Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.demnach Herophilus und Erasistratus gehandelt, welche selbst' Vivisectionen Glaubt man nicht in diesen nichtigen Einwänden, welche die Bequemlich¬ Dennoch waren die Forderungen des Ast'lepiades nicht fruchtlos gewesen, und. demnach Herophilus und Erasistratus gehandelt, welche selbst' Vivisectionen Glaubt man nicht in diesen nichtigen Einwänden, welche die Bequemlich¬ Dennoch waren die Forderungen des Ast'lepiades nicht fruchtlos gewesen, und. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114203"/> <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356"> demnach Herophilus und Erasistratus gehandelt, welche selbst' Vivisectionen<lb/> anstellten, um die Lage, Farbe, Gestalt, Größe, Ordnung, Härte, Weichheit,<lb/> Glätte oder Rauhigkeit, Verschrumpfung, Verlängerung und Verkürzung ein¬<lb/> zelner Theile genauer zu untersuchen. Derjenige, welcher die Lage der Gin¬<lb/> geweide nicht genau kenne, könne bei einem Schmerze in inneren Theilen so<lb/> wenig wissen, was eigentlich schmerze, als derjenige eine Krankheit heilen könne,<lb/> der keine Kenntniß derselben habe. Ja selbst der Chirurg bedürfe der Kennt¬<lb/> niß der inneren Organe zur Heilung der Wunden, um etwa vorgefallene Theile<lb/> nicht mit anderen zu verwechseln. Solchen Anforderungen gegenüber erklärten<lb/> freilich die Empiriker die Untersuchung der verborgenen Sitze der Krankheuen<lb/> für überflüssig, weil die Natur unbegreiflich sei, wie sich am besten aus der<lb/> Uneinigkeit der bedeutendsten Aerzte ermessen lasse; warum solle man dem Hip-<lb/> pokrates mehr glauben als dem Herophilus. warum diesem mehr als dem As-<lb/> klepiades? Wolle man der Theorie folgen, so lasse sich eine jede Theorie wider¬<lb/> legen; frage man nach den Erfolgen, so hatten die Einen wie die Andern glück¬<lb/> liche Heilungen erzielt; und somit könne lediglich die Erfahrung, was nütze<lb/> oder schade, entscheiden; selbst bei unbekannten Krankheiten brauche man nicht<lb/> über die verborgenen Ursachen zu grübeln, sondern habe nur die Arzneien zu<lb/> versuchen, die in ähnlichen Krankheiten geholfen hätten. Die Anatomie nütze<lb/> der Therapie ja doch nichts; in der Leiche sei es nicht so wie im lebenden<lb/> Körper, und die nöthige Kenntniß vom Baue des Leibes könne man gelegent¬<lb/> lich bei Verwundeten und Todten bei Schlachten und Kämpfen sich erwerben.<lb/> Die Leichenuntersuchung, die dazu noch schmutzig und widrig sei, könne man<lb/> daher völlig entbehren und zur Erlernung der (dcscriptiven) Anatomie bedürfe<lb/> es nicht der Zerfleischung der Gestorbenen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1358"> Glaubt man nicht in diesen nichtigen Einwänden, welche die Bequemlich¬<lb/> keit stets gegen die wissenschaftliche Untersuchung vorbringen wird, die Reden<lb/> unsrer heutigen Erfahrungsheilkünstler, Homöopathen und Quacksalber wieder<lb/> zu erkennen? Heutzutage freilich gilt es nicht mehr die grobe Anatomie, die<lb/> man des Anstandes wegen schon gelten lassen muß, sondern man richtet die¬<lb/> selben Angriffe gegen die feinere histologische Untersuchung und erklärt diese<lb/> für die eigentliche Medicin, für die Praxis, für die Behandlung für gerade so<lb/> nutzlos, wie dies von den Empirikern vor 1800 Jahren mit der Anatomie über¬<lb/> haupt geschah; dennoch wurde die Auffassung der Empiriker bald die verbreite-<lb/> tere, und man erkannte in der Anatomie nicht viel mehr als eine nützliche<lb/> Hilfswissenschaft, von welcher man über die Krankheiten selbst sich keine Auf¬<lb/> schlüsse versprach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1359" next="#ID_1360"> Dennoch waren die Forderungen des Ast'lepiades nicht fruchtlos gewesen, und.<lb/> wenn wir auch von ihm selbst keine Schriften besitzen, welche den segensreichen Ein¬<lb/> fluß der pathologischen Anatomie aus die Diagnostik und Therapie zu beweisen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
