Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.sind das edelste seiner Werke geworden, denn hier war ihm vergönnt, unmittel¬ sind das edelste seiner Werke geworden, denn hier war ihm vergönnt, unmittel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114170"/> <p xml:id="ID_1245" prev="#ID_1244" next="#ID_1246"> sind das edelste seiner Werke geworden, denn hier war ihm vergönnt, unmittel¬<lb/> bar zu wirken auf das eigentlichste Object des Redners, den Willen der Hörer;<lb/> ihnen eigen ist im vollen Maße jener Vorzug, den Schiller mit Recht als das<lb/> Unterpfand der Unsterblichkeit menschlicher Geisteswerke pries, doch mit Unrecht<lb/> den Schriften Fichte's absprach, daß in ihnen ein Mensch, ein einziger und un¬<lb/> schätzbarer, sei» innerstes Wesen abgebildet habe. Dock auch der Stadt sollen<lb/> wir gedenken, die, wie eine Sandbank in dem Meere der Fremdherrschaft, dem<lb/> kühnen Redner eine letzte Freistatt bot; die hocherregte Zeit und die hingebend<lb/> andächtigen Männer und Frauen sollen wir preisen, welche des Redners schwe¬<lb/> rem Tiefsinn folgten, den selbst der Leser heute nur mit Anstrengung versieht.<lb/> Riesenschritte — hebt Fichte an — ist die Zeit mit uns gegangen; durch ihr Ueber¬<lb/> maß hat ihre Selbstsucht sich selbst vernichtet. Doch aus der Vernichtung sel¬<lb/> ber erwächst uns die Pflicht und die Sicherheit der Erhebung. Damit die<lb/> Bildung der Menschheit erhalten werde, muß diese Nation sich retten, die das<lb/> UrVolk unter den Menschen ist durch die Ursprünglichkeit ihres Charakters, ihrer<lb/> Sprache. Unterdrücken wir strenge das wohlweise Lächeln des Besserwissens.<lb/> Denn fürwahr ohne solche Ueberhebung hätte unser Volk den Muth der Er¬<lb/> hebung nie gefunden wider die ungeheure Uebermacht. Freuen wir uns viel¬<lb/> mehr an d^r feinen Menschenkenntnis? des Mannes, der sich gerechtfertigt hat<lb/> mit dem guten Worte „ein Volk kann den Hochmuth gar nicht lassen, außer¬<lb/> dem bleibt die Einheit des Begriffs in ihm gar nicht rege." — Diesem Ur¬<lb/> Volke hält der Redner den Spiegel seiner Thaten vor. Er weist unter den Wer¬<lb/> ken des Geistes aus die Größe von Luther und Kant, unter den Werken des<lb/> Staates — er, der in Preußen wirkte, und Preußen liebte — auf die alte<lb/> Macht der Hansa und preist also die streitbaren, die moderneren Kräfte uns¬<lb/> res Volksthums — im scharfen und bezeichnenden Gegensatze zu Fr. Schle¬<lb/> gel, der in Wien zu ähnlichem Zwecke an die romantische Herrlichkeit der<lb/> Kaiserzeit erinnerte. — In diesem hochbegnadeten Volke soll erweckt werden<lb/> „der Geist der höheren Vaterlandsliebe, der die Nation als die Hülle des Ewigen<lb/> umfaßt, für welche der Edle mit Freuden sich opfert und der Unedle, der nur<lb/> um des Ersteren willen da ist, sich eben opfern soll." Und weiter — nach<lb/> einem wundervollen Rückblick auf die Fürsten der Reformation, die das Banner<lb/> des Aufstands erhoben nicht um ihrer Seligkeit willen, deren sie versichert<lb/> waren, sondern um ihrer ungeborenen Enkel willen — „die Verheißung eines<lb/> Lebens auch hienieden, über die Dauer des Lebens hinaus, allein diese ist es,<lb/> die bis zum Tode fürs Vaterland begeistern kann." Nicht Siegen oder Sterben<lb/> soll unsere Losung sein, da der Tod uns Allen gemein und der Krieger ihn<lb/> nicht wollen darf, sondern: Siegen schlechtweg. Solchen Geist zu erwecken ver¬<lb/> weist Fichte auf das letzte Rettungsmittel, die Bildung der Nation „zu einem<lb/> durchaus neuen Selbst" — und bereichert so seinen Rechtsstaat mit einem tie-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
