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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Die bisherigen Berechnungen gingen aus:

1) Von der Zahl der Getreideempfänger. So Bunsen, Zumpt, Hock und
Marquard, welche alle auf ungefähr zwei Millionen schließen. Aber mit Recht
bezeichnet v. Wietersheim es als sehr bedenklich drei verschiedene Ausdrücke in
Mon. Alte. (plsbs romg-na, plebs urdg.na, plebs <iug.e tum Irumeirtum publi-
cum Äeeepei-unt) in ein und demselben Sinn aufzufassen. Sodann bemerkt
er, daß die freie weibliche Bevölkerung in Rom erheblich geringer als die männ¬
liche zu veranschlagen ist.

2) Von den Zahlen der insulas und clomus bei den Regionariern, wobei
Gibbon auf 1,200,000, Marquard je nach der zu Grunde gelegten Scala auf
1.610,000 oder 2,070,000 Einwohner kommt. Allein auch abgesehen von der
Schwierigkeit, die Durchschnittszahl der Hausbewohner zu bestimmen, sind un¬
ter insulas nicht blos ganze Miethhäuser, sondern offenbar auch bloße Abtheilungen
derselben zu verstehen. Eine Bevölkerung, wie Marquard sie annimmt, würde
übrigens um allenfalls für die Zeit Trajans denkbar, aber für das vierte Jahr¬
hundert schon an und für sich sehr unwahrscheinlich sein.

Z> Von dem Flächeninhalt, der von der Aurelianischen Mauer eingeschlos¬
sen ist. So Dureau de la Malle, welcher, da dieses Areal nur "/" des Are¬
als von Paris beträgt, für Rom 550,000 Einwohner annimmt. Schon
Zumpt bemerkt dagegen, wenn die von jenem französischen Gelehrten angeführte
Scala des vierten Arrondissements zu Grunde gelegt würde, so wäre eine Ein¬
wohnerzahl von 1,153,476 anzunehmen. Aber auch dies würde wohl noch
nicht hinreichen wegen der durch v.< Wietersheim hervorgehobenen Grundver¬
schiedenheit der antiken und modernen Wohnungsverhältnisse. Wie Pompeji
zeigt, waren die Wohnungsräume der Alten viel beschränkter als die heutigen.
Zweitens umfaßte die Aurelianische Mauer nicht ganz Rom. sondern, wie ein
Theil der vierzehnten Region unzweifelhaft außerhalb lag. so hat sie sicherlich
noch andere Vorstädte ausgeschlossen und zwar nicht unbedeutende.

Wenn auch keine dieser Berechnungen ein sicheres Resultat gibt, so stim¬
men doch ihre ungefähren Ergebnisse zusammen oder lassen sich wenigstens mit
einander vereinigen, was die Wahrscheinlichkeiten sehr erhöht. Vollkommen gut
stimmt damit endlich die Berechnung Marquards Handb. d. R. A. III. 2, 104.
499. welche 4) von der Getrcideconsumtion der ganzen Stadt ausgeht- Diese
betrug nach zwei Angaben von Victor und Josephus in der Zeit des Letzteren
sechzig Millionen Modii jährlich, was. 60 Modii auf den Kopf gerechnet, eine
Million Einwohner gibt. Da aber auf Frauen und Kinder weniger gerechnet
wird und die höhern Stände von andern Lebensmitteln mehr consumirten, so
muß die Zahl bedeutend höher angenommen werden.

Wir haben die Lichtseite des Lebens in der alten Weltstadt betrachtet und
folgen nun dem Verfasser unsers Buchs zu der Schattenseite. Im Genuß der


Die bisherigen Berechnungen gingen aus:

1) Von der Zahl der Getreideempfänger. So Bunsen, Zumpt, Hock und
Marquard, welche alle auf ungefähr zwei Millionen schließen. Aber mit Recht
bezeichnet v. Wietersheim es als sehr bedenklich drei verschiedene Ausdrücke in
Mon. Alte. (plsbs romg-na, plebs urdg.na, plebs <iug.e tum Irumeirtum publi-
cum Äeeepei-unt) in ein und demselben Sinn aufzufassen. Sodann bemerkt
er, daß die freie weibliche Bevölkerung in Rom erheblich geringer als die männ¬
liche zu veranschlagen ist.

2) Von den Zahlen der insulas und clomus bei den Regionariern, wobei
Gibbon auf 1,200,000, Marquard je nach der zu Grunde gelegten Scala auf
1.610,000 oder 2,070,000 Einwohner kommt. Allein auch abgesehen von der
Schwierigkeit, die Durchschnittszahl der Hausbewohner zu bestimmen, sind un¬
ter insulas nicht blos ganze Miethhäuser, sondern offenbar auch bloße Abtheilungen
derselben zu verstehen. Eine Bevölkerung, wie Marquard sie annimmt, würde
übrigens um allenfalls für die Zeit Trajans denkbar, aber für das vierte Jahr¬
hundert schon an und für sich sehr unwahrscheinlich sein.

