Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eigene Municipalgarde oder Sicherheitswache zu Fuß und zu Pferde. Die Be¬
kleidung dieses Corps bestand in grasgrünen Waffenröcken mit hochrothen Auf¬
schlägen, grauen Beinkleidern und Tschakos oder Helmen, auf welchen das
Stadtwappen angebracht war. Ein leichter Schleppsäbel war die gewöhnliche
Waffe.

Auf den ersten Anblick machte diese Municipalgarde einen recht günstigen
Eindruck, da dieselbe durchgehends aus großen und stattlichen Leuten bestand,
auf deren Anzug und Ausrüstung hinreichende Sorgfalt verwendet wurden Da
aber das in Oestreich althergebrachte Protectionswesen auch hier Wurzeln faßte
und bald nur die Schützlinge der ersten Gemeindebeamten und anderer ein¬
flußreicher Personen aufgenommen wurden, während man doch auf die körper¬
liche Befähigung Werth legte, so mußte man in den übrigen Anforderungen
"achlassen und auf Intelligenz und ein tadelloses Vorleben verzichten.

Kleineren Skandalen ruhig zusehend und bei größeren Ereignissen durch
das sofortige Erscheinen der Nationalgarde, der Studentcnlegion, oder auch des
Militärs überflüssig gemacht, spielte die Sicherheitswache eine wenig glänzende
Rolle und machte nur einmal (bei der Arbeiter-Emeute Ende August 1848)
einen Versuch zur Wiederherstellung der Ruhe, wobei sie freilich ihrem Namen
eine traurige Berühmtheit verschaffte.

" In vielen,Städten der deutsch-östreichischen Provinzen übernahm die Na¬
tionalgarde den Polizeidienst, ohne jedoch das allgemeine Beste hierdurch sonder¬
lich zu befördern.

Indessen bestand auch die frühere Polizeiwache noch fort. Sie hatte gleich
im Anfange den verhaßten Haselstock abgelegt und schien sich dem Publicum
gegenüber eines humaneren Auftretens befleißigen zu wollen. Bald aber ver¬
minderte sich ihre Thätigkeit mehr, und mehr und hörte endlich ganz auf. Die
Polizei existirte noch, war aber nicht mehr zu sehen. Vielleicht wollte sie durch
die Einstellung jeder, auch der nothwendigsten Thätigkeit, die Bevölkerung von
ihrer Nothwendigkeit überzeugen, um nach dem sehnlich erwarteten Siege der
Reaction eine größere Gewalt als je zu erhalten.

Nach den Octobertagen kam die Polizei aus ihren Verstecken hervor und
wurde von Vielen freudig begrüßt. "Lieber die schlechteste Polizei als gar
keine," war zu jener Zeit das Losungswort der "gutgesinnten" Wiener.

In Ungarn ließ man das alte Pandurenwesen fortbestehen, wiewohl an
manchen Orten die Nationalgarde -- zum großen Verdrusse der Edelleute --
sich einen Theil des Polizeidicnstes zueignete. Obgleich gewöhnlich Vollblut¬
magyaren, benahmen sich diese Panduren mit solchem Takte, daß ihnen nach
dem endlichen Siege der Oestreicher nicht nur die Waffen nicht abgenommen,
sondern sogar die Gleichstellung mit den kaiserlichen Polizeisoldaten und die einst¬
weilige Fortführung ihres Amtes zugestanden wurden.


Grenjbvtm II. 1862. 42

eigene Municipalgarde oder Sicherheitswache zu Fuß und zu Pferde. Die Be¬
kleidung dieses Corps bestand in grasgrünen Waffenröcken mit hochrothen Auf¬
schlägen, grauen Beinkleidern und Tschakos oder Helmen, auf welchen das
Stadtwappen angebracht war. Ein leichter Schleppsäbel war die gewöhnliche
Waffe.

Auf den ersten Anblick machte diese Municipalgarde einen recht günstigen
Eindruck, da dieselbe durchgehends aus großen und stattlichen Leuten bestand,
auf deren Anzug und Ausrüstung hinreichende Sorgfalt verwendet wurden Da
aber das in Oestreich althergebrachte Protectionswesen auch hier Wurzeln faßte
und bald nur die Schützlinge der ersten Gemeindebeamten und anderer ein¬
flußreicher Personen aufgenommen wurden, während man doch auf die körper¬
liche Befähigung Werth legte, so mußte man in den übrigen Anforderungen
»achlassen und auf Intelligenz und ein tadelloses Vorleben verzichten.