sind das edelste seiner Werke geworden, denn hier war ihm vergönnt, unmittel¬
bar zu wirken auf das eigentlichste Object des Redners, den Willen der Hörer;
ihnen eigen ist im vollen Maße jener Vorzug, den Schiller mit Recht als das
Unterpfand der Unsterblichkeit menschlicher Geisteswerke pries, doch mit Unrecht
den Schriften Fichte's absprach, daß in ihnen ein Mensch, ein einziger und un¬
schätzbarer, sei» innerstes Wesen abgebildet habe. Dock auch der Stadt sollen
wir gedenken, die, wie eine Sandbank in dem Meere der Fremdherrschaft, dem
kühnen Redner eine letzte Freistatt bot; die hocherregte Zeit und die hingebend
andächtigen Männer und Frauen sollen wir preisen, welche des Redners schwe¬
rem Tiefsinn folgten, den selbst der Leser heute nur mit Anstrengung versieht.
Riesenschritte — hebt Fichte an — ist die Zeit mit uns gegangen; durch ihr Ueber¬
maß hat ihre Selbstsucht sich selbst vernichtet. Doch aus der Vernichtung sel¬
ber erwächst uns die Pflicht und die Sicherheit der Erhebung. Damit die
Bildung der Menschheit erhalten werde, muß diese Nation sich retten, die das
UrVolk unter den Menschen ist durch die Ursprünglichkeit ihres Charakters, ihrer
Sprache. Unterdrücken wir strenge das wohlweise Lächeln des Besserwissens.
Denn fürwahr ohne solche Ueberhebung hätte unser Volk den Muth der Er¬
hebung nie gefunden wider die ungeheure Uebermacht. Freuen wir uns viel¬
mehr an d^r feinen Menschenkenntnis? des Mannes, der sich gerechtfertigt hat
mit dem guten Worte „ein Volk kann den Hochmuth gar nicht lassen, außer¬
dem bleibt die Einheit des Begriffs in ihm gar nicht rege." — Diesem Ur¬
Volke hält der Redner den Spiegel seiner Thaten vor. Er weist unter den Wer¬
ken des Geistes aus die Größe von Luther und Kant, unter den Werken des
Staates — er, der in Preußen wirkte, und Preußen liebte — auf die alte
Macht der Hansa und preist also die streitbaren, die moderneren Kräfte uns¬
res Volksthums — im scharfen und bezeichnenden Gegensatze zu Fr. Schle¬
gel, der in Wien zu ähnlichem Zwecke an die romantische Herrlichkeit der
Kaiserzeit erinnerte. — In diesem hochbegnadeten Volke soll erweckt werden
„der Geist der höheren Vaterlandsliebe, der die Nation als die Hülle des Ewigen
umfaßt, für welche der Edle mit Freuden sich opfert und der Unedle, der nur
um des Ersteren willen da ist, sich eben opfern soll." Und weiter — nach
einem wundervollen Rückblick auf die Fürsten der Reformation, die das Banner
des Aufstands erhoben nicht um ihrer Seligkeit willen, deren sie versichert
waren, sondern um ihrer ungeborenen Enkel willen — „die Verheißung eines
Lebens auch hienieden, über die Dauer des Lebens hinaus, allein diese ist es,
die bis zum Tode fürs Vaterland begeistern kann." Nicht Siegen oder Sterben
soll unsere Losung sein, da der Tod uns Allen gemein und der Krieger ihn
nicht wollen darf, sondern: Siegen schlechtweg. Solchen Geist zu erwecken ver¬
weist Fichte auf das letzte Rettungsmittel, die Bildung der Nation „zu einem
durchaus neuen Selbst" — und bereichert so seinen Rechtsstaat mit einem tie-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |