Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.wegen mit den Sehnen, den fasrigen Ansätzen der Muskeln an die Knochen- wegen mit den Sehnen, den fasrigen Ansätzen der Muskeln an die Knochen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114201"/> <p xml:id="ID_1354" prev="#ID_1353" next="#ID_1355"> wegen mit den Sehnen, den fasrigen Ansätzen der Muskeln an die Knochen-<lb/> Auch von den eigentlichen Eingeweiden hatten die Hippokratil'er nur unvoll-<lb/> kommne Begriffe. Erst mit der Gründung der Akademie (des Museums) zu<lb/> Alexandrien durch die Ptolemäer gelangte die Anatomie gegen den Anfang<lb/> des zweiten Jahrhunderts vor Christus zu ihrer eigentlichen Bedeutung. Hier<lb/> wurde zum ersten Male die Anatomie systematisch an menschlichen wichen be¬<lb/> trieben und gelehrt. Wie groß das Interesse für diese Wissenschaft war. geht<lb/> schon daraus hervor, daß die Ptolemäer selbst an den anatomischen Unter¬<lb/> suchungen Theil nahmen; ja der Eifer steigerte sich so weit, daß man sich nicht<lb/> scheute, verurtheilte Verbrecher noch lebend anatomisch zu untersuchen — eine<lb/> Verirrung. die nicht wenig dazu beigetragen hat, daß die anatomischen Studien<lb/> von den Lehrern des Christenthums als ein heidnischer Greuel verschrieen<lb/> wurden. Freilich soll schon der Maler Parrhasius einen Kriegsgefangenen als<lb/> Modell des vom Adler zerfleischten Prometheus benutzt haben, und Aehnliches<lb/> wird sogar von Michel Angelo in Bezug auf ein die Kreuzigung Christi dar¬<lb/> stellendes Gemälde erzählt, wogegen denn freilich der wissenschaftliche Eifer der<lb/> alexandrinischen Anatomen noch eher entschuldbar erscheint. Unter den letzteren<lb/> sind es vor Allen zwei berühmte Anatomen, welche sich unsterbliche Verdienste<lb/> erwarben: Herophilus und Erasistratus, berühmt durck die Entdeckung der<lb/> Bedeutung des Nervensystems, des Baues des Gehirns und Rückenmarks, des<lb/> Zusammenhangs der Blut- und Schlagadern, der Lymphgefäße und des Baues<lb/> 'des Auges. So groß indeß die Verdienste des Herophilus und Erasistratus<lb/> um die beschreibende Anatomie waren, so können wir aus den vorhandenen<lb/> Fragmenten, noch mehr aber aus der Einwirkung d'er alexandrinischen Schule auf<lb/> die Fortentwicklung der Medicin doch nur schließen, daß sie die Anatomie nur<lb/> gelegentlich auch in Bezug auf die krankhaften Veränderungen, welche sie an<lb/> den Organen zeigte, ausbeuteten oder die topographischen Kenntnisse in der<lb/> Chirurgie verwertheten. So wissen wir, daß Herophilus die Zurückhaltung<lb/> des verrenkten Oberschenkels besonders deshalb für schwierig hielt, weil bei der<lb/> Verrenkung das runde Band zerreiße. Er muß also solche Verrenkungen doch<lb/> anatomisch untersucht haben. Die hierüber hinausgehenden Behauptungen,<lb/> welche Celsus den Anhängern des Astlepiades zuschreibt, wurden von diesen<lb/> wohl mehr behufs ihrer eigenen Vertheidigung den Alexandrinern beigelegt, als<lb/> dies in Wahrheit geschehen konnte. Denn im Ganzen herrschte in Alexandrien<lb/> wie im gesammten Alterthume vorzugsweise die Hippokratische dynamistische<lb/> Lehre vor. Es war dem Einflüsse der Philosophie, die so vielfach die weitere<lb/> Entwicklung anderer Wissenschaften im Alterthume bestimmte, vorbehalten, eine<lb/> ganz entgegengesetzte Richtung, welche ungemein fruchtreich hätte werden können,<lb/> anzubahnen. Die uralte von Demokrit und Epikur weiter ausgebildete Ato¬<lb/> menlehre wurde von einem der scharfsinnigsten Aerzte des Alterthums, Asklepia-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0421]
