Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.higkeit der russischen Feldherrn entdeckt hat, und so wird eine Ordre des fol¬ Andere Beispiele für die Neigung der Russen zur Satire finden sich in Verwandt mit diesen Liedern sind andere Dichtungen und Aufsätze, die Wieder eine andere Klasse der geheimen Literatur und zwar die wichtigste Grenzboten II. 1862. 44
higkeit der russischen Feldherrn entdeckt hat, und so wird eine Ordre des fol¬ Andere Beispiele für die Neigung der Russen zur Satire finden sich in Verwandt mit diesen Liedern sind andere Dichtungen und Aufsätze, die Wieder eine andere Klasse der geheimen Literatur und zwar die wichtigste Grenzboten II. 1862. 44
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higkeit der russischen Feldherrn entdeckt hat, und so wird eine Ordre des fol¬
genden Inhalts aufgesetzt: „Jeder Soldat, welcher auf einen russischen Gene¬
rat feuert, wird erschossen".
Andere Beispiele für die Neigung der Russen zur Satire finden sich in
den Soldatenliedern, welche die aus dem Krimkrieg heimkehrenden Regimenter
in Masse mitbrachten. „Natürlich waren dies keine Triumphgesänge. Sie ver¬
glichen das Schicksal der S^baten. welche unbemerkt zu Tausenden gestorben,
mit dem der Generale, welche Orden und Danksagungsschreiben des Kaisers für
verlorene Schlachten empfangen. Es wurde darin erzählt, wie das russische
Heer zuerst ohne Erfolg gegen die Türken geführt worden, wie dann die Ver¬
bündeten gekommen, und wie man sie habe ins Meer hinabwerfen wollen, wie
jene aber sich nicht hätten werfen lassen, wie neue Generale ernannt worden
und einer nach dem andern sich unfähig bewiesen. Manche dieser Lieder waren
durch die gesammte Armee bekannt, andere nur in gewissen Divisionen. Sicher
ist, daß die Generale sie ebenso gut kannten als die Soldaten. „Ich habe",
sagt Edwards, „von Offizieren, die mit in der Krim gewesen waren, erfahren,
daß diese Dichtungen während des Marsches von ganzen Regimentern gesungen
wurden, und daß die höheren Offiziere sie niemals zu hören schienen, während
die Subalternoffiziere sich ohne Zweifel daran ebenso ergötzten als die Uebrigen.
Die Autorschaft einiger wurde einem berühmten Schriftsteller zugeschrieben, der
sich damals in Sebastopol befand, aber die große Mehrzahl derselben war von
den Mannschaften selbst erdacht, und von dem besten unter allen diesen Ergüs¬
sen wußte man, daß er einen Gemeinen von Osten-Sackens Corps zum Ver¬
fasser hatte. In diesem Spottiiede hat jeder General seinen Vers. Die deut¬
schen Heerführer werden geradezu mit Abscheu besprochen, und von einem
darunter, der unaufhörlich sich bekreuzt, heißt es, daß er der nichtswürdigste sei."
Verwandt mit diesen Liedern sind andere Dichtungen und Aufsätze, die
unter Nikolaus handschriftlich circulirten und theils in scherzhaftem Tone, theils
in ernstem Styl die Maaßregeln der Regierung angriffen. Dahin gehört ein
Gedicht der Gräfin Nvstopschin „Der Burgherr und sein Weib oder die ge¬
zwungene Heirath", worin das Verfahren des Kaisers gegen Polen gegeißelt
wurde, und welches so allgemeine Verbreitung fand, daß der berüchtigte Bul¬
garin veranlaßt wurde, es in der „Nordischen Biene" mit einer versisicirten Re¬
plik zu widerlegen. Ferner gehören in diese Kategorien verschiedene Gedichte
von Rylejeff, z. B. sein „Wvinaroffsty", der nie gedruckt werden durste, aber
trotzdem allen Russen, die Anspruch auf Bildung machen, bekannt ist.
Wieder eine andere Klasse der geheimen Literatur und zwar die wichtigste
und wirksamste besteht in Schriften und Zeitungen, die außer Landes geschrie¬
ben werden und auf dem Wege des Schmuggels über die Grenze gelangen.
Edwards sagt darüber Folgendes:
Grenzboten II. 1862. 44
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