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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Dalmatien, unter allen östreichischen Provinzen von den Kämpfen jener
Zeit verhältnißmäßig am wenigsten berührt, behielt seine Serdaren.

Italien aber war factisch ohne eine eigene Polizei. Die frühere Polizei¬
wache und Gendarmerie lösten sich auf, die treu gebliebenen Reste dieser Corps
verrichteten den Dienst im östreichischen Hauptquartier und gaben ihre Kontin¬
gente zur Errichtung der Stabsinfanterie, Botcnjäger und Stabsdragoner ab.
Die provisorischen Regierungen der Städte, sowie die Sardinier hatten nicht
Zeit, der Regelung der innern Angelegenheiten große Aufmerksamkeit zu schen¬
ken, obschon hie und da eine Art Municipalgarde" errichtet wurde. Nach der
Wiedereroberung des Landes durch die Oestreicher wurden zwar die frühern
Verwaltungs-, Justiz- und Polizeibehörden wieder eingesetzt, der ausübende po¬
lizeiliche Dienst aber wurde provisorisch den Linientruppen übertragen.

Erst nach gänzlicher Unterdrückung der Revolution in allen östreichischen
Provinzen, also Ende 1849, dachte man an die Neuerrichtung der Polizei¬
truppen.

Der Feldmarschalllieutenant Kempen, der Minister Bach und der Kriegs¬
minister General Csorich führten diese Aufgabe ihrer Lösung zu.

Das Verdienstlichste war jedenfalls die Errichtung der Gendarmerie; leider
nur wurde die Grundidee nicht so durchgeführt, daß das Institut die erwarte¬
ten Vortheile schassen und allgemeine Beliebtheit erlangen konnte.

Es wurden in Allem 16 Gendarmerieregimcnter zu Fuß und zu Pferd,
gewöhnlich in jeder Provinz eines errichtet. Diese Regimenter waren von sehr
ungleicher Stärke; so hatte z. B. das dalmatische Regiment wenig über 400 Mann,
darunter kaum 50 Berittene, während die Regimenter in Ungarn und Galizien
über 2000 Mann, wovon ein Drittel beritten, zählten. Einige Jahre später
wurde durch Theilung der drei größten Regimenter die Zahl derselben auf
neunzehn gebracht. Der Stab des Regimentes befand sich in der Hauptstadt
der betreffenden Provinz, wogegen zwei oder drei Majore desselben in den
nächst größeren Städten ihren Sitz hatten. Die Rittmeister waren die Chefs
der Flügel und die Offiziere die der Züge, gewöhnlich in den Kreis- und Be¬
zirkshauptstädten. Wachtmeister und Vicewachtmeistcr waren als Sectionscom-
mandantcn in den Märkten und allen größeren Dörfern aufgestellt. Derlei
Posten bestanden aus einem Unteroffizier und drei bis nenn Gendarmen. Die
gesammte Gendarmerie stand unter der Leitung der General-Inspection in Wien,
an deren Spitze der General Kempen stand.

So war denn über die ganze Monarchie ein Netz gebreitet, mit einem
Mittelpunkte, von welchem aus man das Ganze bis in die kleinsten Details
leicht und sicher leiten zu können vermeinte. Aber der ganze Plan wurde lei¬
der in zu bureaukratischer und militär-dictatorischer Weise durchgeführt, keine
Generalinspection correspondirte mit ihren untergeordneten Organen für ge-


Dalmatien, unter allen östreichischen Provinzen von den Kämpfen jener
Zeit verhältnißmäßig am wenigsten berührt, behielt seine Serdaren.

Italien aber war factisch ohne eine eigene Polizei. Die frühere Polizei¬
wache und Gendarmerie lösten sich auf, die treu gebliebenen Reste dieser Corps
verrichteten den Dienst im östreichischen Hauptquartier und gaben ihre Kontin¬
gente zur Errichtung der Stabsinfanterie, Botcnjäger und Stabsdragoner ab.
Die provisorischen Regierungen der Städte, sowie die Sardinier hatten nicht
Zeit, der Regelung der innern Angelegenheiten große Aufmerksamkeit zu schen¬
ken, obschon hie und da eine Art Municipalgarde" errichtet wurde. Nach der
Wiedereroberung des Landes durch die Oestreicher wurden zwar die frühern
Verwaltungs-, Justiz- und Polizeibehörden wieder eingesetzt, der ausübende po¬
lizeiliche Dienst aber wurde provisorisch den Linientruppen übertragen.

Erst nach gänzlicher Unterdrückung der Revolution in allen östreichischen
Provinzen, also Ende 1849, dachte man an die Neuerrichtung der Polizei¬
truppen.

Der Feldmarschalllieutenant Kempen, der Minister Bach und der Kriegs¬
minister General Csorich führten diese Aufgabe ihrer Lösung zu.

Das Verdienstlichste war jedenfalls die Errichtung der Gendarmerie; leider
nur wurde die Grundidee nicht so durchgeführt, daß das Institut die erwarte¬
ten Vortheile schassen und allgemeine Beliebtheit erlangen konnte.