demnach Herophilus und Erasistratus gehandelt, welche selbst' Vivisectionen
anstellten, um die Lage, Farbe, Gestalt, Größe, Ordnung, Härte, Weichheit,
Glätte oder Rauhigkeit, Verschrumpfung, Verlängerung und Verkürzung ein¬
zelner Theile genauer zu untersuchen. Derjenige, welcher die Lage der Gin¬
geweide nicht genau kenne, könne bei einem Schmerze in inneren Theilen so
wenig wissen, was eigentlich schmerze, als derjenige eine Krankheit heilen könne,
der keine Kenntniß derselben habe. Ja selbst der Chirurg bedürfe der Kennt¬
niß der inneren Organe zur Heilung der Wunden, um etwa vorgefallene Theile
nicht mit anderen zu verwechseln. Solchen Anforderungen gegenüber erklärten
freilich die Empiriker die Untersuchung der verborgenen Sitze der Krankheuen
für überflüssig, weil die Natur unbegreiflich sei, wie sich am besten aus der
Uneinigkeit der bedeutendsten Aerzte ermessen lasse; warum solle man dem Hip-
pokrates mehr glauben als dem Herophilus. warum diesem mehr als dem As-
klepiades? Wolle man der Theorie folgen, so lasse sich eine jede Theorie wider¬
legen; frage man nach den Erfolgen, so hatten die Einen wie die Andern glück¬
liche Heilungen erzielt; und somit könne lediglich die Erfahrung, was nütze
oder schade, entscheiden; selbst bei unbekannten Krankheiten brauche man nicht
über die verborgenen Ursachen zu grübeln, sondern habe nur die Arzneien zu
versuchen, die in ähnlichen Krankheiten geholfen hätten. Die Anatomie nütze
der Therapie ja doch nichts; in der Leiche sei es nicht so wie im lebenden
Körper, und die nöthige Kenntniß vom Baue des Leibes könne man gelegent¬
lich bei Verwundeten und Todten bei Schlachten und Kämpfen sich erwerben.
Die Leichenuntersuchung, die dazu noch schmutzig und widrig sei, könne man
daher völlig entbehren und zur Erlernung der (dcscriptiven) Anatomie bedürfe
es nicht der Zerfleischung der Gestorbenen.
Glaubt man nicht in diesen nichtigen Einwänden, welche die Bequemlich¬
keit stets gegen die wissenschaftliche Untersuchung vorbringen wird, die Reden
unsrer heutigen Erfahrungsheilkünstler, Homöopathen und Quacksalber wieder
zu erkennen? Heutzutage freilich gilt es nicht mehr die grobe Anatomie, die
man des Anstandes wegen schon gelten lassen muß, sondern man richtet die¬
selben Angriffe gegen die feinere histologische Untersuchung und erklärt diese
für die eigentliche Medicin, für die Praxis, für die Behandlung für gerade so
nutzlos, wie dies von den Empirikern vor 1800 Jahren mit der Anatomie über¬
haupt geschah; dennoch wurde die Auffassung der Empiriker bald die verbreite-
tere, und man erkannte in der Anatomie nicht viel mehr als eine nützliche
Hilfswissenschaft, von welcher man über die Krankheiten selbst sich keine Auf¬
schlüsse versprach.
Dennoch waren die Forderungen des Ast'lepiades nicht fruchtlos gewesen, und.
wenn wir auch von ihm selbst keine Schriften besitzen, welche den segensreichen Ein¬
fluß der pathologischen Anatomie aus die Diagnostik und Therapie zu beweisen
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