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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Nachbarvölkern Sitte. Vielweiberei ist ziemkcb selten und ein Luxus der Vornehmen
und Reichen. Im ganzen Land der Bogos befinden sich Saum 50 Personen
in doppelter Ehe und kaum 5 mit mehr als zwei Frauen. Das materielle
Interesse, sich große Verwandtschaft zu erwerben, ist eine Hauptursache der Po¬
lygamie, und überdies fügt oft. wie bemerkt, der Tod eines Bruders dessen
Wittwe der ersten Frau hinzu. Der Volksmund hält jedenfalls die Vielweiberei
für ein Unglück; denn einer der stärksten Flüche der Vogos ist: "Bal leur
gaba!" d. i. halte zwei Frauen.

Das Gesetz und Herkommen stellt die Frau sehr niedrig. Ob ledig oder
verheirathet, ist sie rechtsunfähig,'was durch den ungalanter Satz ausgedrückt
wird: "Ogheina woga gen," das Weib ist eine Hyäne. Sie kann nicht erben, noch
bürgen, noch Zeugniß ablegen, noch zum Eid angehalten werden. Sie hat keine
Rcchtsverantwvrtlichkeit. Eine Frau, des Mordes angeklagt, kann niemals da¬
für vor Gericht gezogen werden. Der Mann kann sich von ihr scheiden, sobald
er will. Dagegen gilt es für unrecht, seine Frau mir Arbeit anzustrengen, da
es ein Hauptvorurtheil dieses Volkes ist, der wahre Zustand der Frau sei der
Müßiggang und nur die Noth verpflichte anch sie zur Arbeit. So holen nur
die Frauen ganz dürftiger Leute Holz und Wasser, bereiten sich ihre Nahrung
u. s. w.; wer irgend kann, läßt alles dies durch eine Magd besorge", und
Frauen Von Stand beschäftigen sich außer dem Flechten von Matten und Körb-
chen nur mit ihrer Toilette. Die Damenwelt hält auch unter diesen Halb¬
wilden viel auf Putz und Schmuck. Massive Silberringe um die Arm- und
Fußknöchel, goldne Ringe im rechten Nasenflügel oder in den Ohrläppchen,
silberne Kettchen in den Haarflechten, Glasperlen als Halsbänder bilden die
Hauptwünsche einer Bogosdame. Ein kleiner Nürnberger Spiegel darf nicht
fehlen. Lange Nägel sind von gutem Ton. Als Schminke dient frische But¬
ter, Fett oder Oel vermischt mit Spczcreic".

Das Haus bei den Bogos hat die Gestalt eines umgestürzte" Kessels, ist
aus dünnen Stangen zusammengeflochten und von unten auf mit Stroh bedeckt,
so daß das Ganze ein Dach bildet, ohne Fenster und nur mit einer Thür.
Die häusigen Zerstörungen der Dörfer durch kriegerische Nachbarn haben den
Leuten die Neigung benommen, wie früher in Stein zu bauen. Das Haus
wird durch einen durchsichtigen Mattenvvrhang in zwei Hälften geschieden, von
welchen die der Thür zunächst gelegne für die Besucher ist. In der andern
steht ein Mattenzelt, das sogenannte "Beitbcitora", Haus im Haus, das über
dem großen Ehebett ausgespannt ist. Als Matratze dient eine Matte, die von
dünnen zusammengereihten Palmcnstäbchen gemacht ist, als Decke eine große
rothgegerbte Kuhhaut. Nicht fern vom Bett ist der Feuerherd, drei im Dreieck
gestellte Steine, und ein Gerüst, welches die Kleider, Gefäße und Geräthe der
Familie trägt. Das Bett ist der gewöhnliche Aufenthalt der Hausfrau, die,


Nachbarvölkern Sitte. Vielweiberei ist ziemkcb selten und ein Luxus der Vornehmen
und Reichen. Im ganzen Land der Bogos befinden sich Saum 50 Personen
in doppelter Ehe und kaum 5 mit mehr als zwei Frauen. Das materielle
Interesse, sich große Verwandtschaft zu erwerben, ist eine Hauptursache der Po¬
lygamie, und überdies fügt oft. wie bemerkt, der Tod eines Bruders dessen
Wittwe der ersten Frau hinzu. Der Volksmund hält jedenfalls die Vielweiberei
für ein Unglück; denn einer der stärksten Flüche der Vogos ist: „Bal leur
gaba!" d. i. halte zwei Frauen.

Das Gesetz und Herkommen stellt die Frau sehr niedrig. Ob ledig oder
verheirathet, ist sie rechtsunfähig,'was durch den ungalanter Satz ausgedrückt
wird: „Ogheina woga gen," das Weib ist eine Hyäne. Sie kann nicht erben, noch
bürgen, noch Zeugniß ablegen, noch zum Eid angehalten werden. Sie hat keine
Rcchtsverantwvrtlichkeit. Eine Frau, des Mordes angeklagt, kann niemals da¬
für vor Gericht gezogen werden. Der Mann kann sich von ihr scheiden, sobald
er will. Dagegen gilt es für unrecht, seine Frau mir Arbeit anzustrengen, da
es ein Hauptvorurtheil dieses Volkes ist, der wahre Zustand der Frau sei der
Müßiggang und nur die Noth verpflichte anch sie zur Arbeit. So holen nur
die Frauen ganz dürftiger Leute Holz und Wasser, bereiten sich ihre Nahrung
u. s. w.; wer irgend kann, läßt alles dies durch eine Magd besorge», und
Frauen Von Stand beschäftigen sich außer dem Flechten von Matten und Körb-
chen nur mit ihrer Toilette. Die Damenwelt hält auch unter diesen Halb¬
wilden viel auf Putz und Schmuck. Massive Silberringe um die Arm- und
Fußknöchel, goldne Ringe im rechten Nasenflügel oder in den Ohrläppchen,
silberne Kettchen in den Haarflechten, Glasperlen als Halsbänder bilden die
Hauptwünsche einer Bogosdame. Ein kleiner Nürnberger Spiegel darf nicht
fehlen. Lange Nägel sind von gutem Ton. Als Schminke dient frische But¬
ter, Fett oder Oel vermischt mit Spczcreic».

Das Haus bei den Bogos hat die Gestalt eines umgestürzte» Kessels, ist
aus dünnen Stangen zusammengeflochten und von unten auf mit Stroh bedeckt,
so daß das Ganze ein Dach bildet, ohne Fenster und nur mit einer Thür.
Die häusigen Zerstörungen der Dörfer durch kriegerische Nachbarn haben den
Leuten die Neigung benommen, wie früher in Stein zu bauen. Das Haus
wird durch einen durchsichtigen Mattenvvrhang in zwei Hälften geschieden, von
welchen die der Thür zunächst gelegne für die Besucher ist. In der andern
steht ein Mattenzelt, das sogenannte „Beitbcitora", Haus im Haus, das über
dem großen Ehebett ausgespannt ist. Als Matratze dient eine Matte, die von
dünnen zusammengereihten Palmcnstäbchen gemacht ist, als Decke eine große
rothgegerbte Kuhhaut. Nicht fern vom Bett ist der Feuerherd, drei im Dreieck
gestellte Steine, und ein Gerüst, welches die Kleider, Gefäße und Geräthe der
Familie trägt. Das Bett ist der gewöhnliche Aufenthalt der Hausfrau, die,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/34>, abgerufen am 06.01.2025.