Es wurden in Allem 16 Gendarmerieregimcnter zu Fuß und zu Pferd,
gewöhnlich in jeder Provinz eines errichtet. Diese Regimenter waren von sehr
ungleicher Stärke; so hatte z. B. das dalmatische Regiment wenig über 400 Mann,
darunter kaum 50 Berittene, während die Regimenter in Ungarn und Galizien
über 2000 Mann, wovon ein Drittel beritten, zählten. Einige Jahre später
wurde durch Theilung der drei größten Regimenter die Zahl derselben auf
neunzehn gebracht. Der Stab des Regimentes befand sich in der Hauptstadt
der betreffenden Provinz, wogegen zwei oder drei Majore desselben in den
nächst größeren Städten ihren Sitz hatten. Die Rittmeister waren die Chefs
der Flügel und die Offiziere die der Züge, gewöhnlich in den Kreis- und Be¬
zirkshauptstädten. Wachtmeister und Vicewachtmeistcr waren als Sectionscom-
mandantcn in den Märkten und allen größeren Dörfern aufgestellt. Derlei
Posten bestanden aus einem Unteroffizier und drei bis nenn Gendarmen. Die
gesammte Gendarmerie stand unter der Leitung der General-Inspection in Wien,
an deren Spitze der General Kempen stand.

So war denn über die ganze Monarchie ein Netz gebreitet, mit einem
Mittelpunkte, von welchem aus man das Ganze bis in die kleinsten Details
leicht und sicher leiten zu können vermeinte. Aber der ganze Plan wurde lei¬
der in zu bureaukratischer und militär-dictatorischer Weise durchgeführt, keine
Generalinspection correspondirte mit ihren untergeordneten Organen für ge-


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[0338] Dalmatien, unter allen östreichischen Provinzen von den Kämpfen jener Zeit verhältnißmäßig am wenigsten berührt, behielt seine Serdaren. Italien aber war factisch ohne eine eigene Polizei. Die frühere Polizei¬ wache und Gendarmerie lösten sich auf, die treu gebliebenen Reste dieser Corps verrichteten den Dienst im östreichischen Hauptquartier und gaben ihre Kontin¬ gente zur Errichtung der Stabsinfanterie, Botcnjäger und Stabsdragoner ab. Die provisorischen Regierungen der Städte, sowie die Sardinier hatten nicht Zeit, der Regelung der innern Angelegenheiten große Aufmerksamkeit zu schen¬ ken, obschon hie und da eine Art Municipalgarde" errichtet wurde. Nach der Wiedereroberung des Landes durch die Oestreicher wurden zwar die frühern Verwaltungs-, Justiz- und Polizeibehörden wieder eingesetzt, der ausübende po¬ lizeiliche Dienst aber wurde provisorisch den Linientruppen übertragen. Erst nach gänzlicher Unterdrückung der Revolution in allen östreichischen Provinzen, also Ende 1849, dachte man an die Neuerrichtung der Polizei¬ truppen. Der Feldmarschalllieutenant Kempen, der Minister Bach und der Kriegs¬ minister General Csorich führten diese Aufgabe ihrer Lösung zu. Das Verdienstlichste war jedenfalls die Errichtung der Gendarmerie; leider nur wurde die Grundidee nicht so durchgeführt, daß das Institut die erwarte¬ ten Vortheile schassen und allgemeine Beliebtheit erlangen konnte. Es wurden in Allem 16 Gendarmerieregimcnter zu Fuß und zu Pferd, gewöhnlich in jeder Provinz eines errichtet. Diese Regimenter waren von sehr ungleicher Stärke; so hatte z. B. das dalmatische Regiment wenig über 400 Mann, darunter kaum 50 Berittene, während die Regimenter in Ungarn und Galizien über 2000 Mann, wovon ein Drittel beritten, zählten. Einige Jahre später wurde durch Theilung der drei größten Regimenter die Zahl derselben auf neunzehn gebracht. Der Stab des Regimentes befand sich in der Hauptstadt der betreffenden Provinz, wogegen zwei oder drei Majore desselben in den nächst größeren Städten ihren Sitz hatten. Die Rittmeister waren die Chefs der Flügel und die Offiziere die der Züge, gewöhnlich in den Kreis- und Be¬ zirkshauptstädten. Wachtmeister und Vicewachtmeistcr waren als Sectionscom- mandantcn in den Märkten und allen größeren Dörfern aufgestellt. Derlei Posten bestanden aus einem Unteroffizier und drei bis nenn Gendarmen. Die gesammte Gendarmerie stand unter der Leitung der General-Inspection in Wien, an deren Spitze der General Kempen stand. So war denn über die ganze Monarchie ein Netz gebreitet, mit einem Mittelpunkte, von welchem aus man das Ganze bis in die kleinsten Details leicht und sicher leiten zu können vermeinte. Aber der ganze Plan wurde lei¬ der in zu bureaukratischer und militär-dictatorischer Weise durchgeführt, keine Generalinspection correspondirte mit ihren untergeordneten Organen für ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/338>, abgerufen am 08.01.2025.