Z> Von dem Flächeninhalt, der von der Aurelianischen Mauer eingeschlos¬
sen ist. So Dureau de la Malle, welcher, da dieses Areal nur «/» des Are¬
als von Paris beträgt, für Rom 550,000 Einwohner annimmt. Schon
Zumpt bemerkt dagegen, wenn die von jenem französischen Gelehrten angeführte
Scala des vierten Arrondissements zu Grunde gelegt würde, so wäre eine Ein¬
wohnerzahl von 1,153,476 anzunehmen. Aber auch dies würde wohl noch
nicht hinreichen wegen der durch v.< Wietersheim hervorgehobenen Grundver¬
schiedenheit der antiken und modernen Wohnungsverhältnisse. Wie Pompeji
zeigt, waren die Wohnungsräume der Alten viel beschränkter als die heutigen.
Zweitens umfaßte die Aurelianische Mauer nicht ganz Rom. sondern, wie ein
Theil der vierzehnten Region unzweifelhaft außerhalb lag. so hat sie sicherlich
noch andere Vorstädte ausgeschlossen und zwar nicht unbedeutende.

Wenn auch keine dieser Berechnungen ein sicheres Resultat gibt, so stim¬
men doch ihre ungefähren Ergebnisse zusammen oder lassen sich wenigstens mit
einander vereinigen, was die Wahrscheinlichkeiten sehr erhöht. Vollkommen gut
stimmt damit endlich die Berechnung Marquards Handb. d. R. A. III. 2, 104.
499. welche 4) von der Getrcideconsumtion der ganzen Stadt ausgeht- Diese
betrug nach zwei Angaben von Victor und Josephus in der Zeit des Letzteren
sechzig Millionen Modii jährlich, was. 60 Modii auf den Kopf gerechnet, eine
Million Einwohner gibt. Da aber auf Frauen und Kinder weniger gerechnet
wird und die höhern Stände von andern Lebensmitteln mehr consumirten, so
muß die Zahl bedeutend höher angenommen werden.

Wir haben die Lichtseite des Lebens in der alten Weltstadt betrachtet und
folgen nun dem Verfasser unsers Buchs zu der Schattenseite. Im Genuß der


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[0375] Die bisherigen Berechnungen gingen aus: 1) Von der Zahl der Getreideempfänger. So Bunsen, Zumpt, Hock und Marquard, welche alle auf ungefähr zwei Millionen schließen. Aber mit Recht bezeichnet v. Wietersheim es als sehr bedenklich drei verschiedene Ausdrücke in Mon. Alte. (plsbs romg-na, plebs urdg.na, plebs <iug.e tum Irumeirtum publi- cum Äeeepei-unt) in ein und demselben Sinn aufzufassen. Sodann bemerkt er, daß die freie weibliche Bevölkerung in Rom erheblich geringer als die männ¬ liche zu veranschlagen ist. 2) Von den Zahlen der insulas und clomus bei den Regionariern, wobei Gibbon auf 1,200,000, Marquard je nach der zu Grunde gelegten Scala auf 1.610,000 oder 2,070,000 Einwohner kommt. Allein auch abgesehen von der Schwierigkeit, die Durchschnittszahl der Hausbewohner zu bestimmen, sind un¬ ter insulas nicht blos ganze Miethhäuser, sondern offenbar auch bloße Abtheilungen derselben zu verstehen. Eine Bevölkerung, wie Marquard sie annimmt, würde übrigens um allenfalls für die Zeit Trajans denkbar, aber für das vierte Jahr¬ hundert schon an und für sich sehr unwahrscheinlich sein. Z> Von dem Flächeninhalt, der von der Aurelianischen Mauer eingeschlos¬ sen ist. So Dureau de la Malle, welcher, da dieses Areal nur «/» des Are¬ als von Paris beträgt, für Rom 550,000 Einwohner annimmt. Schon Zumpt bemerkt dagegen, wenn die von jenem französischen Gelehrten angeführte Scala des vierten Arrondissements zu Grunde gelegt würde, so wäre eine Ein¬ wohnerzahl von 1,153,476 anzunehmen. Aber auch dies würde wohl noch nicht hinreichen wegen der durch v.< Wietersheim hervorgehobenen Grundver¬ schiedenheit der antiken und modernen Wohnungsverhältnisse. Wie Pompeji zeigt, waren die Wohnungsräume der Alten viel beschränkter als die heutigen. Zweitens umfaßte die Aurelianische Mauer nicht ganz Rom. sondern, wie ein Theil der vierzehnten Region unzweifelhaft außerhalb lag. so hat sie sicherlich noch andere Vorstädte ausgeschlossen und zwar nicht unbedeutende. Wenn auch keine dieser Berechnungen ein sicheres Resultat gibt, so stim¬ men doch ihre ungefähren Ergebnisse zusammen oder lassen sich wenigstens mit einander vereinigen, was die Wahrscheinlichkeiten sehr erhöht. Vollkommen gut stimmt damit endlich die Berechnung Marquards Handb. d. R. A. III. 2, 104. 499. welche 4) von der Getrcideconsumtion der ganzen Stadt ausgeht- Diese betrug nach zwei Angaben von Victor und Josephus in der Zeit des Letzteren sechzig Millionen Modii jährlich, was. 60 Modii auf den Kopf gerechnet, eine Million Einwohner gibt. Da aber auf Frauen und Kinder weniger gerechnet wird und die höhern Stände von andern Lebensmitteln mehr consumirten, so muß die Zahl bedeutend höher angenommen werden. Wir haben die Lichtseite des Lebens in der alten Weltstadt betrachtet und folgen nun dem Verfasser unsers Buchs zu der Schattenseite. Im Genuß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/375>, abgerufen am 08.01.2025.