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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Provinzen geleitet und verwendet wurde, konnte sie sich die Anerkennung der
Bevölkerung schon darum nicht erwerben, weil sie ein östreichisches Institut war.

Demungeachtet muß man der östreichischen Gendarmerie das Lob zollen,
daß sie, wenn auch von der Bevölkerung im Allgemeinen mit Abneigung --
ja mit Haß betrachtet, so doch gefürchtet wurde und sich vielfach die Achtung des vor¬
urteilsfreien Theiles der Bevölkerung erwarb. Die zahlreichen Beweise von
Muth, Aufopferung, Pflichttreue und Menschenliebe, welche die Gendarmen ga¬
ben, mußten für das Verdienst der Einzelnen sprechen, wenn man auch den
Geist, der das ganze Institut leitete, tadelte.

Das Gegentheil aber widerfuhr dem Polizeiwachcorps, welches fast zur sel¬
ben Zeit neu organisirt wurde.

Die erste Aenderung betraf das Aeußere dieser Truppe. Die Bekleidung
war jener der Gendarmerie ähnlich, nur trat der Tschako an die Stelle der
Pickelhaube. Hierauf wurde das Corps ansehnlich vermehrt und es erhielten
nicht nur Wien und die Landeshauptstädte, sondern fast alle bedeutenderen
Orte der Monarchie ihre "eigenen Polizeidetachemcnts. Die noch existirenden
städtischen Polizeisoldaten wurden entlassen, oder in einfache Amtsdiener ver¬
wandelt. Dasselbe widerfuhr auch dem größten Theile der Comitatspanduren
in Ungarn. Nur in Wien ließ man die Sicherheitswache länger als zwei
Jahre neben der Militärpolizei fortbestehen.

Die Jnstructionen der Polizeiwache waren zwar ziemlich human; aber der
das ganze Polizeiwesen leitende Geist und die mangelhafte Auswahl der Mann¬
schaft für diese Truppe konnten nichts Gutes hervorbringen.

Hinlängliche Kenntniß des Lesens und Schreibens, sowie eine gute Auf¬
führung waren im Anfange die Ausnahmsbcdingungen für die zur Polizeiwache
sich meldenden Soldaten. Aber da die karge Löhnung, der ungemein ange¬
strengte Dienst und die igcringe Aussicht auf Beförderung Wenige anzog, die
Obersten der Linientruppen zuletzr auch keine zur Polizeiwache tauglichen Leute
bei ihren Regimentern finden konnten oder wollten; so mußte man selbst diese
bescheidenen Anforderungen noch herabstimmen und die Polizeiwache endlich
durch directe Recrutirung, besonders aus den slawischen Provinzen, ergänzen.
Und bei der schließlichen Auflösung der .Municipalgarde wurden die Individuen
derselben als Chargen eingetheilt und damit viele unlautere Elemente in das
Polizeicorps gebracht.

Hätte man den Leuten einen nur nothdürftigen Unterricht über ihre Ob¬
liegenheiten und die Wichtigkeit ihres Dienstes ertheilt, so hätte sich die Sache
ganz gut gestalten können. Der Mann erfuhr aber nur, "daß er besser sei, als die
andern Soldaten, und daß er dazu da sei, die Civilisten zu arretiren." Seine
Ausbildung aber war eine rein militärische Dressur, bei welcher man eher aus
alles Andere, als auf die eigentliche Bestimmung der Polizei Rücksicht nahm.


Provinzen geleitet und verwendet wurde, konnte sie sich die Anerkennung der
Bevölkerung schon darum nicht erwerben, weil sie ein östreichisches Institut war.

Demungeachtet muß man der östreichischen Gendarmerie das Lob zollen,
daß sie, wenn auch von der Bevölkerung im Allgemeinen mit Abneigung —
ja mit Haß betrachtet, so doch gefürchtet wurde und sich vielfach die Achtung des vor¬
urteilsfreien Theiles der Bevölkerung erwarb. Die zahlreichen Beweise von
Muth, Aufopferung, Pflichttreue und Menschenliebe, welche die Gendarmen ga¬
ben, mußten für das Verdienst der Einzelnen sprechen, wenn man auch den
Geist, der das ganze Institut leitete, tadelte.

Das Gegentheil aber widerfuhr dem Polizeiwachcorps, welches fast zur sel¬
ben Zeit neu organisirt wurde.

Die erste Aenderung betraf das Aeußere dieser Truppe. Die Bekleidung
war jener der Gendarmerie ähnlich, nur trat der Tschako an die Stelle der
Pickelhaube. Hierauf wurde das Corps ansehnlich vermehrt und es erhielten
nicht nur Wien und die Landeshauptstädte, sondern fast alle bedeutenderen
Orte der Monarchie ihre «eigenen Polizeidetachemcnts. Die noch existirenden
städtischen Polizeisoldaten wurden entlassen, oder in einfache Amtsdiener ver¬
wandelt. Dasselbe widerfuhr auch dem größten Theile der Comitatspanduren
in Ungarn. Nur in Wien ließ man die Sicherheitswache länger als zwei
Jahre neben der Militärpolizei fortbestehen.

Die Jnstructionen der Polizeiwache waren zwar ziemlich human; aber der
das ganze Polizeiwesen leitende Geist und die mangelhafte Auswahl der Mann¬
schaft für diese Truppe konnten nichts Gutes hervorbringen.

Hinlängliche Kenntniß des Lesens und Schreibens, sowie eine gute Auf¬
führung waren im Anfange die Ausnahmsbcdingungen für die zur Polizeiwache
sich meldenden Soldaten. Aber da die karge Löhnung, der ungemein ange¬
strengte Dienst und die igcringe Aussicht auf Beförderung Wenige anzog, die
Obersten der Linientruppen zuletzr auch keine zur Polizeiwache tauglichen Leute
bei ihren Regimentern finden konnten oder wollten; so mußte man selbst diese
bescheidenen Anforderungen noch herabstimmen und die Polizeiwache endlich
durch directe Recrutirung, besonders aus den slawischen Provinzen, ergänzen.
Und bei der schließlichen Auflösung der .Municipalgarde wurden die Individuen
derselben als Chargen eingetheilt und damit viele unlautere Elemente in das
Polizeicorps gebracht.

Hätte man den Leuten einen nur nothdürftigen Unterricht über ihre Ob¬
liegenheiten und die Wichtigkeit ihres Dienstes ertheilt, so hätte sich die Sache
ganz gut gestalten können. Der Mann erfuhr aber nur, „daß er besser sei, als die
andern Soldaten, und daß er dazu da sei, die Civilisten zu arretiren." Seine
Ausbildung aber war eine rein militärische Dressur, bei welcher man eher aus
alles Andere, als auf die eigentliche Bestimmung der Polizei Rücksicht nahm.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/343>, abgerufen am 08.01.2025.