Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band."Wie pfiffig er's andreht/' denkt der Gouverneur, ist aber entschlossen, "Mit Vergnügen", erwidert Khlestakoff. Der Gouverneur gibt ihm ein Packet Banknoten, und als der junge Rei¬ Schließlich zieht Khlestakoff in das Haus des Gouverneurs, wo er von Nachdem alle Beamten dem "Herrn Revisor", ihren Tribut dargebracht, er¬ Dann kommt ein armes Weib herein, deren Mann unter die Soldaten Hier kann Khlestakoff nichts thun. Er kann Geschenke nehmen, aber kein 50"
„Wie pfiffig er's andreht/' denkt der Gouverneur, ist aber entschlossen, „Mit Vergnügen", erwidert Khlestakoff. Der Gouverneur gibt ihm ein Packet Banknoten, und als der junge Rei¬ Schließlich zieht Khlestakoff in das Haus des Gouverneurs, wo er von Nachdem alle Beamten dem „Herrn Revisor", ihren Tribut dargebracht, er¬ Dann kommt ein armes Weib herein, deren Mann unter die Soldaten Hier kann Khlestakoff nichts thun. Er kann Geschenke nehmen, aber kein 50"
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„Wie pfiffig er's andreht/' denkt der Gouverneur, ist aber entschlossen,
sich nicht fangen zu lassen. „Wenn Sie Geld brauchen", bemerkt er, „so ist
es meine Pflicht, Reisenden Gefälligkeiten zu erweisen. Erlauben Sie mir,
Ihnen zweihundert Rubel vorzustrecken."
„Mit Vergnügen", erwidert Khlestakoff.
Der Gouverneur gibt ihm ein Packet Banknoten, und als der junge Rei¬
sende eingewilligt hat, sie ohne sie gezählt zu haben, in die Tasche zu stecken,
sagt jener vergnügt für sich: „das habe ich wunderschön gemacht. Ich sehe,
daß wir uns verständigen werden. Statt zweihundert Rubel habe ich ihm
vierhundert gegeben."
Schließlich zieht Khlestakoff in das Haus des Gouverneurs, wo er von
jedem Beamten der Stadt Satire und nicht blos hellre, sondern mit Geschenken
überhäuft wird, mit denen man die Nachsicht des vermeintlichen Revisors er¬
kaufen will. Er verlobt sich sogar mit der Tochter des Gouverneurs, worüber
dieser vor Freuden fast den Verstand verliert und Visionen bekommt, in welchen
er General ist.
Nachdem alle Beamten dem „Herrn Revisor", ihren Tribut dargebracht, er¬
langen die Kaufleute der Stadt eine Audienz. Sie bringen Hüte Zucker und
Flaschen mit Branntwein, um sich damit die Gunst „Seiner durchlauchtigsten
Hoheit des Herrn Finanzministers", wie sie ihn tituliren, zu erkaufen. Der
eine klagt, daß der Gouverneur ihm nicht blos Kleider für sich und seine ganze
Familie abnöthigt, sondern auch noch ganze Stücke Tuch von fünfundzwanzig
Ellen und mehr mit in den Kauf nimmt. Ein anderer bezeugt seine Betrüb¬
niß darüber, daß er, wenn er nicht Geschenke gibt, mit Einquartierung von-
einem ganzen Regiment bedroht wird. „Ich kann dich nicht prügeln", sagt
ihm der Gouverneur, „weil das Gesetz dies nicht erlaubt, aber ich werde dich
in meiner Weise schon darankriegen." Es ist nicht das mindeste Pathetische
in dem Kummer dieser Opfer des Beamtenthums. Sie find durch die ewige
Plackerei und durch das Beispiel ihrer Vorgesetzten so heruntergebracht, daß sie
zu dieser Klage über die Ortsbeamten vor dem Beamten aus der Hauptstadt
erscheinend sich mit der Stirn auf den Boden werfen und ihn mit Geschenken
zu bestechen suchen, damit er ihren Quäler bestrafe.
Dann kommt ein armes Weib herein, deren Mann unter die Soldaten
gesteckt worden ist. „Es war gegen die Gesetze; denn sie dürfen keine ver-
heiratheten Leute nehmen", klagt sie, „und außerdem war der Sohn des
Schneiders an der Reihe, aber seine Mutter gab ihnen ein Stück Geld. Dann
war noch Einer daran, aber seine Mutter brachte der Frau des Gouverneurs
drei Ballen Leinwand, und so fielen sie denn zuletzt auf meinen armen Mann."
Hier kann Khlestakoff nichts thun. Er kann Geschenke nehmen, aber kein
Unrecht wieder gut machen. Dann stellen sich andere Kläger und Bittsteller
50"
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