Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.weitester das ganze echte Bogosvolk, die sogenannten Schmagilli umfaßt. Der Haupt der engern Familie ist der Vater oder der Erstgeborne. Als Vor¬ Für die engere Familie ist der Vater oder der Aelteste der natürliche Richter. weitester das ganze echte Bogosvolk, die sogenannten Schmagilli umfaßt. Der Haupt der engern Familie ist der Vater oder der Erstgeborne. Als Vor¬ Für die engere Familie ist der Vater oder der Aelteste der natürliche Richter. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113809"/> <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> weitester das ganze echte Bogosvolk, die sogenannten Schmagilli umfaßt. Der<lb/> zweite engere besteht aus dem Geschlecht, dem er angehört, den Nachkommen<lb/> eines Vaters bis zum siebenten Grade, die zu gewissen wechselseitigen Leistungen<lb/> verpflichtet sind. Der dritte und engste .endlich ist die kleinere Familie: Vater,<lb/> Söhne und Brüder. Neben diesen eigentlichen Bogos, die etwa ein Drittel der<lb/> Nation ausmachen, lebten von alter Zeit her Fremde im Lande, die aber, weil<lb/> sie sonst als Feinde betrachtet worden wären tllmspos — Irostis), genöthigt<lb/> waren, sich, jeder einzeln, in den Schutz eines Schmagilli zu begeben, dessen<lb/> Dienstmann (Tigr6) zu werden und so bis zu einem gewissen Grade mit dem<lb/> Volke zu verschmelzen, dessen Rechts theilhaft zu werden. Jeder andere Fremde<lb/> gilt noch jetzt als rechtlos.</p><lb/> <p xml:id="ID_42"> Haupt der engern Familie ist der Vater oder der Erstgeborne. Als Vor¬<lb/> stand des Geschlechts oder der weiteren Familie wird die gerade Linie vom Erst¬<lb/> gebornen zum Erstgebornen betrachtet. Dieser Erstgeborne eines ganzen Ge¬<lb/> schlechts heißt Sun und gilt als geheiligt und unverletzlich. Macht aber hat<lb/> er nicht, und das Schicksal bringt es bisweilen sogar mit sich, daß er der Aermste<lb/> seines ganzen Kreises ist. Ein durck, die Geburt bestimmtes Oberhaupt des<lb/> weitesten Verwandtschafrskreises, sämmtlicher Schmagilli oder Adelsfamilien, also<lb/> des ganzen eigentlichen Bogosvolkes, gibt es nicht. Der staatliche oder viel¬<lb/> mehr der sociale Organismus der Nation ist also ein in der Entwickelung stecken<lb/> gebliebenes Königthum. Die Eifersucht des Hirtenadcls ließ auch nicht den<lb/> Schein einer Monarchie aufkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_43" next="#ID_44"> Für die engere Familie ist der Vater oder der Aelteste der natürliche Richter.<lb/> Eine höhere Instanz bildet der Dorfrath, die höchste die ganze Stammesver¬<lb/> wandtschaft. Der Dorfrath hält sein Gericht öffentlich, und es gibt dabei ver¬<lb/> schiedene Arten von Bürgschaften sowie verschiedene Mittel des Beweises. Unter<lb/> letzteren spielt der Eid eine bedeutende Rolle. Die schwächste Schwurart, nur<lb/> für unbedeutende Fälle angewendet, besteht darin, daß der Angeklagte mit seiner<lb/> Rechten in die rechte Handfläche eines nahen Verwandten schlägt. Stärker ist<lb/> die Form, bei welcher der Betreffende unter Betheuerung seiner Aussage mit<lb/> dem rechten Fuß über ein' auf dem Boden liegendes Schwert schreitet, noch<lb/> stärker die, bei welcher der Schwörende über das Grab eines Verwandten gehen<lb/> muß. Die stärkste Art endlich ist der Kirchcnschwur. Die Gegenpartei, die dem<lb/> Angeklagten den Eid abnimmt, füllt einen Topf mit Asche, schwärzt einen<lb/> jungen Ziegenbock mit Kohle und zieht dann mit dem zu Vereidigenden vor die<lb/> Kirche. Hier angelangt, streut man die Asche in den Wind und fragt- „Sollen<lb/> Deine Kinder zersteubcn wie diese Asche, falls Du lügst?" Der Schwörende<lb/> ruft „Amen!" Die Gegenpqrtei zerwirft alsdann den Topf und sagt: „Willst<lb/> Du zerbrochen sein wie dieser Topf, falls Du lügst?" worauf der Angeredete<lb/> wieder mit „Amen!" zu antworten hat. Hierauf wird der Bock an der Kirchen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
