Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Fülle von.Vortheilen, Anregungen und Schauspielen, welche das kaiserliche Rom Nichts war in Rom umsonst, namentlich wenn man in Anschlag bringt, In Rom war unaufhörlich Lärm und Getümmel. Schon Horaz klagte Fülle von.Vortheilen, Anregungen und Schauspielen, welche das kaiserliche Rom Nichts war in Rom umsonst, namentlich wenn man in Anschlag bringt, In Rom war unaufhörlich Lärm und Getümmel. Schon Horaz klagte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114156"/> <p xml:id="ID_1210" prev="#ID_1209"> Fülle von.Vortheilen, Anregungen und Schauspielen, welche das kaiserliche Rom<lb/> bot, befanden sich die höchsten und niedrigsten Schichten der Bevölkerung am<lb/> wohlsten. Die ungeheure Mehrzahl der freien Bewohner wurde auf Staats¬<lb/> kosten ganz oder theilweise ernährt, die Großen fanden hier Raum und Mittel<lb/> zu einer fürstlichen Existenz wie sonst nirgends. Den Schattenseiten des Le¬<lb/> bens in Rom waren am meisten die Mittelklassen ausgesetzt. Dazu gehörte die<lb/> Höhe der Preise für alle Lebensbedürfnisse im Vergleich zu der Wohlfeilheit in<lb/> den Municipien Italiens und den Provinzen. Schon zu Cäsars Zeit scheint<lb/> der Preis der Wohnungsmiethen in Rom durchschnittlich viermal so hoch ge¬<lb/> wesen zu sein als in den Städten des übrigen Italiens, und diese Preise stei¬<lb/> gerten sich später ohne Zweifel noch beträchtlich, wenn auch sehr übertrieben<lb/> sein mag, was Juvenal in dieser Beziehung sagt, nach dem man in Sora Fa-<lb/> bratcria oder Frusino Haus und Garten für eine Summe hätte kaufen können,<lb/> die man in Rom für eine finstere Wohnung als Jahresmiethe zu entrichten<lb/> hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1211"> Nichts war in Rom umsonst, namentlich wenn man in Anschlag bringt,<lb/> daß Jeder, der nicht gerade zu den untersten Klassen gehörte, durch die Verhält¬<lb/> nisse zu einem Aufwand gezwungen war, der seine Mittel überstieg. Man<lb/> schämte sich von Thon zu speisen. Man konnte sich öffentlich nicht anders als<lb/> im Staatsgewand der Toga zeigen und nicht ohne eine Anzahl von Sklaven.<lb/> Eine glänzende Armuth war sehr verbreitet, häusig kamen Bankerotte vor. Ge¬<lb/> gen diesen trüglichen Schimmer des hauptstädtischen Lebens contrastirte die Ein¬<lb/> fachheit und Anspruchslosigkeit der kleinen Städte und des platten Landes nicht<lb/> minder als die Sittenstrenge, die sich namentlich in den Städten Oberitaliens<lb/> erhielt, gegen die Verderbnis; und Zügellosigkeit, die in Rom ihre Orgien mit<lb/> beleidigender Oeffentlichkeit feierte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1212" next="#ID_1213"> In Rom war unaufhörlich Lärm und Getümmel. Schon Horaz klagte<lb/> über das Tag und Nacht fortwährende Geräusch, über das Gewühl und Ge¬<lb/> dränge in den Straßen der Stadt, aus deren „Fluthen und Stürmen" er gern<lb/> in die Stille der Sabiner Berge flüchtete. Aber zu Martials und Juvenals<lb/> Zeit war mit der Bevölkerung auch die Lebendigkeit des Verkehrs noch bedeu¬<lb/> tend gestiegen. Schon vor Tage riefen die Bäcker ihre Waaren aus. Dann<lb/> begannen (wie jetzt in den orientalischen Städten) die Kindcrschulen im Chor<lb/> zu buchstabiren, und die Hämmer und Sägen der Werkstätten setzten sich in Be¬<lb/> wegung. Nun schleppten knarrende Wagen ungeheure Steinblöcke und Balken<lb/> zu