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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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zug des heiligen Sergius mit seinen kriegerischen Mönchen, durch welchen die
Vernichtung der Tartarenhvrdcn in der Schlacht bei Kulikoff entschieden wurde,
an den Kampf Minims und Fürst Pvjarski's mit den Polen, der mit der Be¬
freiung Moskaus endete, und an verschiedene,glücklich bestandene Belagerungen
des Klosters in frühern und spätern Zeiten.

Der Gründer des Troiza-Klosters, Se. Sergius, lebte im vierzehnten Jadr-
hundert. Sein wunderbares Leben begann schon vor seiner Geburt. Im
Mutterleibe schon hörte man ita drei Schreie thun -- zu Ehren der heiligen
Dreieinigkeit, interpretirt die Legende. Während seiner Kinderjahre blieb der
zukünftige Heilige taub gegen die Stimmen der Belehrung. Seine Eltern
klagten dies einem heiligen Eremiten, den der Knabe (er hieß damals Bartho-
lomäus) im Walde gefunden und mit heimgcnvmme". Der Einsiedler sang
darauf ein Tedeum und öffnete die Bibel, und siehe da, es fand sich, daß der
Knabe fertig lesen konnte, worauf der wunderthätige Schulmeister unsichtbar
wurde. Nach dem Ableben seiner Eltern nahm Bartholomäus den Mönchs¬
namen Sergius an, zog sich aus der Welt zurück und gründete das Troiza-
Kloster. Hier lebte "dieser himmlische Mann und irdische Engel" ein Lebe"
beispielloser Heiligkeit, die selbst auf die wilden Thiere des Waldes ihre Wir¬
kung übte, also daß sie in seiner Gegenwart ihre gewohnte Grimmigkeit ab¬
legten."

Wie vor seiner Geburt, so war Se. Sergius natürlich auch nach seinem
Tode für das Gute thätig. Als die Polen sein Kloster belagerten und selbst
schweres Geschütz gegen dasselbe aufführen, pflegte oft ein alter Mann, welcher
der Beschreibung des Heiligen glich, zu Roß in den Wolken zu erscheinen und
die Mönche zu tapferem Kämpfen gegen die Belagerer zu ernähren, und eine
ähnliche Erscheinung fand noch in diesem Jahrhundert statt. Das Troiza-Klo-
ster ist unermeßlich reich, es besitzt an kostbaren Perlen allein mehr als das
ganze übrige Europa. Dennoch wurde es von den Franzosen im Jahre 1812
nicht geplündert, obwohl es von den Russen nicht vertheidigt wurde. Aller¬
dings erhielt, so erzählt die Legende, Murat Befehl, es zu nehmen, aber als
er vom Kreml nach der Richtung des Klosters ausschaute, sah er ein großes
Heer schwarz uniformirter Soldaten auf der Straße aufgestellt, worauf er dem
Kaiser meldete, daß er mit der ihm zur Verfügung gestellten Hecrevmacht den
Angriff zu unternehmen außer Stande sei. Wir haben nicht nöthig, zu bemer¬
ken ,, daß dies ein Wundergesicht war. Die schwarzen Soldaten waren Mönche
früherer Jahrhunderte, und Se. Sergius selbst hielt Heerschau über sie. nach¬
dem er vorher den Segen Plato's. des Moskaner Metropoliten empfangen, wel¬
cher indeß den Heiligen damals nicht erkannte, sondern sich erst später besann,
daß er's gewesen.

Das Troiza-Kloster liegt circa acht Meilen von Moskau und ist das


zug des heiligen Sergius mit seinen kriegerischen Mönchen, durch welchen die
Vernichtung der Tartarenhvrdcn in der Schlacht bei Kulikoff entschieden wurde,
an den Kampf Minims und Fürst Pvjarski's mit den Polen, der mit der Be¬
freiung Moskaus endete, und an verschiedene,glücklich bestandene Belagerungen
des Klosters in frühern und spätern Zeiten.

Der Gründer des Troiza-Klosters, Se. Sergius, lebte im vierzehnten Jadr-
hundert. Sein wunderbares Leben begann schon vor seiner Geburt. Im
Mutterleibe schon hörte man ita drei Schreie thun — zu Ehren der heiligen
Dreieinigkeit, interpretirt die Legende. Während seiner Kinderjahre blieb der
zukünftige Heilige taub gegen die Stimmen der Belehrung. Seine Eltern
klagten dies einem heiligen Eremiten, den der Knabe (er hieß damals Bartho-
lomäus) im Walde gefunden und mit heimgcnvmme». Der Einsiedler sang
darauf ein Tedeum und öffnete die Bibel, und siehe da, es fand sich, daß der
Knabe fertig lesen konnte, worauf der wunderthätige Schulmeister unsichtbar
wurde. Nach dem Ableben seiner Eltern nahm Bartholomäus den Mönchs¬
namen Sergius an, zog sich aus der Welt zurück und gründete das Troiza-
Kloster. Hier lebte „dieser himmlische Mann und irdische Engel" ein Lebe»
beispielloser Heiligkeit, die selbst auf die wilden Thiere des Waldes ihre Wir¬
kung übte, also daß sie in seiner Gegenwart ihre gewohnte Grimmigkeit ab¬
legten."

