Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.wöhnlich auf dem stufenweisen Dienstwege, in manchen Fällen aber konnten Der gemeine Gendarm besaß Unteroffiziersrang in der Armee und genoß Der Gendarm konnte jeden Offizier verhaften ohne einen Haftbefehl vor¬ Ein anderer, die Armee tief berührender Nachtheil war das allzu hastige 42"
wöhnlich auf dem stufenweisen Dienstwege, in manchen Fällen aber konnten Der gemeine Gendarm besaß Unteroffiziersrang in der Armee und genoß Der Gendarm konnte jeden Offizier verhaften ohne einen Haftbefehl vor¬ Ein anderer, die Armee tief berührender Nachtheil war das allzu hastige 42"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114119"/> <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> wöhnlich auf dem stufenweisen Dienstwege, in manchen Fällen aber konnten<lb/> selbst Postcncommandanten mit Umgehung ihrer nächsten Vorgesetzten, ja wohl<lb/> über diese Vorgesetzten selbst, der obersten Behörde geheimen Bericht erstatten,<lb/> wodurch der Angeberei Bahn gebrochen wurde. Noch mehr wurde diese dadurch<lb/> befördert, daß die Gendarmerie über die in ihrem Bezirke befindlichen Staats¬<lb/> beamten und umgekehrt wieder diese über die Gendarmerie geheimen Rapport<lb/> abstatten mußten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060"> Der gemeine Gendarm besaß Unteroffiziersrang in der Armee und genoß<lb/> überhaupt verschiedene Vorzüge, verlor aber diesen Rang, wenn er — auch<lb/> ohne seine Verschulden — zur Truppe zurückversetzt wurde. Wer als Offizier<lb/> oder Unteroffizier aus der Gendarmerie entfernt wurde, konnte seine militärische<lb/> Laufbahn als geschlossen betrachten. Denn der Makel, zur Gendarmerie nicht<lb/> tauglich befunden worden zu sein, klebte unauslöschlich an. Man bedachte<lb/> nicht, daß man ein ausgezeichneter Soldat und doch nur ein mittelmäßiger<lb/> Gendarm sein könne. Und die Entfernung aus der Gendarmerie erfolgte oft<lb/> der unbedeutendsten, mit dem Gcndarmeriedienste in gar keiner Verbindung<lb/> stehenden Ursachen wegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1061"> Der Gendarm konnte jeden Offizier verhaften ohne einen Haftbefehl vor¬<lb/> zeigen zu müssen, er sprach einfach-. „Im Namen des Gesetzes", und es mußte<lb/> ihm Gehorsam geleistet werden; der Gendarm selbst aber war sogar hohen<lb/> Militär- oder Civilbehörden gegenüber unantastbar und brauchte nicht einmal<lb/> Auskunft zu ertheilen. Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie galt als das<lb/> höchste Verbrechen, demungeachtet wurde der von der Gendarmerie verhaftete<lb/> Soldat empfindlicher gestraft, als jener, welcher von einer Polizei- oder Mili¬<lb/> tärpatrouille oder von den Organen einer Civilbehörde verhaftet wurde. Die¬<lb/> ses Alles erzeugte im Heere einen gründlichen Widerwillen gegen die Gen¬<lb/> darmerie, und die sonst so innige, fast sprichwörtlich gewordene Kameradschaft<lb/> der östreichischen Militärs fand zwischen der Armee und der Gendarmerie nur<lb/> ausnahmsweise statt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Ein anderer, die Armee tief berührender Nachtheil war das allzu hastige<lb/> Vorgehen bei Errichtung der Gendarmerie. Eine solche Truppe errichtet man<lb/> nicht regimenterweise. Die Mannschaft wurde, wenigstens in gewisser Hinficht,<lb/> sehr sorgfältig ausgesucht. Der Mann mußte eine ansehnliche Größe besitzen,<lb/> des Lesens und Schreibens, sowie der deutschen Sprache und in den nicht<lb/> deutschen Provinzen auch der Landessprache kundig, er mußte endlich im Exer-<lb/> ciren und bei der reitenden Gendarmerie im Reiten vollkommen ausgebildet und<lb/> von einer tadellosen Aufführung sein. Diese Anforderungen übertrafen jene,<lb/> welche man an einen tüchtigen Unteroffizier zu stellen gewohnt war Nur höchst<lb/> selten, im Anfange gar nicht, wurden besonders befähigte Recruten direct der<lb/> Gendarmerie zugetheilt. Mit einem Schlage wurden also der Armee über</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 42"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
wöhnlich auf dem stufenweisen Dienstwege, in manchen Fällen aber konnten
selbst Postcncommandanten mit Umgehung ihrer nächsten Vorgesetzten, ja wohl
über diese Vorgesetzten selbst, der obersten Behörde geheimen Bericht erstatten,
wodurch der Angeberei Bahn gebrochen wurde. Noch mehr wurde diese dadurch
befördert, daß die Gendarmerie über die in ihrem Bezirke befindlichen Staats¬
beamten und umgekehrt wieder diese über die Gendarmerie geheimen Rapport
abstatten mußten.