weitester das ganze echte Bogosvolk, die sogenannten Schmagilli umfaßt. Der
zweite engere besteht aus dem Geschlecht, dem er angehört, den Nachkommen
eines Vaters bis zum siebenten Grade, die zu gewissen wechselseitigen Leistungen
verpflichtet sind. Der dritte und engste .endlich ist die kleinere Familie: Vater,
Söhne und Brüder. Neben diesen eigentlichen Bogos, die etwa ein Drittel der
Nation ausmachen, lebten von alter Zeit her Fremde im Lande, die aber, weil
sie sonst als Feinde betrachtet worden wären tllmspos — Irostis), genöthigt
waren, sich, jeder einzeln, in den Schutz eines Schmagilli zu begeben, dessen
Dienstmann (Tigr6) zu werden und so bis zu einem gewissen Grade mit dem
Volke zu verschmelzen, dessen Rechts theilhaft zu werden. Jeder andere Fremde
gilt noch jetzt als rechtlos.
Haupt der engern Familie ist der Vater oder der Erstgeborne. Als Vor¬
stand des Geschlechts oder der weiteren Familie wird die gerade Linie vom Erst¬
gebornen zum Erstgebornen betrachtet. Dieser Erstgeborne eines ganzen Ge¬
schlechts heißt Sun und gilt als geheiligt und unverletzlich. Macht aber hat
er nicht, und das Schicksal bringt es bisweilen sogar mit sich, daß er der Aermste
seines ganzen Kreises ist. Ein durck, die Geburt bestimmtes Oberhaupt des
weitesten Verwandtschafrskreises, sämmtlicher Schmagilli oder Adelsfamilien, also
des ganzen eigentlichen Bogosvolkes, gibt es nicht. Der staatliche oder viel¬
mehr der sociale Organismus der Nation ist also ein in der Entwickelung stecken
gebliebenes Königthum. Die Eifersucht des Hirtenadcls ließ auch nicht den
Schein einer Monarchie aufkommen.
Für die engere Familie ist der Vater oder der Aelteste der natürliche Richter.
Eine höhere Instanz bildet der Dorfrath, die höchste die ganze Stammesver¬
wandtschaft. Der Dorfrath hält sein Gericht öffentlich, und es gibt dabei ver¬
schiedene Arten von Bürgschaften sowie verschiedene Mittel des Beweises. Unter
letzteren spielt der Eid eine bedeutende Rolle. Die schwächste Schwurart, nur
für unbedeutende Fälle angewendet, besteht darin, daß der Angeklagte mit seiner
Rechten in die rechte Handfläche eines nahen Verwandten schlägt. Stärker ist
die Form, bei welcher der Betreffende unter Betheuerung seiner Aussage mit
dem rechten Fuß über ein' auf dem Boden liegendes Schwert schreitet, noch
stärker die, bei welcher der Schwörende über das Grab eines Verwandten gehen
muß. Die stärkste Art endlich ist der Kirchcnschwur. Die Gegenpartei, die dem
Angeklagten den Eid abnimmt, füllt einen Topf mit Asche, schwärzt einen
jungen Ziegenbock mit Kohle und zieht dann mit dem zu Vereidigenden vor die
Kirche. Hier angelangt, streut man die Asche in den Wind und fragt- „Sollen
Deine Kinder zersteubcn wie diese Asche, falls Du lügst?" Der Schwörende
ruft „Amen!" Die Gegenpqrtei zerwirft alsdann den Topf und sagt: „Willst
Du zerbrochen sein wie dieser Topf, falls Du lügst?" worauf der Angeredete
wieder mit „Amen!" zu antworten hat. Hierauf wird der Bock an der Kirchen-
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