Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.um seinen eignen Ausdruck zu brauchen, hier eine Batterie zu errichten, Ueber die Wirkung der Herzenschen Schriften auf Nußland zu urtheilen ist 44*
um seinen eignen Ausdruck zu brauchen, hier eine Batterie zu errichten, Ueber die Wirkung der Herzenschen Schriften auf Nußland zu urtheilen ist 44*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114135"/> <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> um seinen eignen Ausdruck zu brauchen, hier eine Batterie zu errichten,<lb/> durch welche die Nachtheile des russischen Negierungssustems angegriffen werden<lb/> sollten, unter den folgenden Umständen. Er hatte der russischen Regierung<lb/> bereits Anstoß gegeben, fuhr aber fort, in die russischen Revuen zu schreiben und<lb/> sandte im Jahre 1848 in eine dieser Zeitschriften den ersten Theil einer Er¬<lb/> zählung, die den Titel „Pflicht vor allen Dingen" führte. Gerade damals<lb/> wurde die Censur mit ungewöhnlicher Strenge geübt. Ja es gab eigentlich<lb/> zwei Censurstellen, eine gewöhnliche und eine andere, die nach Herrn Herzen<lb/> aus Generalen, Genieoffizieren, Artillerie-Stabsoffizieren, Garnisonsoffizieren und<lb/> zwei Mönchen, das Ganze unter einem Tartarenfürsten, zusammengesetzt war.<lb/> Obwohl nun Herrn Herzens Erzählung von der Wochenschrift, in der sie er¬<lb/> scheinen sollte, wiederholt angekündigt worden, gaben ihm doch die militärischen<lb/> und kirchlichen Censoren zu verstehen, daß nicht nur „Pflicht vor allen Dingen"<lb/> nicht gedruckt werden dürfe, sondern daß das Imprimatur der Regierung Allem,<lb/> was der Verfasser prvducire. versagt werden würde, „selbst wenn ich", bemerkt<lb/> Herzen, „über die Vortheile der geheimen Polizei und des Absolutismus oder<lb/> über die Nützlichkeit der Leibeigenschaft, körperlicher Strafen und des Necruti-<lb/> rungssystems schriebe. Dieser Bescheid," fährt er fort, „überzeugte mich, daß<lb/> es nicht länger möglich, in Rußland die Feder zu führen, und daß Schrift¬<lb/> stellern kein andrer Weg offen stünde, als außerhalb des Landes zu schreiben."<lb/> So begab Herr Herzen sich denn ins Ausland, aber es würde ein sehr großer<lb/> Irrthum sein, wollte man annehmen, daß alle Schriftsteller des Landes seinem<lb/> Beispiel gefolgt seien. Er begann seine neue Laufbahn damit/daß er deutsch<lb/> schrieb, veröffentlichte dann mehre Werke in französischer Sprache und kam erst<lb/> in den letzten Jahren zu dem Entschluß nur russisch und ausschließlich für rus¬<lb/> sische Leser zu schreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1134" next="#ID_1135"> Ueber die Wirkung der Herzenschen Schriften auf Nußland zu urtheilen ist<lb/> für einen Engländer schwierig, aber ich habe aus bester Quelle vernommen,<lb/> daß von dem ersten Bande seines „Polarsterns", einem Octavheft von mehren<lb/> hundert Seiten, gegen dreitausend Exemplare verkauft worden sind, und gleich¬<lb/> viel ob diese von Russen daheim oder im Ausland gekauft worden sein mögen,<lb/> die große Mehrzahl derselben muh nach Rußland gelangt sein. Ich sehe außer¬<lb/> dem aus einer Beilage zur „Glocke", daß die Verleger Herrn Herzens von<lb/> 1855 bis auf die Gegenwart in London nicht weniger als vierundzwanzig<lb/> Werke in russischer Sprache veröffentlicht haben, Es muß also einen Absatz<lb/> für dieselben geben, sonst würden nicht fortwährend neue erschienen sein, und<lb/> man darf als Regel annehmen, daß sie nur von Russen getauft werden. Den¬<lb/> noch muß der nominelle Ausschluß der Schriften Herrn Herzens.sie eines gro¬<lb/> ßen Theils jener Publicität berauben, welche der eigentliche Lebensodem jour¬<lb/> nalistischer Erscheinungen ist. Sie können nicht öffentlich eingeführt, nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 44*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
