Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.ter, Lobreden ihn rasch die Nichtigkeit der literarischen Handwerker durch¬ So steht sein Charakter vollendet, voll hohen Strebens nach der Weise ter, Lobreden ihn rasch die Nichtigkeit der literarischen Handwerker durch¬ So steht sein Charakter vollendet, voll hohen Strebens nach der Weise <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114164"/> <p xml:id="ID_1232" prev="#ID_1231"> ter, Lobreden ihn rasch die Nichtigkeit der literarischen Handwerker durch¬<lb/> schauen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1233" next="#ID_1234"> So steht sein Charakter vollendet, voll hohen Strebens nach der Weise<lb/> jener an den Helden des Plutarch gebildeten Tage, mannhaft, fast männisch,<lb/> des Willens, die ganze Welt unter die Herrschaft des Sittengesetzes zu bringen,<lb/> folgerichtig im Kleinsten wie im Größten, gänzlich frei von Schwächen, jenen<lb/> kleinen Widersprüchen wider die bessere Erkenntniß — und eben darum zu<lb/> einem tragischen Geschicke bestimmt, zu einer Schuld, die mit seinem Wesen<lb/> zusammenfiel, die er selber unwissend bekennt, indem er sich also vertheidigt:<lb/> „Man paßt bei einer solchen Denkart schlecht in die Welt, macht sich allent¬<lb/> halben Verdruß. Ihr Verächtlicher! Warum sorgt Ihr mehr dafür, daß Ihr<lb/> Euch den Andern anpaßt, als diese Euch und sie für Euch zurechtlegt?" —<lb/> Andre für sich zurechtlegen — das ist die herrische Sünde der idealistischen<lb/> Kühnheit. Als in der Noth des Krieges von 1L0ö sein Weib, einsam zurück¬<lb/> geblieben in dein vom Feinde besetzten Berlin, voll schwerer Sorge um den<lb/> fernen Gatten, in Krankheit fällt, da schreibt ihr der gewaltige Mann: „ich<lb/> hoffte, daß Du unsre kurze Trennung, gerade um der bedeutenden Geschäfte<lb/> willen, die Dir auf das Herz gelegt waren, ertragen würdest. Ich habe diesen<lb/> Gedanken bei meiner Abreise Dir empfohlen und habe ihn in Briefen wieder<lb/> eingeschärft. Starke Seelen, und Du bist keine schwache, macht so etwas<lb/> stärker — und doch!" So hart kann er reden zu ihr, die ihm die Liebste ist;<lb/> denn er glaubt an die Allmacht der Wahrheit, ihm ist kein Zweifel, wo die<lb/> rechte Erkenntniß sei, da könne das rechte Handeln, ja das rechte Schicksal nicht<lb/> fehlen, und jeden Einwand menschlicher Gebrechlichkeit weist er schroff zurück.<lb/> Darum keine Spur von Humor, von liebenswürdigem Leichtsinn, Nichts von<lb/> Anmuth und Nachgiebigkeit in ihm, der das derbe Wort gesprochen: „eine<lb/> Liebenswürdigkeitslehre ist vom Teufel." Nichts von jener Sehnsucht nach der<lb/> schönheitssatten Welt des Südens, die Deutschlands reiche Geister in jenen Tagen<lb/> beherrschte. Entfremdet der Natur, die ihm nur bestand, um unterjocht zu wer¬<lb/> den von dem Geiste, unfähig, ungeneigt sich liebevoll zu versenken in eine<lb/> fremde Seele, ist Fichte ein unästhetischer Held geblieben, wie groß er auch<lb/> dachte von der Kunst, die der Natur den majestätischen Stempel der Idee aufdrückt."<lb/> Selbst jene hohe Leidenschaft, die dem strengsten aller Dichter, Milton, nur<lb/> als die letzte Schwäche edlerer Naturen erscheint, der Durst nach Ruhm wird<lb/> scharf und schonungslos als eine „verächtliche Eitelkeit" verworfen von dieser<lb/> selbstlosen Tugend, welche leben will „aus dem erkannten rein Geistigen her¬<lb/> aus." In Augenblicken des Zweifels — als gälte es Schillers witziges Epi¬<lb/> gramm zu bewähren — prüft der gestrenge Mann, aus welcher Seite seine<lb/> Steigung stehe, um dann mit freudiger Sicherheit des anderen Weges zu gehen.<lb/> — Ein Eloge zu halten ist nicht deutsche Weise, und in Fichte's Geiste am</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
ter, Lobreden ihn rasch die Nichtigkeit der literarischen Handwerker durch¬
schauen läßt.