Kleineren Skandalen ruhig zusehend und bei größeren Ereignissen durch
das sofortige Erscheinen der Nationalgarde, der Studentcnlegion, oder auch des
Militärs überflüssig gemacht, spielte die Sicherheitswache eine wenig glänzende
Rolle und machte nur einmal (bei der Arbeiter-Emeute Ende August 1848)
einen Versuch zur Wiederherstellung der Ruhe, wobei sie freilich ihrem Namen
eine traurige Berühmtheit verschaffte.

« In vielen,Städten der deutsch-östreichischen Provinzen übernahm die Na¬
tionalgarde den Polizeidienst, ohne jedoch das allgemeine Beste hierdurch sonder¬
lich zu befördern.

Indessen bestand auch die frühere Polizeiwache noch fort. Sie hatte gleich
im Anfange den verhaßten Haselstock abgelegt und schien sich dem Publicum
gegenüber eines humaneren Auftretens befleißigen zu wollen. Bald aber ver¬
minderte sich ihre Thätigkeit mehr, und mehr und hörte endlich ganz auf. Die
Polizei existirte noch, war aber nicht mehr zu sehen. Vielleicht wollte sie durch
die Einstellung jeder, auch der nothwendigsten Thätigkeit, die Bevölkerung von
ihrer Nothwendigkeit überzeugen, um nach dem sehnlich erwarteten Siege der
Reaction eine größere Gewalt als je zu erhalten.

Nach den Octobertagen kam die Polizei aus ihren Verstecken hervor und
wurde von Vielen freudig begrüßt. „Lieber die schlechteste Polizei als gar
keine," war zu jener Zeit das Losungswort der „gutgesinnten" Wiener.

In Ungarn ließ man das alte Pandurenwesen fortbestehen, wiewohl an
manchen Orten die Nationalgarde — zum großen Verdrusse der Edelleute —
sich einen Theil des Polizeidicnstes zueignete. Obgleich gewöhnlich Vollblut¬
magyaren, benahmen sich diese Panduren mit solchem Takte, daß ihnen nach
dem endlichen Siege der Oestreicher nicht nur die Waffen nicht abgenommen,
sondern sogar die Gleichstellung mit den kaiserlichen Polizeisoldaten und die einst¬
weilige Fortführung ihres Amtes zugestanden wurden.


