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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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22,000 Unteroffiziere oder zu Unteroffizieren Befähigte entzogen! In den deut¬
schen Provinzen mochten sich zwar die Nachtheile hievon weniger fühlbar machen;
desto empfindlicher mußten sie in den ungarischen, slavischen und rumänischen
Regimentern sein, wo die Obersten schon früher nur mit Mühe den nöthigen
Ersatz an Unteroffizieren aufzubringen vermocht hatten.

Die vom Kaiser Ferdinand einige Jahre früher erlassene Herabsehung der
Dienstzeit verminderte zwar die Zahl der altgedienter Unteroffiziere, verjüngte
und erfrischte' aber auch die Armee in einer zweckdienlichen Weise.

Nun aber nahm die Gendarmerie den Truppen, besonders der Kavallerie
und Infanterie, die besten und rüstigsten Unteroffiziere und den Nachwuchs der
selben hinweg.

Die Polizei, Gardcgcndarmerie und die andern übermäßig verstärkten
Garden, Miiitärerziehungsanstaltcn. Kanzleien u, s. w, setzten die Linientruppen
auf gleiche Weise in Tribut, so daß bei denselben fast nur Recruten und einige
zwar ältere, aber entweder körperlich oder moralisch defecte Leute verblieben.

Die hohe Besoldung war dem anstrengenden Dienste der Mannschaft an¬
gemessen, erschien aber bei vielen Offizieren, besonders bei den Stabsoffizieren,
welche kein Regiment befehligten, nicht gerechtfertigt und erregte daher bei an¬
dern Militärs von gleichem Range Neid und Verdruß.

Auch die Bekleidung war nicht sonderlich zweckmäßig. Grüne Waffen¬
röcke mit rosenrothen Vorstoßen, gelben Epaulets und Fangschnüren, graue,
im Sommer weiße Beinkleider, weißes Lederwerk und eine schwere Pickelhaube
mochten sich Wohl bei Paraden, im Gerichtssaale und in den Straßen einer
Hauptstadt recht hübsch ausnehmen, waren aber sehr unpraktisch für den das
Land durchstreifenden Gendarmen, zumal die Pickelhaube von keinem an¬
dern Soldaten der östreichischen Armee getragen wurde und der flüchtige Ver¬
brecher bei dem Ansichtigwcrden dieser weithin strahlenden Kopfbedeckung den
Gendarmen erkennen und sich bei Zeiten nach einem Versteck umsehen konnte.

Bei der Bevölkerung selbst mußte die Gendarmerie in kurzer Zeit sehr
unbeliebt werden, und die erwartete" Vortheile blieben fast gänzlich aus.

Unbestreitbar gebühren einem Gendarmen gewisse Vorrechte und eine ziem¬
lich ausgedehnte Vollmacht, -- aber man überschritt in Oestreich das in dieser
Hinsicht zulässige Maß.

Gegen den Befehl des Gendarmen gab es keinen Widerspruch; was er
gethan hatte, wurde gutgeheißen und keine Berufung dagegen angenommen.
Mißbrauchte er seine Gewalt, so Martine Beschwerde dagegen selten von Er¬
folg und eine falsche Aussage des Gendarmen kaum widerlegbar, denn sein
Wort war wie ein Eid, welchem unbedingt geglaubt werden mußte.

Um sich Ansehen und Ruf einer besondern Thätigkeit zu verschaffen, ver¬
anlaßten manche Gendarmen ohne erhebliche Ursachen Arretirungen und wußten


22,000 Unteroffiziere oder zu Unteroffizieren Befähigte entzogen! In den deut¬
schen Provinzen mochten sich zwar die Nachtheile hievon weniger fühlbar machen;
desto empfindlicher mußten sie in den ungarischen, slavischen und rumänischen
Regimentern sein, wo die Obersten schon früher nur mit Mühe den nöthigen
Ersatz an Unteroffizieren aufzubringen vermocht hatten.

Die vom Kaiser Ferdinand einige Jahre früher erlassene Herabsehung der
Dienstzeit verminderte zwar die Zahl der altgedienter Unteroffiziere, verjüngte
und erfrischte' aber auch die Armee in einer zweckdienlichen Weise.

Nun aber nahm die Gendarmerie den Truppen, besonders der Kavallerie
und Infanterie, die besten und rüstigsten Unteroffiziere und den Nachwuchs der
selben hinweg.

Die Polizei, Gardcgcndarmerie und die andern übermäßig verstärkten
Garden, Miiitärerziehungsanstaltcn. Kanzleien u, s. w, setzten die Linientruppen
auf gleiche Weise in Tribut, so daß bei denselben fast nur Recruten und einige
zwar ältere, aber entweder körperlich oder moralisch defecte Leute verblieben.

Die hohe Besoldung war dem anstrengenden Dienste der Mannschaft an¬
gemessen, erschien aber bei vielen Offizieren, besonders bei den Stabsoffizieren,
welche kein Regiment befehligten, nicht gerechtfertigt und erregte daher bei an¬
dern Militärs von gleichem Range Neid und Verdruß.

