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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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worden war, bestand aus dunkelgrünen Fracks und Beinkleidern, mit rosenrothen
Aufschlägen und gelben Schnüren, dreieckigen Hüten und grauen Mänteln, die
Bewaffnung aus einem Jnfanteriesäbel und einem leichten Bayonnetgewehr,
bei den reitenden Gendarmen aber aus einem Pallasch und einem Carabiner.

Diese Gendarmen hatten ihre Thätigkeit hauptsächlich auf das Land und
die kleineren Städte auszudehnen, während in Venedig, Mailand, Verona und
andern großen Städten für gewöhnlich nur die Polizeiwache zu fungiren hatte.

Die Mannschaft bestand fast ausnahmslos aus Italienern, wurde aber
mit ziemlicher Sorgfalt aus altgedienter verläßlichen Soldaten der Linieninfan-
terie und des italienischen Chevauxlegersregimentö ausgewählt. Die Offiziere
aber konnten jeder beliebigen Nationalität angehören, wenn sie nur der italie¬
nischen Sprache vollkommen mächtig waren. Die Besoldung der Gendarmen
konnte bei den damaligen Verhältnissen eine wirklich namhafte genannt werden.

Dafür entwickelte auch die östreichisch-italienische Gendarmerie eine rühm¬
liche Thätigkeit und steuerte dem Banditenwesen in einer Art, wie solche in
Italien vordem kaum für möglich gehalten worden war, während in den Nach¬
barländern, besonders im Kuchenstaat, trotz aller Gegenmaßregeln die Unsicher¬
heit der Straßen eher zu- als abnahm.

Gewiß würde auch die Haltung der Gendarmerie beim Ausbruche der Er¬
hebung von 1843 eine bessere gewesen sein, wenn der Abfall nicht von oben
ausgegangen wäre; denn einzelne nur von Offizieren "der Unteroffizieren ge¬
führte Abtheilungen blieben der kaiserlichen Fahne getreu, während in Mailand
der Chef des gesammten Genbarmeriewesens, der alte General Riveira aus
Zaghaftigkeit oder wohl gar in direct verräterischer Weise die Pläne der In¬
surgenten begünstigte, sich im entscheidenden Augenblick krank stellte, heimlich
aber solche Maßregeln traf, daß seine Mannschaft vereinzelt, von der Verbin¬
dung mit den verläßlichen Truppen abgeschnitten und der Verleitung durch die
Insurgenten preisgegeben wurde.

Das Jahr 1848, dessen Stürme das Gebäude des Metternich'schen
Systems zerstörten, brachte in allen Zweigen der Staatsverwaltung eine totale
Umwälzung hervor. War der Polizeistaat gefallen, so mußten auch dessen
Stützen, die Polizei und die Diener derselben, wo nicht ganz außer Thätigkeit
gesetzt, so doch auf den gebührenden Wirkungskreis beschränkt werden.

Während der Märztage in Wien, sowie bald darauf in den meisten Pro¬
vinzen machte sich der lang verhaltene Volksunwille vorerst nur in Angriffen
auf die Polizeiorgane und die Finanzwache Luft. So wurden z. B. in Wien
die Linienämter (Polizei- und Douanehäuser bei den Barrieren) demolirt, ein¬
zelne Finanzwächter und Polizisten verhöhnt und insultirt.

Der Gemeindevorstand von Wien, die von dem Kaiser verliehene größere
Selbständigkeit der Gemeinden zu verwirklichen strebend, errichtete sofort eine


worden war, bestand aus dunkelgrünen Fracks und Beinkleidern, mit rosenrothen
Aufschlägen und gelben Schnüren, dreieckigen Hüten und grauen Mänteln, die
Bewaffnung aus einem Jnfanteriesäbel und einem leichten Bayonnetgewehr,
bei den reitenden Gendarmen aber aus einem Pallasch und einem Carabiner.

Diese Gendarmen hatten ihre Thätigkeit hauptsächlich auf das Land und
die kleineren Städte auszudehnen, während in Venedig, Mailand, Verona und
andern großen Städten für gewöhnlich nur die Polizeiwache zu fungiren hatte.

Die Mannschaft bestand fast ausnahmslos aus Italienern, wurde aber
mit ziemlicher Sorgfalt aus altgedienter verläßlichen Soldaten der Linieninfan-
terie und des italienischen Chevauxlegersregimentö ausgewählt. Die Offiziere
aber konnten jeder beliebigen Nationalität angehören, wenn sie nur der italie¬
nischen Sprache vollkommen mächtig waren. Die Besoldung der Gendarmen
konnte bei den damaligen Verhältnissen eine wirklich namhafte genannt werden.

Dafür entwickelte auch die östreichisch-italienische Gendarmerie eine rühm¬
liche Thätigkeit und steuerte dem Banditenwesen in einer Art, wie solche in
Italien vordem kaum für möglich gehalten worden war, während in den Nach¬
barländern, besonders im Kuchenstaat, trotz aller Gegenmaßregeln die Unsicher¬
heit der Straßen eher zu- als abnahm.

