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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Truppen sich eine bessere Auswahl für die Gendarmerie treffen ließ. Aber in
Ungarn, wo man froh sein mußte, Leute von nur theilweiser Befähigung zu
finden, traf man unsäglich rohe Elemente unter der Gendarmerie, so daß selbst
die Gebildeten, obgleich sie die Nützlichkeit des neuen Instituts anerkannten,
zuletzt gegen dasselbe eingenommen wurden. Die Altconservativen erblickten in
der Gendarmerie eine verkörperte Verletzung ihrer Verfassung und legten da¬
her ihr Mißtrauen und ihre Abneigung offen an den Tag. Bei dem großen
Haufen endlich wurde durch eine eigenthümliche Begriffsverwirrung die Gen¬
darmerie für die Ursache aller mißliebigen politischen Maßregeln gehalten,
weil sie deren Durchführung zu überwachen hatte. Das den Ungarn bisher
fast unbekannte Paß- und Meldungswcsen, die Recrutirung und so manches
Andere war nach der Volksmeinung von oder wegen der Gendarmerie einge¬
führt worden; ja im Anfange hielt man an vielen Orten die Gendarmen für
zurückgebliebene Russen. Selbst daß die Gendarmerie mit Eiser, wenn auch
nicht immer mit Erfolg, den Räubern und Pußtadiebcn nachsetzte, war dem
gemeinen Manne, der für die "armen Burschen" eine gewisse Sympathie hatte,
nicht recht. "So unbarmherzig waren die Panduren nicht."

Ganz ähnlich stand es in den ungarischen Nebenländern. Die Szekler
und Ungarn in Siebenbürgen dachten wie ihre Brüder in Ungarn, und die
Kroaten, Slavonier und Wallachen, welche zur kaiserlichen Partei gehalten
hatten, glaubten sich zurückgesetzt und klagten über Ungerechtigkeit, da sie die
Einführung der Gendarmerie für eine den Ungarn aufgelegte Strafe hielten.
Die wohlhabenden, aber oft sehr geizigen Sachsen in Siebenbürgen murrten
über die ihnen aufgebürdeten neuen Steuern, welche sie für Erhaltung der
Gensdarmerie entrichten mußten.

Nur die Militärgrenze behielt ihre früheren Institutionen.

Auch in Dalmatien hatte die Gendarmerie große Hindernisse zu über¬
winden. Das fast halbwilde Volk konnte sich schwer oder gar nicht mit dem
polizeilichen Zwange befreunden. Der kühne Gebirgssohn war gewohnt, sein
Dorf nicht anders, als bis an die Zähne bewaffnet, zu verlassen, und nun
sollte er dem ihm begegnenden Gendarmen seinen Waffenpaß vorweisen, oder
gar seine Waffen abgeben und sich verhaften lassen; er sollte der Vendetta ent¬
sagen, seine Hütte durchsuchen lassen oder das Gastrecht verletzen und einen
zu ihm geflüchteten Freund anzeigen und ausliefern. Solche Schmach glaubte
er nicht tragen zu dürfen, und wenn er sich auch nicht gegen seinen Landesherrn
empörte, so hielt er es durchaus nicht für ungerecht, dem Gendarmen, der ihn
beleidigt hatte, bei guter Gelegenheit eine Kugel zuzusenden. Die vielen nach
officiellen Berichten im Kampfe mit den Räubern gefallenen Gendarmen waren
zum Theil nur dem Hasse der erbitterten Landesbewohner zum Opfer gefallen.

In Italien, wo die Gendarmerie beinahe besser als in den meisten andern


Truppen sich eine bessere Auswahl für die Gendarmerie treffen ließ. Aber in
Ungarn, wo man froh sein mußte, Leute von nur theilweiser Befähigung zu
finden, traf man unsäglich rohe Elemente unter der Gendarmerie, so daß selbst
die Gebildeten, obgleich sie die Nützlichkeit des neuen Instituts anerkannten,
zuletzt gegen dasselbe eingenommen wurden. Die Altconservativen erblickten in
der Gendarmerie eine verkörperte Verletzung ihrer Verfassung und legten da¬
her ihr Mißtrauen und ihre Abneigung offen an den Tag. Bei dem großen
Haufen endlich wurde durch eine eigenthümliche Begriffsverwirrung die Gen¬
darmerie für die Ursache aller mißliebigen politischen Maßregeln gehalten,
weil sie deren Durchführung zu überwachen hatte. Das den Ungarn bisher
fast unbekannte Paß- und Meldungswcsen, die Recrutirung und so manches
Andere war nach der Volksmeinung von oder wegen der Gendarmerie einge¬
führt worden; ja im Anfange hielt man an vielen Orten die Gendarmen für
zurückgebliebene Russen. Selbst daß die Gendarmerie mit Eiser, wenn auch
nicht immer mit Erfolg, den Räubern und Pußtadiebcn nachsetzte, war dem
gemeinen Manne, der für die „armen Burschen" eine gewisse Sympathie hatte,
nicht recht. „So unbarmherzig waren die Panduren nicht."