Auch die Bekleidung war nicht sonderlich zweckmäßig. Grüne Waffen¬
röcke mit rosenrothen Vorstoßen, gelben Epaulets und Fangschnüren, graue,
im Sommer weiße Beinkleider, weißes Lederwerk und eine schwere Pickelhaube
mochten sich Wohl bei Paraden, im Gerichtssaale und in den Straßen einer
Hauptstadt recht hübsch ausnehmen, waren aber sehr unpraktisch für den das
Land durchstreifenden Gendarmen, zumal die Pickelhaube von keinem an¬
dern Soldaten der östreichischen Armee getragen wurde und der flüchtige Ver¬
brecher bei dem Ansichtigwcrden dieser weithin strahlenden Kopfbedeckung den
Gendarmen erkennen und sich bei Zeiten nach einem Versteck umsehen konnte.

Bei der Bevölkerung selbst mußte die Gendarmerie in kurzer Zeit sehr
unbeliebt werden, und die erwartete» Vortheile blieben fast gänzlich aus.

Unbestreitbar gebühren einem Gendarmen gewisse Vorrechte und eine ziem¬
lich ausgedehnte Vollmacht, — aber man überschritt in Oestreich das in dieser
Hinsicht zulässige Maß.

Gegen den Befehl des Gendarmen gab es keinen Widerspruch; was er
gethan hatte, wurde gutgeheißen und keine Berufung dagegen angenommen.
Mißbrauchte er seine Gewalt, so Martine Beschwerde dagegen selten von Er¬
folg und eine falsche Aussage des Gendarmen kaum widerlegbar, denn sein
Wort war wie ein Eid, welchem unbedingt geglaubt werden mußte.

Um sich Ansehen und Ruf einer besondern Thätigkeit zu verschaffen, ver¬
anlaßten manche Gendarmen ohne erhebliche Ursachen Arretirungen und wußten


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[0340] 22,000 Unteroffiziere oder zu Unteroffizieren Befähigte entzogen! In den deut¬ schen Provinzen mochten sich zwar die Nachtheile hievon weniger fühlbar machen; desto empfindlicher mußten sie in den ungarischen, slavischen und rumänischen Regimentern sein, wo die Obersten schon früher nur mit Mühe den nöthigen Ersatz an Unteroffizieren aufzubringen vermocht hatten. Die vom Kaiser Ferdinand einige Jahre früher erlassene Herabsehung der Dienstzeit verminderte zwar die Zahl der altgedienter Unteroffiziere, verjüngte und erfrischte' aber auch die Armee in einer zweckdienlichen Weise. Nun aber nahm die Gendarmerie den Truppen, besonders der Kavallerie und Infanterie, die besten und rüstigsten Unteroffiziere und den Nachwuchs der selben hinweg. Die Polizei, Gardcgcndarmerie und die andern übermäßig verstärkten Garden, Miiitärerziehungsanstaltcn. Kanzleien u, s. w, setzten die Linientruppen auf gleiche Weise in Tribut, so daß bei denselben fast nur Recruten und einige zwar ältere, aber entweder körperlich oder moralisch defecte Leute verblieben. Die hohe Besoldung war dem anstrengenden Dienste der Mannschaft an¬ gemessen, erschien aber bei vielen Offizieren, besonders bei den Stabsoffizieren, welche kein Regiment befehligten, nicht gerechtfertigt und erregte daher bei an¬ dern Militärs von gleichem Range Neid und Verdruß. Auch die Bekleidung war nicht sonderlich zweckmäßig. Grüne Waffen¬ röcke mit rosenrothen Vorstoßen, gelben Epaulets und Fangschnüren, graue, im Sommer weiße Beinkleider, weißes Lederwerk und eine schwere Pickelhaube mochten sich Wohl bei Paraden, im Gerichtssaale und in den Straßen einer Hauptstadt recht hübsch ausnehmen, waren aber sehr unpraktisch für den das Land durchstreifenden Gendarmen, zumal die Pickelhaube von keinem an¬ dern Soldaten der östreichischen Armee getragen wurde und der flüchtige Ver¬ brecher bei dem Ansichtigwcrden dieser weithin strahlenden Kopfbedeckung den Gendarmen erkennen und sich bei Zeiten nach einem Versteck umsehen konnte. Bei der Bevölkerung selbst mußte die Gendarmerie in kurzer Zeit sehr unbeliebt werden, und die erwartete» Vortheile blieben fast gänzlich aus. Unbestreitbar gebühren einem Gendarmen gewisse Vorrechte und eine ziem¬ lich ausgedehnte Vollmacht, — aber man überschritt in Oestreich das in dieser Hinsicht zulässige Maß. Gegen den Befehl des Gendarmen gab es keinen Widerspruch; was er gethan hatte, wurde gutgeheißen und keine Berufung dagegen angenommen. Mißbrauchte er seine Gewalt, so Martine Beschwerde dagegen selten von Er¬ folg und eine falsche Aussage des Gendarmen kaum widerlegbar, denn sein Wort war wie ein Eid, welchem unbedingt geglaubt werden mußte. Um sich Ansehen und Ruf einer besondern Thätigkeit zu verschaffen, ver¬ anlaßten manche Gendarmen ohne erhebliche Ursachen Arretirungen und wußten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/340>, abgerufen am 08.01.2025.