So steht sein Charakter vollendet, voll hohen Strebens nach der Weise
jener an den Helden des Plutarch gebildeten Tage, mannhaft, fast männisch,
des Willens, die ganze Welt unter die Herrschaft des Sittengesetzes zu bringen,
folgerichtig im Kleinsten wie im Größten, gänzlich frei von Schwächen, jenen
kleinen Widersprüchen wider die bessere Erkenntniß — und eben darum zu
einem tragischen Geschicke bestimmt, zu einer Schuld, die mit seinem Wesen
zusammenfiel, die er selber unwissend bekennt, indem er sich also vertheidigt:
„Man paßt bei einer solchen Denkart schlecht in die Welt, macht sich allent¬
halben Verdruß. Ihr Verächtlicher! Warum sorgt Ihr mehr dafür, daß Ihr
Euch den Andern anpaßt, als diese Euch und sie für Euch zurechtlegt?" —
Andre für sich zurechtlegen — das ist die herrische Sünde der idealistischen
Kühnheit. Als in der Noth des Krieges von 1L0ö sein Weib, einsam zurück¬
geblieben in dein vom Feinde besetzten Berlin, voll schwerer Sorge um den
fernen Gatten, in Krankheit fällt, da schreibt ihr der gewaltige Mann: „ich
hoffte, daß Du unsre kurze Trennung, gerade um der bedeutenden Geschäfte
willen, die Dir auf das Herz gelegt waren, ertragen würdest. Ich habe diesen
Gedanken bei meiner Abreise Dir empfohlen und habe ihn in Briefen wieder
eingeschärft. Starke Seelen, und Du bist keine schwache, macht so etwas
stärker — und doch!" So hart kann er reden zu ihr, die ihm die Liebste ist;
denn er glaubt an die Allmacht der Wahrheit, ihm ist kein Zweifel, wo die
rechte Erkenntniß sei, da könne das rechte Handeln, ja das rechte Schicksal nicht
fehlen, und jeden Einwand menschlicher Gebrechlichkeit weist er schroff zurück.
Darum keine Spur von Humor, von liebenswürdigem Leichtsinn, Nichts von
Anmuth und Nachgiebigkeit in ihm, der das derbe Wort gesprochen: „eine
Liebenswürdigkeitslehre ist vom Teufel." Nichts von jener Sehnsucht nach der
schönheitssatten Welt des Südens, die Deutschlands reiche Geister in jenen Tagen
beherrschte. Entfremdet der Natur, die ihm nur bestand, um unterjocht zu wer¬
den von dem Geiste, unfähig, ungeneigt sich liebevoll zu versenken in eine
fremde Seele, ist Fichte ein unästhetischer Held geblieben, wie groß er auch
dachte von der Kunst, die der Natur den majestätischen Stempel der Idee aufdrückt."
Selbst jene hohe Leidenschaft, die dem strengsten aller Dichter, Milton, nur
als die letzte Schwäche edlerer Naturen erscheint, der Durst nach Ruhm wird
scharf und schonungslos als eine „verächtliche Eitelkeit" verworfen von dieser
selbstlosen Tugend, welche leben will „aus dem erkannten rein Geistigen her¬
aus." In Augenblicken des Zweifels — als gälte es Schillers witziges Epi¬
gramm zu bewähren — prüft der gestrenge Mann, aus welcher Seite seine
Steigung stehe, um dann mit freudiger Sicherheit des anderen Weges zu gehen.
— Ein Eloge zu halten ist nicht deutsche Weise, und in Fichte's Geiste am
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