Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.ferm, sittlichen Elemente, der Volkserziehung, und fordert damit, was in anderer ferm, sittlichen Elemente, der Volkserziehung, und fordert damit, was in anderer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114171"/> <p xml:id="ID_1246" prev="#ID_1245" next="#ID_1247"> ferm, sittlichen Elemente, der Volkserziehung, und fordert damit, was in anderer<lb/> Weise E. M- Arndt perlangte, als er der „übergeistigen" Zeit eine Kräftigung<lb/> des Charakters gebot. Ein neues Geschlecht soll erzogen werden fern von der<lb/> Gemeinheit der Epoche, entrissen dem verderbten Familienleben, erstarkend zu<lb/> völliger Verleugnung der Selbstsucht durch eine Bildung, die nicht ein Besitz-<lb/> thum, sondern ein Bestandtheil der Personen selber sei. In Pestalozzi's Erzie¬<lb/> hungsplanen meint Fichte dqs Geheimniß dieser Wiedergeburt gefunden. Zu<lb/> solchem Zwecke redet er „für Deutsche schlechtweg, von Deutschen schlechtweg,<lb/> nicht anerkennend, sondern durchaus bei Seite setzend und wegwerfend alle die<lb/> trennenden Unterscheidungen, welche unselige Ereignisse seit Jahrhunderten in<lb/> der Einen Nation gemacht haben." „Bedenket ^ beschwört er die Hörer —<lb/> daß Ihr die letzten seid, in deren Gewalt diese große Veränderung steht. Ihr<lb/> habt doch noch die Deutschen als Eines nennen hören, Ihr habt em sichtbares<lb/> Zeichen ihrer Einheit, ein Reich und einen Neichsverband, gesehen oder davon<lb/> vernommen, unter Euch haben noch von Zeit zu Zeit Stimmen sich hören lassen,<lb/> die von dieser höheren Vaterlandsliebe begeistert waren. Was nach Euch kommt,<lb/> Wird sich an andere Vorstellungen gewöhnen, es wird fremde Formen und einen<lb/> andern Geschäfts- und Lebensgang annehmen, und wie lange wird es noch<lb/> dauern, daß Keiner mehr lebe, der Deutsche gesehen oder von ihnen gehört<lb/> habe?" — Auch den letzten kümmerlichen TM raubt er den Verzagten, die<lb/> Hoffnung, daß unser Volk in seiner Sprache und Kunst fortdauern werde. Da<lb/> spricht er das furchtbare Wort „ein Volt, das sich nicht selbst mehr regieren<lb/> kann, ist schuldig seine Sprache aufzugeben." So geschieht ihm was er selber<lb/> deutschen Denkern nachrühmt, daß sie, ernstlich suchend, mehr finden als sie su¬<lb/> chen, weil der Strom des Lebens sie mit fortreißt. In diesem radicalen Sahe<lb/> schlummert der Keim der Wahrheit, welche erst die Gegenwart verstanden hat.<lb/> daß ein Pole ohne Staat nicht existirt. Gleicherweise ist in einer an¬<lb/> deren Stelle dieser Reden die geistigere Auffassung der Unsterblichkeit, die den<lb/> modernen Menschen begeistert, vprgeahnl und vorgebildet — in dein schönen<lb/> Satze: „die Ewigkeit kommt der neuen Zeit mitten in ihre Gegenwart hinein."<lb/> — „Es ist daher kein Ausweg, schließen die Reden — wenn Ihr versinkt, so<lb/> versinkt die ganze Menschheit mit ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung."<lb/> Wir Nachgeborenen haben den bewegenden Klang jener Stimme nicht ge¬<lb/> hört, welche die andachtsvollen Hörer zu Berlin ergriff, aber noch vor den todten,<lb/> Lettern zittert uns das Herz, wenn der strenge Züchtiger unseres Volkes „Freude<lb/> verkündigt in die tiefe Trauer" und an die mißhandelten Deutschen den stolzen<lb/> Ruf ertönen läßt: „Charakter haben und deutsch sein ist ohne Zweifel gleichbe¬<lb/> deutend." — Sie fragen, welchen Widerhall diese Reden in der Welt erweckten?<lb/> Achselzuckend ließ der Franzose den thörichten Ideologen gewähren, gleichgiltig<lb/> erzählte der Moniteur von einigen Vorlesungen über Erziehung, die in Berlin</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391]