Der gemeine Gendarm besaß Unteroffiziersrang in der Armee und genoß
überhaupt verschiedene Vorzüge, verlor aber diesen Rang, wenn er — auch
ohne seine Verschulden — zur Truppe zurückversetzt wurde. Wer als Offizier
oder Unteroffizier aus der Gendarmerie entfernt wurde, konnte seine militärische
Laufbahn als geschlossen betrachten. Denn der Makel, zur Gendarmerie nicht
tauglich befunden worden zu sein, klebte unauslöschlich an. Man bedachte
nicht, daß man ein ausgezeichneter Soldat und doch nur ein mittelmäßiger
Gendarm sein könne. Und die Entfernung aus der Gendarmerie erfolgte oft
der unbedeutendsten, mit dem Gcndarmeriedienste in gar keiner Verbindung
stehenden Ursachen wegen.
Der Gendarm konnte jeden Offizier verhaften ohne einen Haftbefehl vor¬
zeigen zu müssen, er sprach einfach-. „Im Namen des Gesetzes", und es mußte
ihm Gehorsam geleistet werden; der Gendarm selbst aber war sogar hohen
Militär- oder Civilbehörden gegenüber unantastbar und brauchte nicht einmal
Auskunft zu ertheilen. Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie galt als das
höchste Verbrechen, demungeachtet wurde der von der Gendarmerie verhaftete
Soldat empfindlicher gestraft, als jener, welcher von einer Polizei- oder Mili¬
tärpatrouille oder von den Organen einer Civilbehörde verhaftet wurde. Die¬
ses Alles erzeugte im Heere einen gründlichen Widerwillen gegen die Gen¬
darmerie, und die sonst so innige, fast sprichwörtlich gewordene Kameradschaft
der östreichischen Militärs fand zwischen der Armee und der Gendarmerie nur
ausnahmsweise statt.
Ein anderer, die Armee tief berührender Nachtheil war das allzu hastige
Vorgehen bei Errichtung der Gendarmerie. Eine solche Truppe errichtet man
nicht regimenterweise. Die Mannschaft wurde, wenigstens in gewisser Hinficht,
sehr sorgfältig ausgesucht. Der Mann mußte eine ansehnliche Größe besitzen,
des Lesens und Schreibens, sowie der deutschen Sprache und in den nicht
deutschen Provinzen auch der Landessprache kundig, er mußte endlich im Exer-
ciren und bei der reitenden Gendarmerie im Reiten vollkommen ausgebildet und
von einer tadellosen Aufführung sein. Diese Anforderungen übertrafen jene,
welche man an einen tüchtigen Unteroffizier zu stellen gewohnt war Nur höchst
selten, im Anfange gar nicht, wurden besonders befähigte Recruten direct der
Gendarmerie zugetheilt. Mit einem Schlage wurden also der Armee über
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