Wie vor seiner Geburt, so war Se. Sergius natürlich auch nach seinem
Tode für das Gute thätig. Als die Polen sein Kloster belagerten und selbst
schweres Geschütz gegen dasselbe aufführen, pflegte oft ein alter Mann, welcher
der Beschreibung des Heiligen glich, zu Roß in den Wolken zu erscheinen und
die Mönche zu tapferem Kämpfen gegen die Belagerer zu ernähren, und eine
ähnliche Erscheinung fand noch in diesem Jahrhundert statt. Das Troiza-Klo-
ster ist unermeßlich reich, es besitzt an kostbaren Perlen allein mehr als das
ganze übrige Europa. Dennoch wurde es von den Franzosen im Jahre 1812
nicht geplündert, obwohl es von den Russen nicht vertheidigt wurde. Aller¬
dings erhielt, so erzählt die Legende, Murat Befehl, es zu nehmen, aber als
er vom Kreml nach der Richtung des Klosters ausschaute, sah er ein großes
Heer schwarz uniformirter Soldaten auf der Straße aufgestellt, worauf er dem
Kaiser meldete, daß er mit der ihm zur Verfügung gestellten Hecrevmacht den
Angriff zu unternehmen außer Stande sei. Wir haben nicht nöthig, zu bemer¬
ken ,, daß dies ein Wundergesicht war. Die schwarzen Soldaten waren Mönche
früherer Jahrhunderte, und Se. Sergius selbst hielt Heerschau über sie. nach¬
dem er vorher den Segen Plato's. des Moskaner Metropoliten empfangen, wel¬
cher indeß den Heiligen damals nicht erkannte, sondern sich erst später besann,
daß er's gewesen.

Das Troiza-Kloster liegt circa acht Meilen von Moskau und ist das


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[0439] zug des heiligen Sergius mit seinen kriegerischen Mönchen, durch welchen die Vernichtung der Tartarenhvrdcn in der Schlacht bei Kulikoff entschieden wurde, an den Kampf Minims und Fürst Pvjarski's mit den Polen, der mit der Be¬ freiung Moskaus endete, und an verschiedene,glücklich bestandene Belagerungen des Klosters in frühern und spätern Zeiten. Der Gründer des Troiza-Klosters, Se. Sergius, lebte im vierzehnten Jadr- hundert. Sein wunderbares Leben begann schon vor seiner Geburt. Im Mutterleibe schon hörte man ita drei Schreie thun — zu Ehren der heiligen Dreieinigkeit, interpretirt die Legende. Während seiner Kinderjahre blieb der zukünftige Heilige taub gegen die Stimmen der Belehrung. Seine Eltern klagten dies einem heiligen Eremiten, den der Knabe (er hieß damals Bartho- lomäus) im Walde gefunden und mit heimgcnvmme». Der Einsiedler sang darauf ein Tedeum und öffnete die Bibel, und siehe da, es fand sich, daß der Knabe fertig lesen konnte, worauf der wunderthätige Schulmeister unsichtbar wurde. Nach dem Ableben seiner Eltern nahm Bartholomäus den Mönchs¬ namen Sergius an, zog sich aus der Welt zurück und gründete das Troiza- Kloster. Hier lebte „dieser himmlische Mann und irdische Engel" ein Lebe» beispielloser Heiligkeit, die selbst auf die wilden Thiere des Waldes ihre Wir¬ kung übte, also daß sie in seiner Gegenwart ihre gewohnte Grimmigkeit ab¬ legten." Wie vor seiner Geburt, so war Se. Sergius natürlich auch nach seinem Tode für das Gute thätig. Als die Polen sein Kloster belagerten und selbst schweres Geschütz gegen dasselbe aufführen, pflegte oft ein alter Mann, welcher der Beschreibung des Heiligen glich, zu Roß in den Wolken zu erscheinen und die Mönche zu tapferem Kämpfen gegen die Belagerer zu ernähren, und eine ähnliche Erscheinung fand noch in diesem Jahrhundert statt. Das Troiza-Klo- ster ist unermeßlich reich, es besitzt an kostbaren Perlen allein mehr als das ganze übrige Europa. Dennoch wurde es von den Franzosen im Jahre 1812 nicht geplündert, obwohl es von den Russen nicht vertheidigt wurde. Aller¬ dings erhielt, so erzählt die Legende, Murat Befehl, es zu nehmen, aber als er vom Kreml nach der Richtung des Klosters ausschaute, sah er ein großes Heer schwarz uniformirter Soldaten auf der Straße aufgestellt, worauf er dem Kaiser meldete, daß er mit der ihm zur Verfügung gestellten Hecrevmacht den Angriff zu unternehmen außer Stande sei. Wir haben nicht nöthig, zu bemer¬ ken ,, daß dies ein Wundergesicht war. Die schwarzen Soldaten waren Mönche früherer Jahrhunderte, und Se. Sergius selbst hielt Heerschau über sie. nach¬ dem er vorher den Segen Plato's. des Moskaner Metropoliten empfangen, wel¬ cher indeß den Heiligen damals nicht erkannte, sondern sich erst später besann, daß er's gewesen. Das Troiza-Kloster liegt circa acht Meilen von Moskau und ist das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/439>, abgerufen am 08.01.2025.