Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.die Monstranz oder das Tabernakel, das Evangelienbuch und ein Kreuz zu Der Gottesdienst zerfällt in.drei Theile: Vorbereitungen 'durch Gebet und Eine Predigt kommt selten vor. Von der Vorlesung aus dem Evangelium Was Edwards über die Vvcalmusik in den russischen Kirchen sagt, bitten 54*
die Monstranz oder das Tabernakel, das Evangelienbuch und ein Kreuz zu Der Gottesdienst zerfällt in.drei Theile: Vorbereitungen 'durch Gebet und Eine Predigt kommt selten vor. Von der Vorlesung aus dem Evangelium Was Edwards über die Vvcalmusik in den russischen Kirchen sagt, bitten 54*
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die Monstranz oder das Tabernakel, das Evangelienbuch und ein Kreuz zu
sehen sind. Die Lichter, welche während der Messe brennen, sieben niemals
auf dem Altar, sondern auf hohen Leuchtern hinter demselben am Boden.
Der Gottesdienst zerfällt in.drei Theile: Vorbereitungen 'durch Gebet und
Vorlesen aus der Bibel, Wandlung des Brotes und Weines und Genuß des
Abendmahls nebst dem Schlußsiebet. Das Ganze ist ein prächtiges, malerisches
Schauspiel, bei dem nur die Priester und ihre Diakonen thätig sind und die
Gemeinde lediglich durch fleißiges Niederknien und Kreuzschlagen sowie durch
Betheiligung an der Kommunion einigermaßen mitwirkt. Die Vorlesung aus
der Bibel ist ein unverständliches Plappern, das überdies von dem vor der
Jkonostasis aufgestellten Sängerchor häufig mit den Worten „Goöpodi, Gvspodi,
Gospodi pvmilui!" (Herr, Herr, Herr, erbarme dich!) unterbrochen wird. Die
Wandlung wird immer bei herabgelassenen Vorhang der königlichen Pforte voll¬
zogen und durch einen von den Gängern, gewöhnlich sehr schön, gesungnen
Psalm eingeleitet, und während sie vor sich geht, fällt Alles im Schiff auf die
Knie, bekreuzt sich und kund den Boden, indeß draußen alle Glocken der Kirche
losbrechen. Das Abendmahl, mit etwas Wein getränktes Brot, das in einem
silbernen Löffel gereicht wird, wird von den Communicanten knieend und mit
über der Brust gekreuzten Armen genossen. Nach demselben folgen wieder
Gebete, dann nochmals Vorlesungen aus der Bibel, zuletzt der Segen, den der
vornehmste Priester auf die Gemeinde herabbittet: „Von Gott dem Vater, dem
Sohne und dein heiligen Geiste! Von Johannes dein Täufer, von Joseph und
Anna! Von der Gottesgebärerin! Von dem Heiligen des Tages! Von Sanct
Antonius. Von Michael und Nicolaus! Von allen übrigen wunderthätigen
Höhlenbewohnern!" Worauf die Sänger noch einen Psalm anstimmen und die
Gemeinde sich kreuzschlagend entfernt.
Eine Predigt kommt selten vor. Von der Vorlesung aus dem Evangelium
hat die Zuhörerschaft nicht das Mindeste, da die Worte zu schnell gelesen werden,
als daß man etwas davon verstehen könnte, von den übrigen Worten bei der Li¬
turgie nicht Viel mehr, da die Sprache derselben die altslavonische ist. Gemcinde-
gesang ist völlig unbekannt, Kirchenmusik mit Znstrumenten nicht orthodox, ja
es befindet sich in den russischen Gotteshäusern nicht einmal eine Orgel, und
als Kcuscr Nicolaus vor einigen Jahren die Absicht äußerte, eine solche in der
Himmelsahrtstathedralc im Kreml aufzustellen, scheiterte er am Widerstand der
Geistlichkeit. Der Metropolit Philarct, welcher für den gelehrtesten Prälaten
Ruhlands gilt und auch sonst in vieler Hinsicht Anspruch auf die Bezeichnung
eines Mannes von Bildung hat, protestirte mit aller Macht gegen die „un-
orlhodoxe Neuerung" und drohte sogar mit seinem Rücktritt vom Amte, falls
der Czar auf Ausführung seines Plans bestünde.
Was Edwards über die Vvcalmusik in den russischen Kirchen sagt, bitten
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