Gewiß würde auch die Haltung der Gendarmerie beim Ausbruche der Er¬
hebung von 1843 eine bessere gewesen sein, wenn der Abfall nicht von oben
ausgegangen wäre; denn einzelne nur von Offizieren »der Unteroffizieren ge¬
führte Abtheilungen blieben der kaiserlichen Fahne getreu, während in Mailand
der Chef des gesammten Genbarmeriewesens, der alte General Riveira aus
Zaghaftigkeit oder wohl gar in direct verräterischer Weise die Pläne der In¬
surgenten begünstigte, sich im entscheidenden Augenblick krank stellte, heimlich
aber solche Maßregeln traf, daß seine Mannschaft vereinzelt, von der Verbin¬
dung mit den verläßlichen Truppen abgeschnitten und der Verleitung durch die
Insurgenten preisgegeben wurde.

Das Jahr 1848, dessen Stürme das Gebäude des Metternich'schen
Systems zerstörten, brachte in allen Zweigen der Staatsverwaltung eine totale
Umwälzung hervor. War der Polizeistaat gefallen, so mußten auch dessen
Stützen, die Polizei und die Diener derselben, wo nicht ganz außer Thätigkeit
gesetzt, so doch auf den gebührenden Wirkungskreis beschränkt werden.

Während der Märztage in Wien, sowie bald darauf in den meisten Pro¬
vinzen machte sich der lang verhaltene Volksunwille vorerst nur in Angriffen
auf die Polizeiorgane und die Finanzwache Luft. So wurden z. B. in Wien
die Linienämter (Polizei- und Douanehäuser bei den Barrieren) demolirt, ein¬
zelne Finanzwächter und Polizisten verhöhnt und insultirt.

Der Gemeindevorstand von Wien, die von dem Kaiser verliehene größere
Selbständigkeit der Gemeinden zu verwirklichen strebend, errichtete sofort eine


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[0336] worden war, bestand aus dunkelgrünen Fracks und Beinkleidern, mit rosenrothen Aufschlägen und gelben Schnüren, dreieckigen Hüten und grauen Mänteln, die Bewaffnung aus einem Jnfanteriesäbel und einem leichten Bayonnetgewehr, bei den reitenden Gendarmen aber aus einem Pallasch und einem Carabiner. Diese Gendarmen hatten ihre Thätigkeit hauptsächlich auf das Land und die kleineren Städte auszudehnen, während in Venedig, Mailand, Verona und andern großen Städten für gewöhnlich nur die Polizeiwache zu fungiren hatte. Die Mannschaft bestand fast ausnahmslos aus Italienern, wurde aber mit ziemlicher Sorgfalt aus altgedienter verläßlichen Soldaten der Linieninfan- terie und des italienischen Chevauxlegersregimentö ausgewählt. Die Offiziere aber konnten jeder beliebigen Nationalität angehören, wenn sie nur der italie¬ nischen Sprache vollkommen mächtig waren. Die Besoldung der Gendarmen konnte bei den damaligen Verhältnissen eine wirklich namhafte genannt werden. Dafür entwickelte auch die östreichisch-italienische Gendarmerie eine rühm¬ liche Thätigkeit und steuerte dem Banditenwesen in einer Art, wie solche in Italien vordem kaum für möglich gehalten worden war, während in den Nach¬ barländern, besonders im Kuchenstaat, trotz aller Gegenmaßregeln die Unsicher¬ heit der Straßen eher zu- als abnahm. Gewiß würde auch die Haltung der Gendarmerie beim Ausbruche der Er¬ hebung von 1843 eine bessere gewesen sein, wenn der Abfall nicht von oben ausgegangen wäre; denn einzelne nur von Offizieren »der Unteroffizieren ge¬ führte Abtheilungen blieben der kaiserlichen Fahne getreu, während in Mailand der Chef des gesammten Genbarmeriewesens, der alte General Riveira aus Zaghaftigkeit oder wohl gar in direct verräterischer Weise die Pläne der In¬ surgenten begünstigte, sich im entscheidenden Augenblick krank stellte, heimlich aber solche Maßregeln traf, daß seine Mannschaft vereinzelt, von der Verbin¬ dung mit den verläßlichen Truppen abgeschnitten und der Verleitung durch die Insurgenten preisgegeben wurde. Das Jahr 1848, dessen Stürme das Gebäude des Metternich'schen Systems zerstörten, brachte in allen Zweigen der Staatsverwaltung eine totale Umwälzung hervor. War der Polizeistaat gefallen, so mußten auch dessen Stützen, die Polizei und die Diener derselben, wo nicht ganz außer Thätigkeit gesetzt, so doch auf den gebührenden Wirkungskreis beschränkt werden. Während der Märztage in Wien, sowie bald darauf in den meisten Pro¬ vinzen machte sich der lang verhaltene Volksunwille vorerst nur in Angriffen auf die Polizeiorgane und die Finanzwache Luft. So wurden z. B. in Wien die Linienämter (Polizei- und Douanehäuser bei den Barrieren) demolirt, ein¬ zelne Finanzwächter und Polizisten verhöhnt und insultirt. Der Gemeindevorstand von Wien, die von dem Kaiser verliehene größere Selbständigkeit der Gemeinden zu verwirklichen strebend, errichtete sofort eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/336>, abgerufen am 08.01.2025.