ferm, sittlichen Elemente, der Volkserziehung, und fordert damit, was in anderer
Weise E. M- Arndt perlangte, als er der „übergeistigen" Zeit eine Kräftigung
des Charakters gebot. Ein neues Geschlecht soll erzogen werden fern von der
Gemeinheit der Epoche, entrissen dem verderbten Familienleben, erstarkend zu
völliger Verleugnung der Selbstsucht durch eine Bildung, die nicht ein Besitz-
thum, sondern ein Bestandtheil der Personen selber sei. In Pestalozzi's Erzie¬
hungsplanen meint Fichte dqs Geheimniß dieser Wiedergeburt gefunden. Zu
solchem Zwecke redet er „für Deutsche schlechtweg, von Deutschen schlechtweg,
nicht anerkennend, sondern durchaus bei Seite setzend und wegwerfend alle die
trennenden Unterscheidungen, welche unselige Ereignisse seit Jahrhunderten in
der Einen Nation gemacht haben." „Bedenket ^ beschwört er die Hörer —
daß Ihr die letzten seid, in deren Gewalt diese große Veränderung steht. Ihr
habt doch noch die Deutschen als Eines nennen hören, Ihr habt em sichtbares
Zeichen ihrer Einheit, ein Reich und einen Neichsverband, gesehen oder davon
vernommen, unter Euch haben noch von Zeit zu Zeit Stimmen sich hören lassen,
die von dieser höheren Vaterlandsliebe begeistert waren. Was nach Euch kommt,
Wird sich an andere Vorstellungen gewöhnen, es wird fremde Formen und einen
andern Geschäfts- und Lebensgang annehmen, und wie lange wird es noch
dauern, daß Keiner mehr lebe, der Deutsche gesehen oder von ihnen gehört
habe?" — Auch den letzten kümmerlichen TM raubt er den Verzagten, die
Hoffnung, daß unser Volk in seiner Sprache und Kunst fortdauern werde. Da
spricht er das furchtbare Wort „ein Volt, das sich nicht selbst mehr regieren
kann, ist schuldig seine Sprache aufzugeben." So geschieht ihm was er selber
deutschen Denkern nachrühmt, daß sie, ernstlich suchend, mehr finden als sie su¬
chen, weil der Strom des Lebens sie mit fortreißt. In diesem radicalen Sahe
schlummert der Keim der Wahrheit, welche erst die Gegenwart verstanden hat.
daß ein Pole ohne Staat nicht existirt. Gleicherweise ist in einer an¬
deren Stelle dieser Reden die geistigere Auffassung der Unsterblichkeit, die den
modernen Menschen begeistert, vprgeahnl und vorgebildet — in dein schönen
Satze: „die Ewigkeit kommt der neuen Zeit mitten in ihre Gegenwart hinein."
— „Es ist daher kein Ausweg, schließen die Reden — wenn Ihr versinkt, so
versinkt die ganze Menschheit mit ohne Hoffnung einer einstigen Wiederherstellung."
Wir Nachgeborenen haben den bewegenden Klang jener Stimme nicht ge¬
hört, welche die andachtsvollen Hörer zu Berlin ergriff, aber noch vor den todten,
Lettern zittert uns das Herz, wenn der strenge Züchtiger unseres Volkes „Freude
verkündigt in die tiefe Trauer" und an die mißhandelten Deutschen den stolzen
Ruf ertönen läßt: „Charakter haben und deutsch sein ist ohne Zweifel gleichbe¬
deutend." — Sie fragen, welchen Widerhall diese Reden in der Welt erweckten?
Achselzuckend ließ der Franzose den thörichten Ideologen gewähren, gleichgiltig
erzählte der Moniteur von einigen Vorlesungen über Erziehung, die in Berlin
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