Grenjbvtm II. 1862. 42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114117"/>
          <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> eigene Municipalgarde oder Sicherheitswache zu Fuß und zu Pferde. Die Be¬<lb/>
kleidung dieses Corps bestand in grasgrünen Waffenröcken mit hochrothen Auf¬<lb/>
schlägen, grauen Beinkleidern und Tschakos oder Helmen, auf welchen das<lb/>
Stadtwappen angebracht war. Ein leichter Schleppsäbel war die gewöhnliche<lb/>
Waffe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046"> Auf den ersten Anblick machte diese Municipalgarde einen recht günstigen<lb/>
Eindruck, da dieselbe durchgehends aus großen und stattlichen Leuten bestand,<lb/>
auf deren Anzug und Ausrüstung hinreichende Sorgfalt verwendet wurden Da<lb/>
aber das in Oestreich althergebrachte Protectionswesen auch hier Wurzeln faßte<lb/>
und bald nur die Schützlinge der ersten Gemeindebeamten und anderer ein¬<lb/>
flußreicher Personen aufgenommen wurden, während man doch auf die körper¬<lb/>
liche Befähigung Werth legte, so mußte man in den übrigen Anforderungen<lb/>
»achlassen und auf Intelligenz und ein tadelloses Vorleben verzichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1047"> Kleineren Skandalen ruhig zusehend und bei größeren Ereignissen durch<lb/>
das sofortige Erscheinen der Nationalgarde, der Studentcnlegion, oder auch des<lb/>
Militärs überflüssig gemacht, spielte die Sicherheitswache eine wenig glänzende<lb/>
Rolle und machte nur einmal (bei der Arbeiter-Emeute Ende August 1848)<lb/>
einen Versuch zur Wiederherstellung der Ruhe, wobei sie freilich ihrem Namen<lb/>
eine traurige Berühmtheit verschaffte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1048"> « In vielen,Städten der deutsch-östreichischen Provinzen übernahm die Na¬<lb/>
tionalgarde den Polizeidienst, ohne jedoch das allgemeine Beste hierdurch sonder¬<lb/>
lich zu befördern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1049"> Indessen bestand auch die frühere Polizeiwache noch fort. Sie hatte gleich<lb/>
im Anfange den verhaßten Haselstock abgelegt und schien sich dem Publicum<lb/>
gegenüber eines humaneren Auftretens befleißigen zu wollen. Bald aber ver¬<lb/>
minderte sich ihre Thätigkeit mehr, und mehr und hörte endlich ganz auf. Die<lb/>
Polizei existirte noch, war aber nicht mehr zu sehen. Vielleicht wollte sie durch<lb/>
die Einstellung jeder, auch der nothwendigsten Thätigkeit, die Bevölkerung von<lb/>
ihrer Nothwendigkeit überzeugen, um nach dem sehnlich erwarteten Siege der<lb/>
Reaction eine größere Gewalt als je zu erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1050"> Nach den Octobertagen kam die Polizei aus ihren Verstecken hervor und<lb/>
wurde von Vielen freudig begrüßt. &#x201E;Lieber die schlechteste Polizei als gar<lb/>
keine," war zu jener Zeit das Losungswort der &#x201E;gutgesinnten" Wiener.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1051"> In Ungarn ließ man das alte Pandurenwesen fortbestehen, wiewohl an<lb/>
manchen Orten die Nationalgarde &#x2014; zum großen Verdrusse der Edelleute &#x2014;<lb/>
sich einen Theil des Polizeidicnstes zueignete. Obgleich gewöhnlich Vollblut¬<lb/>
magyaren, benahmen sich diese Panduren mit solchem Takte, daß ihnen nach<lb/>
dem endlichen Siege der Oestreicher nicht nur die Waffen nicht abgenommen,<lb/>
sondern sogar die Gleichstellung mit den kaiserlichen Polizeisoldaten und die einst¬<lb/>
weilige Fortführung ihres Amtes zugestanden wurden.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenjbvtm II. 1862. 42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] eigene Municipalgarde oder Sicherheitswache zu Fuß und zu Pferde. Die Be¬ kleidung dieses Corps bestand in grasgrünen Waffenröcken mit hochrothen Auf¬ schlägen, grauen Beinkleidern und Tschakos oder Helmen, auf welchen das Stadtwappen angebracht war. Ein leichter Schleppsäbel war die gewöhnliche Waffe. Auf den ersten Anblick machte diese Municipalgarde einen recht günstigen Eindruck, da dieselbe durchgehends aus großen und stattlichen Leuten bestand, auf deren Anzug und Ausrüstung hinreichende Sorgfalt verwendet wurden Da aber das in Oestreich althergebrachte Protectionswesen auch hier Wurzeln faßte und bald nur die Schützlinge der ersten Gemeindebeamten und anderer ein¬ flußreicher Personen aufgenommen wurden, während man doch auf die körper¬ liche Befähigung Werth legte, so mußte man in den übrigen Anforderungen »achlassen und auf Intelligenz und ein tadelloses Vorleben verzichten. Kleineren Skandalen ruhig zusehend und bei größeren Ereignissen durch das sofortige Erscheinen der Nationalgarde, der Studentcnlegion, oder auch des Militärs überflüssig gemacht, spielte die Sicherheitswache eine wenig glänzende Rolle und machte nur einmal (bei der Arbeiter-Emeute Ende August 1848) einen Versuch zur Wiederherstellung der Ruhe, wobei sie freilich ihrem Namen eine traurige Berühmtheit verschaffte. « In vielen,Städten der deutsch-östreichischen Provinzen übernahm die Na¬ tionalgarde den Polizeidienst, ohne jedoch das allgemeine Beste hierdurch sonder¬ lich zu befördern. Indessen bestand auch die frühere Polizeiwache noch fort. Sie hatte gleich im Anfange den verhaßten Haselstock abgelegt und schien sich dem Publicum gegenüber eines humaneren Auftretens befleißigen zu wollen. Bald aber ver¬ minderte sich ihre Thätigkeit mehr, und mehr und hörte endlich ganz auf. Die Polizei existirte noch, war aber nicht mehr zu sehen. Vielleicht wollte sie durch die Einstellung jeder, auch der nothwendigsten Thätigkeit, die Bevölkerung von ihrer Nothwendigkeit überzeugen, um nach dem sehnlich erwarteten Siege der Reaction eine größere Gewalt als je zu erhalten. Nach den Octobertagen kam die Polizei aus ihren Verstecken hervor und wurde von Vielen freudig begrüßt. „Lieber die schlechteste Polizei als gar keine," war zu jener Zeit das Losungswort der „gutgesinnten" Wiener. In Ungarn ließ man das alte Pandurenwesen fortbestehen, wiewohl an manchen Orten die Nationalgarde — zum großen Verdrusse der Edelleute — sich einen Theil des Polizeidicnstes zueignete. Obgleich gewöhnlich Vollblut¬ magyaren, benahmen sich diese Panduren mit solchem Takte, daß ihnen nach dem endlichen Siege der Oestreicher nicht nur die Waffen nicht abgenommen, sondern sogar die Gleichstellung mit den kaiserlichen Polizeisoldaten und die einst¬ weilige Fortführung ihres Amtes zugestanden wurden. Grenjbvtm II. 1862. 42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/337>, abgerufen am 08.01.2025.