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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Hunde bedeuten? Wenn eins einen Pelzmantel fünfhundert Rubel werth, oder
einen Kaschmirs!)ciwl für seine Frau annimmt, so ist's was Anderes."

"So, was Anderes?" antwortet der Gouverneur ärgerlich. "Wohl denn,
soll ich Ihnen sagen, weshalb Sie sich Hunde schenken lassen? 's ist, weil Si"
nicht an Gott glauben. Was ich auch sein mag, so habe ich doch meine Re¬
ligion; aber Sie -- wenn Sie von der Formation der Welt reden, so stehn
mir die Haare zu Berge."

Für das Ortsgymnasium ist ebenso wohl gesorgt wie für das Hospital
und die Gerichtsstube, die Straßen sind in Unordnung, die Gassen nicht ge¬
pflastert. Die Ladeninhaber sind jahrelang schon genöthigt, dem Gouverneur
an seinen Geburtstagen -- er ist so glücklich, deren jährlich zwei zu haben -- un¬
erhörte Geschenke zu machen, und neulich ist eine Soldatenfrau, die als eine
Freie summarischer körperlicher Abstrafung nicht unterworfen ist, durchgepeitscht
worden. Die Beamten zittern, zanken sich und werfen sich gegenseitig ihre
Sünden vor: "Sie nehmen so viel, ich nur so viel: Sie stehlen zu viel
für Ihren Posten", und so geht's fort, bis plötzlich die Nachricht herein¬
kommt, im Gasthofe sei ein Herr, der Niemand bezahle.

"Dann muß es ein Regierungsbeamter von hohem Rang sein", ist die
allgemeine Ueberzeugung, und sofort geht eine Deputation nach dem Wirths¬
haus, wo Khlestakoff und sein Diener abgestiegen sind.

Khlestakoff nimmt, als der Gouverneur der Stadt angemeldet wird, an,
daß er ihn wegen Beschwindelung des Gastwirths ins Gefängniß stecken will,
und nun kommt es zu einer höchst komischen Scene. Khlestakoff beginnt mit
einer Anklage des Wirths. Er hat ihm ein schlechtes Zimmer, schändlichen
Thee, verabscheuenswerthe Mahlzeiten gegeben. Der Gouverneur beklagt das
tief und spricht die Meinung aus, dann werde,ein Wechsel der Wohnung abhelfen.

"Ich verstehe", sagt Khlestakoff entrüstet, "Sie wollen mich ins Gefäng¬
niß bringen. Wissen Sie, Herr, wer ich bin? Wissen Sie, daß Sie einen
kaiserlichen Beamten vor sich haben?"

"Er ist entschlossen, seine Pflicht zu thun", überlegt sich der Gouverneur,
"weil er fürchtet, irgend eine Vernachlässigung aus seiner Seite werde mit
Gefängniß bestraft werden. Aber wie wüthend er ist. Es muß ihm eins hin-
terbracht haben, daß ich die Soldatenfrau aufpeitschen ließ und daß ich mich
bestechen lasse." Und darauf setzt er jenem auseinander, daß die Geschichte
mit der Soldatenfrau eine Lüge ist, und daß er, was die Geschenke angeht,
niemals welche von großem Werth genommen hat und daß übrigens sein Ge¬
halt nicht im Einklang mit seinen Ausgaben steht. Der darüber -sehr erstaunte
Khlestakoff versichert dem Gouverneur, daß er nicht die Absicht hat, sich in
seine Privatangelegenheiten zu mengen, und daß er in der Stadt -nur verweilt,
um Geld von daheim zu erwarten.


Hunde bedeuten? Wenn eins einen Pelzmantel fünfhundert Rubel werth, oder
einen Kaschmirs!)ciwl für seine Frau annimmt, so ist's was Anderes."

„So, was Anderes?" antwortet der Gouverneur ärgerlich. „Wohl denn,
soll ich Ihnen sagen, weshalb Sie sich Hunde schenken lassen? 's ist, weil Si«
nicht an Gott glauben. Was ich auch sein mag, so habe ich doch meine Re¬
ligion; aber Sie — wenn Sie von der Formation der Welt reden, so stehn
mir die Haare zu Berge."

Für das Ortsgymnasium ist ebenso wohl gesorgt wie für das Hospital
und die Gerichtsstube, die Straßen sind in Unordnung, die Gassen nicht ge¬
pflastert. Die Ladeninhaber sind jahrelang schon genöthigt, dem Gouverneur
an seinen Geburtstagen — er ist so glücklich, deren jährlich zwei zu haben — un¬
erhörte Geschenke zu machen, und neulich ist eine Soldatenfrau, die als eine
Freie summarischer körperlicher Abstrafung nicht unterworfen ist, durchgepeitscht
worden. Die Beamten zittern, zanken sich und werfen sich gegenseitig ihre
Sünden vor: „Sie nehmen so viel, ich nur so viel: Sie stehlen zu viel
für Ihren Posten", und so geht's fort, bis plötzlich die Nachricht herein¬
kommt, im Gasthofe sei ein Herr, der Niemand bezahle.

„Dann muß es ein Regierungsbeamter von hohem Rang sein", ist die
allgemeine Ueberzeugung, und sofort geht eine Deputation nach dem Wirths¬
haus, wo Khlestakoff und sein Diener abgestiegen sind.

Khlestakoff nimmt, als der Gouverneur der Stadt angemeldet wird, an,
daß er ihn wegen Beschwindelung des Gastwirths ins Gefängniß stecken will,
und nun kommt es zu einer höchst komischen Scene. Khlestakoff beginnt mit
einer Anklage des Wirths. Er hat ihm ein schlechtes Zimmer, schändlichen
Thee, verabscheuenswerthe Mahlzeiten gegeben. Der Gouverneur beklagt das
tief und spricht die Meinung aus, dann werde,ein Wechsel der Wohnung abhelfen.

„Ich verstehe", sagt Khlestakoff entrüstet, „Sie wollen mich ins Gefäng¬
niß bringen. Wissen Sie, Herr, wer ich bin? Wissen Sie, daß Sie einen
kaiserlichen Beamten vor sich haben?"

„Er ist entschlossen, seine Pflicht zu thun", überlegt sich der Gouverneur,
„weil er fürchtet, irgend eine Vernachlässigung aus seiner Seite werde mit
Gefängniß bestraft werden. Aber wie wüthend er ist. Es muß ihm eins hin-
terbracht haben, daß ich die Soldatenfrau aufpeitschen ließ und daß ich mich
bestechen lasse." Und darauf setzt er jenem auseinander, daß die Geschichte
mit der Soldatenfrau eine Lüge ist, und daß er, was die Geschenke angeht,
niemals welche von großem Werth genommen hat und daß übrigens sein Ge¬
halt nicht im Einklang mit seinen Ausgaben steht. Der darüber -sehr erstaunte
Khlestakoff versichert dem Gouverneur, daß er nicht die Absicht hat, sich in
seine Privatangelegenheiten zu mengen, und daß er in der Stadt -nur verweilt,
um Geld von daheim zu erwarten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/402>, abgerufen am 08.01.2025.