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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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wir die, welche sich für das Detail iniercssiren, in dem Buche selbst nachzu¬
lesen. Dagegen sei es gestattet, noch einige Auszüge aus dem, was unser
Verfasser über die Geistlichen erzählt, mitzutheilen und daran das Jnteressanteste
aus der Schilderung eines Besuchs im Troiza-Kloster, einem der berühmtesten
in ganz Rußland zu knüpfen.

Bekannt ist, daß die griechischen Kleriker der untern Klassen das Gelübde
der Ehelosigkeit nicht abzulegen haben. Es ist aber hinzuzufügen, daß ein solcher
Geistlicher sogar verheirathet sein muß, bevor er die Weihe erhalten kann.
Eine zweite Verheirathung ist ihm dagegen nicht gestattet. Unrichtig aber ist,
wenn man liest, daß ein Priester, dem die Frau gestorben, genöthigt wäre ins
Kloster.zu gehen. Die Sache verhält sich vielmehr so, daß die höhern Kleriker
nur aus den Klöstern genommen werden, und daß verwittwete Geistliche niedern
Ranges sich häufig entschließen, Mönch zu werden, um sich die Bahn zum
Archimandritcn und Metropoliten zu öffnen. Manche dieser Prälaten finden
Zeit, sich eine nicht unbedeutende Gelehrsamkeit zu erwerben, einige denken
ziemlich liberal in Sachen der Religion, aber eine gewisse Beschränktheit bleibt
bei allen zurück.

Vor einigen Jahren erschien in Nußland eine Ueberhebung der Bibel, aber
sofort gab der Metropolit Philaret den Rath, sie zu unterdrücken. Es hieß
zwar, die Maßregel sei verhängt worden, weil jene Arbeit allerlei Unrichtig¬
keiten enthalten habe, und es ist seitdem eine andere Übersetzung unter den Au¬
spickn Philarets erschienen. Allein, was würde man in Deutschland von dem
Bischof oder Superintendenten sagen, der sich solche Eingriffe in den Buchhan¬
del erlauben wollte? ^ ",,j,. "/^i.- i...til.i'i^'.' i"" "-1?",' .'.leite-im:'.

Eine andere Klage über die theologische Engherzigkeit Philarets scheint
nicht so begründet. Es heißt, der Metropolit habe ein Verbot gegen ein geo¬
logisches Werk veranlaßt, weil dessen Darstellung der Weltschöpfung von der
in der Genesis enthaltenen abgewichen. Dies paßt aber nicht zu der Thatsache,
daß der Moskaner Metropolit dem Professor der Naturgeschichte an der dorti¬
gen Universität das Wort redete, als einige der Geistlichen den Vorschlag ge¬
macht hatten, die Vorlesungen desselben untersagen zu lassen, und eben sowenig
zu, der bald nach diesem Vorschlag erfolgten Veröffentlichung seiner Commentare
zum ersten Buch Mosis, in welchen die Lehre ausgesprochen ist, daß die Welt-
schöpfung in Perioden und nicht in Tagen erfolgt sei. Philaret steht im Rufe,
nicht blos der gelehrteste, sondern auch der beredteste Prälat der russischen Kirche
zu sein, wie er denn auch der älteste ist. Eine der besten von den Predigten,
die von ihm erschienen sind, die "Stimme in der Wüste", wurde im Jahre
18>2 gehalten und bezieht sich mittelbar auf das Unglück, das damals Moskau
betroffen hatte. Er ist zugleich ein guter Patriot, der furchtlos auch sehr hoch¬
stehenden Personen die Wahrheit sagt (was für einen hohen Geistlichen freilich


wir die, welche sich für das Detail iniercssiren, in dem Buche selbst nachzu¬
lesen. Dagegen sei es gestattet, noch einige Auszüge aus dem, was unser
Verfasser über die Geistlichen erzählt, mitzutheilen und daran das Jnteressanteste
aus der Schilderung eines Besuchs im Troiza-Kloster, einem der berühmtesten
in ganz Rußland zu knüpfen.

Bekannt ist, daß die griechischen Kleriker der untern Klassen das Gelübde
der Ehelosigkeit nicht abzulegen haben. Es ist aber hinzuzufügen, daß ein solcher
Geistlicher sogar verheirathet sein muß, bevor er die Weihe erhalten kann.
Eine zweite Verheirathung ist ihm dagegen nicht gestattet. Unrichtig aber ist,
wenn man liest, daß ein Priester, dem die Frau gestorben, genöthigt wäre ins
Kloster.zu gehen. Die Sache verhält sich vielmehr so, daß die höhern Kleriker
nur aus den Klöstern genommen werden, und daß verwittwete Geistliche niedern
Ranges sich häufig entschließen, Mönch zu werden, um sich die Bahn zum
Archimandritcn und Metropoliten zu öffnen. Manche dieser Prälaten finden
Zeit, sich eine nicht unbedeutende Gelehrsamkeit zu erwerben, einige denken
ziemlich liberal in Sachen der Religion, aber eine gewisse Beschränktheit bleibt
bei allen zurück.

Vor einigen Jahren erschien in Nußland eine Ueberhebung der Bibel, aber
sofort gab der Metropolit Philaret den Rath, sie zu unterdrücken. Es hieß
zwar, die Maßregel sei verhängt worden, weil jene Arbeit allerlei Unrichtig¬
keiten enthalten habe, und es ist seitdem eine andere Übersetzung unter den Au¬
spickn Philarets erschienen. Allein, was würde man in Deutschland von dem
Bischof oder Superintendenten sagen, der sich solche Eingriffe in den Buchhan¬
del erlauben wollte? ^ „,,j,. „/^i.- i...til.i'i^'.' i„» „-1?«,' .'.leite-im:'.

Eine andere Klage über die theologische Engherzigkeit Philarets scheint
nicht so begründet. Es heißt, der Metropolit habe ein Verbot gegen ein geo¬
logisches Werk veranlaßt, weil dessen Darstellung der Weltschöpfung von der
in der Genesis enthaltenen abgewichen. Dies paßt aber nicht zu der Thatsache,
daß der Moskaner Metropolit dem Professor der Naturgeschichte an der dorti¬
gen Universität das Wort redete, als einige der Geistlichen den Vorschlag ge¬
macht hatten, die Vorlesungen desselben untersagen zu lassen, und eben sowenig
zu, der bald nach diesem Vorschlag erfolgten Veröffentlichung seiner Commentare
zum ersten Buch Mosis, in welchen die Lehre ausgesprochen ist, daß die Welt-
schöpfung in Perioden und nicht in Tagen erfolgt sei. Philaret steht im Rufe,
nicht blos der gelehrteste, sondern auch der beredteste Prälat der russischen Kirche
zu sein, wie er denn auch der älteste ist. Eine der besten von den Predigten,
die von ihm erschienen sind, die „Stimme in der Wüste", wurde im Jahre
18>2 gehalten und bezieht sich mittelbar auf das Unglück, das damals Moskau
betroffen hatte. Er ist zugleich ein guter Patriot, der furchtlos auch sehr hoch¬
stehenden Personen die Wahrheit sagt (was für einen hohen Geistlichen freilich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/436>, abgerufen am 08.01.2025.