wegen mit den Sehnen, den fasrigen Ansätzen der Muskeln an die Knochen-
Auch von den eigentlichen Eingeweiden hatten die Hippokratil'er nur unvoll-
kommne Begriffe. Erst mit der Gründung der Akademie (des Museums) zu
Alexandrien durch die Ptolemäer gelangte die Anatomie gegen den Anfang
des zweiten Jahrhunderts vor Christus zu ihrer eigentlichen Bedeutung. Hier
wurde zum ersten Male die Anatomie systematisch an menschlichen wichen be¬
trieben und gelehrt. Wie groß das Interesse für diese Wissenschaft war. geht
schon daraus hervor, daß die Ptolemäer selbst an den anatomischen Unter¬
suchungen Theil nahmen; ja der Eifer steigerte sich so weit, daß man sich nicht
scheute, verurtheilte Verbrecher noch lebend anatomisch zu untersuchen — eine
Verirrung. die nicht wenig dazu beigetragen hat, daß die anatomischen Studien
von den Lehrern des Christenthums als ein heidnischer Greuel verschrieen
wurden. Freilich soll schon der Maler Parrhasius einen Kriegsgefangenen als
Modell des vom Adler zerfleischten Prometheus benutzt haben, und Aehnliches
wird sogar von Michel Angelo in Bezug auf ein die Kreuzigung Christi dar¬
stellendes Gemälde erzählt, wogegen denn freilich der wissenschaftliche Eifer der
alexandrinischen Anatomen noch eher entschuldbar erscheint. Unter den letzteren
sind es vor Allen zwei berühmte Anatomen, welche sich unsterbliche Verdienste
erwarben: Herophilus und Erasistratus, berühmt durck die Entdeckung der
Bedeutung des Nervensystems, des Baues des Gehirns und Rückenmarks, des
Zusammenhangs der Blut- und Schlagadern, der Lymphgefäße und des Baues
'des Auges. So groß indeß die Verdienste des Herophilus und Erasistratus
um die beschreibende Anatomie waren, so können wir aus den vorhandenen
Fragmenten, noch mehr aber aus der Einwirkung d'er alexandrinischen Schule auf
die Fortentwicklung der Medicin doch nur schließen, daß sie die Anatomie nur
gelegentlich auch in Bezug auf die krankhaften Veränderungen, welche sie an
den Organen zeigte, ausbeuteten oder die topographischen Kenntnisse in der
Chirurgie verwertheten. So wissen wir, daß Herophilus die Zurückhaltung
des verrenkten Oberschenkels besonders deshalb für schwierig hielt, weil bei der
Verrenkung das runde Band zerreiße. Er muß also solche Verrenkungen doch
anatomisch untersucht haben. Die hierüber hinausgehenden Behauptungen,
welche Celsus den Anhängern des Astlepiades zuschreibt, wurden von diesen
wohl mehr behufs ihrer eigenen Vertheidigung den Alexandrinern beigelegt, als
dies in Wahrheit geschehen konnte. Denn im Ganzen herrschte in Alexandrien
wie im gesammten Alterthume vorzugsweise die Hippokratische dynamistische
Lehre vor. Es war dem Einflüsse der Philosophie, die so vielfach die weitere
Entwicklung anderer Wissenschaften im Alterthume bestimmte, vorbehalten, eine
ganz entgegengesetzte Richtung, welche ungemein fruchtreich hätte werden können,
anzubahnen. Die uralte von Demokrit und Epikur weiter ausgebildete Ato¬
menlehre wurde von einem der scharfsinnigsten Aerzte des Alterthums, Asklepia-
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