um seinen eignen Ausdruck zu brauchen, hier eine Batterie zu errichten,
durch welche die Nachtheile des russischen Negierungssustems angegriffen werden
sollten, unter den folgenden Umständen. Er hatte der russischen Regierung
bereits Anstoß gegeben, fuhr aber fort, in die russischen Revuen zu schreiben und
sandte im Jahre 1848 in eine dieser Zeitschriften den ersten Theil einer Er¬
zählung, die den Titel „Pflicht vor allen Dingen" führte. Gerade damals
wurde die Censur mit ungewöhnlicher Strenge geübt. Ja es gab eigentlich
zwei Censurstellen, eine gewöhnliche und eine andere, die nach Herrn Herzen
aus Generalen, Genieoffizieren, Artillerie-Stabsoffizieren, Garnisonsoffizieren und
zwei Mönchen, das Ganze unter einem Tartarenfürsten, zusammengesetzt war.
Obwohl nun Herrn Herzens Erzählung von der Wochenschrift, in der sie er¬
scheinen sollte, wiederholt angekündigt worden, gaben ihm doch die militärischen
und kirchlichen Censoren zu verstehen, daß nicht nur „Pflicht vor allen Dingen"
nicht gedruckt werden dürfe, sondern daß das Imprimatur der Regierung Allem,
was der Verfasser prvducire. versagt werden würde, „selbst wenn ich", bemerkt
Herzen, „über die Vortheile der geheimen Polizei und des Absolutismus oder
über die Nützlichkeit der Leibeigenschaft, körperlicher Strafen und des Necruti-
rungssystems schriebe. Dieser Bescheid," fährt er fort, „überzeugte mich, daß
es nicht länger möglich, in Rußland die Feder zu führen, und daß Schrift¬
stellern kein andrer Weg offen stünde, als außerhalb des Landes zu schreiben."
So begab Herr Herzen sich denn ins Ausland, aber es würde ein sehr großer
Irrthum sein, wollte man annehmen, daß alle Schriftsteller des Landes seinem
Beispiel gefolgt seien. Er begann seine neue Laufbahn damit/daß er deutsch
schrieb, veröffentlichte dann mehre Werke in französischer Sprache und kam erst
in den letzten Jahren zu dem Entschluß nur russisch und ausschließlich für rus¬
sische Leser zu schreiben.
Ueber die Wirkung der Herzenschen Schriften auf Nußland zu urtheilen ist
für einen Engländer schwierig, aber ich habe aus bester Quelle vernommen,
daß von dem ersten Bande seines „Polarsterns", einem Octavheft von mehren
hundert Seiten, gegen dreitausend Exemplare verkauft worden sind, und gleich¬
viel ob diese von Russen daheim oder im Ausland gekauft worden sein mögen,
die große Mehrzahl derselben muh nach Rußland gelangt sein. Ich sehe außer¬
dem aus einer Beilage zur „Glocke", daß die Verleger Herrn Herzens von
1855 bis auf die Gegenwart in London nicht weniger als vierundzwanzig
Werke in russischer Sprache veröffentlicht haben, Es muß also einen Absatz
für dieselben geben, sonst würden nicht fortwährend neue erschienen sein, und
man darf als Regel annehmen, daß sie nur von Russen getauft werden. Den¬
noch muß der nominelle Ausschluß der Schriften Herrn Herzens.sie eines gro¬
ßen Theils jener Publicität berauben, welche der eigentliche Lebensodem jour¬
nalistischer Erscheinungen ist. Sie können nicht öffentlich eingeführt, nicht
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