanton-Thee), während derselbe bei einem mäßi¬
gen Zoll für etwa die Hälfte dieses Preises zu haben sein konnte'*). Der Staat
würde bei einer Zollermäßigung keinenfalls Schaden haben; denn während bei
dem jetzigen Tarif der jährliche Verbrauch auf ungefähr neun Millionen Pfund
beschränkt bleiben wird, würde bei der Vorliebe des Volks für das Getränk des
himmlischen Reichs eine beträchtliche Verminderung des Preises eine fast unendliche
Steigerung des Consums zur Folge haben.

Die, welche die Zulassung von Theezufuhrcn zur See befürworten, be¬
haupten, daß der Vorzug des Karawanenthce's vor «Jen Sorten, die zu Schiffe
eingeführt werden könnten, so stark markirt sei, daß jener stets reiche Liebhaber
finden würde, die, wie jetzt bisweilen geschieht, das Pfund besonders guten Ge¬
wächses Mit 10 bis 11 Thalern bezahlen. Gegenwärtig wird eine vortreffliche
Mischung von schwarzem und Blumen-Thee zu Moskau für 3'/z Thaler verkauft,
und es ist vollkommen wahr, daß man sich solchen Thee in keinem andern Lande,
ausgenommen China selbst, verschaffen kann. Indeß ist sehr wahrscheinlich, daß
wie große Anzahl von Familien sich mit einer geringeren Mischung zum hal¬
ben Preise begnügen würde, und in diesem Fall würde der sibirische Handel,
welchen zu schützen die Regierung sich so angelegen sein läßt, in der That beein¬
trächtigt werden. Die Aufrechthaltung des Karawanenhandels durch Sibirien
zum Schaden der theetrinkenden Bevölkerung des Landes aber muß, wenn sie
richtig beurtheilt werden soll, wieder in Verbindung mit der projectirten Eisen¬
bahn zwischen Nischnei-Nowgorod und Jrkutsk betrachtet werden. Denn so lange
man die Absicht festhält, einen so wichtigen Schienenweg auszuführen, erfordert
die Klugheit, daß man den Ueberlandhandel zwischen Rußland und China so
viel wie möglich ermuthigt.



") Die Häfen sind seitdem geöffnet, der Tarif herabgesetzt, und der Thee ist wohlfeiler, aber
D. R. auch schlechter geworden.
Grenzboten II. 1S62. 58
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[0465] Die zarteste Sorte des Karawanenthce's ist „Tzwetotschny" oder Blumen¬ thee, dem in Westeuropa der „blumige Pekoe" einigermaßen entspricht; allein ti.e besten Proben des letztern sind mit den feinern Gattungen des erstem nicht zu vergleichen. Vielleicht haben auch die ungeheuern Preise, welche die Russen für ihren Thee zahlen, etwas mit der Frage zu schaffen. In England ist nach den besten Arten, die jetzt eingeführt werden, nur geringe Nachfrage, und es ist fraglich, ob China jemals etwas von seinem ausgesuchtesten Produkt geschickt hat. Bekannt ist, daß die Sträucher im Lauf der Erntezeit mehrmals gepflückt werden. Die erste Lese gibt die seltenste Qualität des Tzwetotschny, die zweite den gewöhnlichen Tzwetotschny, die dritte lar den gemeinen Thee. Die erste Ernte geht nach Rußland." Die Russen zahlen nach dem jetzigen Schutzzoll-Tarif über zwei Thaler für das Pfund ordinären Korgon (Kanton-Thee), während derselbe bei einem mäßi¬ gen Zoll für etwa die Hälfte dieses Preises zu haben sein konnte'*). Der Staat würde bei einer Zollermäßigung keinenfalls Schaden haben; denn während bei dem jetzigen Tarif der jährliche Verbrauch auf ungefähr neun Millionen Pfund beschränkt bleiben wird, würde bei der Vorliebe des Volks für das Getränk des himmlischen Reichs eine beträchtliche Verminderung des Preises eine fast unendliche Steigerung des Consums zur Folge haben. Die, welche die Zulassung von Theezufuhrcn zur See befürworten, be¬ haupten, daß der Vorzug des Karawanenthce's vor «Jen Sorten, die zu Schiffe eingeführt werden könnten, so stark markirt sei, daß jener stets reiche Liebhaber finden würde, die, wie jetzt bisweilen geschieht, das Pfund besonders guten Ge¬ wächses Mit 10 bis 11 Thalern bezahlen. Gegenwärtig wird eine vortreffliche Mischung von schwarzem und Blumen-Thee zu Moskau für 3'/z Thaler verkauft, und es ist vollkommen wahr, daß man sich solchen Thee in keinem andern Lande, ausgenommen China selbst, verschaffen kann. Indeß ist sehr wahrscheinlich, daß wie große Anzahl von Familien sich mit einer geringeren Mischung zum hal¬ ben Preise begnügen würde, und in diesem Fall würde der sibirische Handel, welchen zu schützen die Regierung sich so angelegen sein läßt, in der That beein¬ trächtigt werden. Die Aufrechthaltung des Karawanenhandels durch Sibirien zum Schaden der theetrinkenden Bevölkerung des Landes aber muß, wenn sie richtig beurtheilt werden soll, wieder in Verbindung mit der projectirten Eisen¬ bahn zwischen Nischnei-Nowgorod und Jrkutsk betrachtet werden. Denn so lange man die Absicht festhält, einen so wichtigen Schienenweg auszuführen, erfordert die Klugheit, daß man den Ueberlandhandel zwischen Rußland und China so viel wie möglich ermuthigt. ") Die Häfen sind seitdem geöffnet, der Tarif herabgesetzt, und der Thee ist wohlfeiler, aber D. R. auch schlechter geworden. Grenzboten II. 1S62. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/465>, abgerufen am 08.01.2025.