Ganz ähnlich stand es in den ungarischen Nebenländern. Die Szekler
und Ungarn in Siebenbürgen dachten wie ihre Brüder in Ungarn, und die
Kroaten, Slavonier und Wallachen, welche zur kaiserlichen Partei gehalten
hatten, glaubten sich zurückgesetzt und klagten über Ungerechtigkeit, da sie die
Einführung der Gendarmerie für eine den Ungarn aufgelegte Strafe hielten.
Die wohlhabenden, aber oft sehr geizigen Sachsen in Siebenbürgen murrten
über die ihnen aufgebürdeten neuen Steuern, welche sie für Erhaltung der
Gensdarmerie entrichten mußten.

Nur die Militärgrenze behielt ihre früheren Institutionen.

Auch in Dalmatien hatte die Gendarmerie große Hindernisse zu über¬
winden. Das fast halbwilde Volk konnte sich schwer oder gar nicht mit dem
polizeilichen Zwange befreunden. Der kühne Gebirgssohn war gewohnt, sein
Dorf nicht anders, als bis an die Zähne bewaffnet, zu verlassen, und nun
sollte er dem ihm begegnenden Gendarmen seinen Waffenpaß vorweisen, oder
gar seine Waffen abgeben und sich verhaften lassen; er sollte der Vendetta ent¬
sagen, seine Hütte durchsuchen lassen oder das Gastrecht verletzen und einen
zu ihm geflüchteten Freund anzeigen und ausliefern. Solche Schmach glaubte
er nicht tragen zu dürfen, und wenn er sich auch nicht gegen seinen Landesherrn
empörte, so hielt er es durchaus nicht für ungerecht, dem Gendarmen, der ihn
beleidigt hatte, bei guter Gelegenheit eine Kugel zuzusenden. Die vielen nach
officiellen Berichten im Kampfe mit den Räubern gefallenen Gendarmen waren
zum Theil nur dem Hasse der erbitterten Landesbewohner zum Opfer gefallen.

In Italien, wo die Gendarmerie beinahe besser als in den meisten andern


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[0342] Truppen sich eine bessere Auswahl für die Gendarmerie treffen ließ. Aber in Ungarn, wo man froh sein mußte, Leute von nur theilweiser Befähigung zu finden, traf man unsäglich rohe Elemente unter der Gendarmerie, so daß selbst die Gebildeten, obgleich sie die Nützlichkeit des neuen Instituts anerkannten, zuletzt gegen dasselbe eingenommen wurden. Die Altconservativen erblickten in der Gendarmerie eine verkörperte Verletzung ihrer Verfassung und legten da¬ her ihr Mißtrauen und ihre Abneigung offen an den Tag. Bei dem großen Haufen endlich wurde durch eine eigenthümliche Begriffsverwirrung die Gen¬ darmerie für die Ursache aller mißliebigen politischen Maßregeln gehalten, weil sie deren Durchführung zu überwachen hatte. Das den Ungarn bisher fast unbekannte Paß- und Meldungswcsen, die Recrutirung und so manches Andere war nach der Volksmeinung von oder wegen der Gendarmerie einge¬ führt worden; ja im Anfange hielt man an vielen Orten die Gendarmen für zurückgebliebene Russen. Selbst daß die Gendarmerie mit Eiser, wenn auch nicht immer mit Erfolg, den Räubern und Pußtadiebcn nachsetzte, war dem gemeinen Manne, der für die „armen Burschen" eine gewisse Sympathie hatte, nicht recht. „So unbarmherzig waren die Panduren nicht." Ganz ähnlich stand es in den ungarischen Nebenländern. Die Szekler und Ungarn in Siebenbürgen dachten wie ihre Brüder in Ungarn, und die Kroaten, Slavonier und Wallachen, welche zur kaiserlichen Partei gehalten hatten, glaubten sich zurückgesetzt und klagten über Ungerechtigkeit, da sie die Einführung der Gendarmerie für eine den Ungarn aufgelegte Strafe hielten. Die wohlhabenden, aber oft sehr geizigen Sachsen in Siebenbürgen murrten über die ihnen aufgebürdeten neuen Steuern, welche sie für Erhaltung der Gensdarmerie entrichten mußten. Nur die Militärgrenze behielt ihre früheren Institutionen. Auch in Dalmatien hatte die Gendarmerie große Hindernisse zu über¬ winden. Das fast halbwilde Volk konnte sich schwer oder gar nicht mit dem polizeilichen Zwange befreunden. Der kühne Gebirgssohn war gewohnt, sein Dorf nicht anders, als bis an die Zähne bewaffnet, zu verlassen, und nun sollte er dem ihm begegnenden Gendarmen seinen Waffenpaß vorweisen, oder gar seine Waffen abgeben und sich verhaften lassen; er sollte der Vendetta ent¬ sagen, seine Hütte durchsuchen lassen oder das Gastrecht verletzen und einen zu ihm geflüchteten Freund anzeigen und ausliefern. Solche Schmach glaubte er nicht tragen zu dürfen, und wenn er sich auch nicht gegen seinen Landesherrn empörte, so hielt er es durchaus nicht für ungerecht, dem Gendarmen, der ihn beleidigt hatte, bei guter Gelegenheit eine Kugel zuzusenden. Die vielen nach officiellen Berichten im Kampfe mit den Räubern gefallenen Gendarmen waren zum Theil nur dem Hasse der erbitterten Landesbewohner zum Opfer gefallen. In Italien, wo die Gendarmerie beinahe besser als in den meisten andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/342>, abgerufen am 08.01.2025.