Bauplätzen. Schwerdeladne Lastthiere und Träger rannten die Fußgänger<lb/> an. Von allen Seiten wurde man gedrängt, gestoßen und auf die Füße ge¬<lb/> treten, und Diebe hatten es in diesem Gewühl leicht Beute zu machen. Be¬<lb/> schreibt uns doch Ovid feingekleidete Herren dieser Gattung, die den Frauen unter<lb/> dem Schein galanter Aufmerksamkeiten auf offener Straße die Kleider stahlen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Fülle von.Vortheilen, Anregungen und Schauspielen, welche das kaiserliche Rom
bot, befanden sich die höchsten und niedrigsten Schichten der Bevölkerung am
wohlsten. Die ungeheure Mehrzahl der freien Bewohner wurde auf Staats¬
kosten ganz oder theilweise ernährt, die Großen fanden hier Raum und Mittel
zu einer fürstlichen Existenz wie sonst nirgends. Den Schattenseiten des Le¬
bens in Rom waren am meisten die Mittelklassen ausgesetzt. Dazu gehörte die
Höhe der Preise für alle Lebensbedürfnisse im Vergleich zu der Wohlfeilheit in
den Municipien Italiens und den Provinzen. Schon zu Cäsars Zeit scheint
der Preis der Wohnungsmiethen in Rom durchschnittlich viermal so hoch ge¬
wesen zu sein als in den Städten des übrigen Italiens, und diese Preise stei¬
gerten sich später ohne Zweifel noch beträchtlich, wenn auch sehr übertrieben
sein mag, was Juvenal in dieser Beziehung sagt, nach dem man in Sora Fa-
bratcria oder Frusino Haus und Garten für eine Summe hätte kaufen können,
die man in Rom für eine finstere Wohnung als Jahresmiethe zu entrichten
hatte.
Nichts war in Rom umsonst, namentlich wenn man in Anschlag bringt,
daß Jeder, der nicht gerade zu den untersten Klassen gehörte, durch die Verhält¬
nisse zu einem Aufwand gezwungen war, der seine Mittel überstieg. Man
schämte sich von Thon zu speisen. Man konnte sich öffentlich nicht anders als
im Staatsgewand der Toga zeigen und nicht ohne eine Anzahl von Sklaven.
Eine glänzende Armuth war sehr verbreitet, häusig kamen Bankerotte vor. Ge¬
gen diesen trüglichen Schimmer des hauptstädtischen Lebens contrastirte die Ein¬
fachheit und Anspruchslosigkeit der kleinen Städte und des platten Landes nicht
minder als die Sittenstrenge, die sich namentlich in den Städten Oberitaliens
erhielt, gegen die Verderbnis; und Zügellosigkeit, die in Rom ihre Orgien mit
beleidigender Oeffentlichkeit feierte.
In Rom war unaufhörlich Lärm und Getümmel. Schon Horaz klagte
über das Tag und Nacht fortwährende Geräusch, über das Gewühl und Ge¬
dränge in den Straßen der Stadt, aus deren „Fluthen und Stürmen" er gern
in die Stille der Sabiner Berge flüchtete. Aber zu Martials und Juvenals
Zeit war mit der Bevölkerung auch die Lebendigkeit des Verkehrs noch bedeu¬
tend gestiegen. Schon vor Tage riefen die Bäcker ihre Waaren aus. Dann
begannen (wie jetzt in den orientalischen Städten) die Kindcrschulen im Chor
zu buchstabiren, und die Hämmer und Sägen der Werkstätten setzten sich in Be¬
wegung. Nun schleppten knarrende Wagen ungeheure Steinblöcke und Balken
zu Bauplätzen. Schwerdeladne Lastthiere und Träger rannten die Fußgänger
an. Von allen Seiten wurde man gedrängt, gestoßen und auf die Füße ge¬
treten, und Diebe hatten es in diesem Gewühl leicht Beute zu machen. Be¬
schreibt uns doch Ovid feingekleidete Herren dieser Gattung, die den Frauen unter
dem Schein galanter Aufmerksamkeiten auf offener Straße die Kleider stahlen.
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