Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.jedoch in ihm der Trieb noch höherer Bildung. Stundenlang stand und kniete Im Jahr 1569 wurde Nah zum Guardian des Klosters in Ingolstadt er¬ jedoch in ihm der Trieb noch höherer Bildung. Stundenlang stand und kniete Im Jahr 1569 wurde Nah zum Guardian des Klosters in Ingolstadt er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114062"/> <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> jedoch in ihm der Trieb noch höherer Bildung. Stundenlang stand und kniete<lb/> er, während Alles im Kloster schlief, bei der Lampe, die vor dem Bilde der<lb/> Madonna brannte, und lernte lateinische Grammatik. Bald ging er zu den<lb/> Klassikern über und gab den staunenden Obern bald solche Beweise selbsterwor-<lb/> bcner Kenntnisse, daß er, in die Zahl der Kleriker aufgenommen, sich dem Stu¬<lb/> dium der Theologie widmen konnte. Im Jahre 1557 las er zu Freising die<lb/> erste Messe. 1559 besuchte er die Universität Ingolstadt, wo noch der Geist<lb/> von Eck nachwirkte und die Waffen zum Kampf gegen die Reformatoren ge¬<lb/> schmiedet wurden. Nah war in das rechte Fahrwasser gelangt; 1560 zum Con-<lb/> ventprediger ernannt, begann er das grobe Geschütz aufzuführen, mit dem er<lb/> nun bis zum Ende seines Lebens gegen die Neuerer donnerte. Gleichzeitig<lb/> setzte er seine Studien eifrig fort, übte sich unter Leitung der Jesuiten in Dis¬<lb/> putationen, studirte Väter und Bibel und lernte zuerst Griechisch, dann begann<lb/> er auch 1563 das Hebräische. Die Bettelmönche, aus den untersten Klassen des<lb/> Volkes hervorgegangen und mit diesem auch in Sinn und Sitte harmonirend,<lb/> haben stets auf dasselbe den größten Einfluß gehabt, weil sie sich nicht erst zu<lb/> ihm herabzulassen brauchten. Auch Nah nahm öfters den Bettelsack aus die<lb/> Schultern, sammelte Lebensmittel und griff dabei die Prädicanten in scharfer<lb/> Weise an. Es war damals eine Zeit der wildesten Leidenschaft, man darf sich<lb/> daher nicht wundern, wenn er für seine Rücksichtslosigkeit in Wort und Schrift<lb/> den bittersten Haß erntete. Man schimpfte auf den Kanzeln gegen den tollen<lb/> Mönch von Ingolstadt, verklagte ihn bei hohen Personen, selbst beim Kaiser,<lb/> drohte mit Staupbcsen und Tod. Ein Franziskaner, den man mit ihm ver¬<lb/> wechselte, wurde auf offener Straße erschlagen. Ihm selbst gelang es einst nur<lb/> mit Mühe, dem Todesstoß zu entrinnen, welchen ein Lutheraner, als er im<lb/> Bette lag, gegen ihn führte. Seine Predigten hatten großen Erfolg; so ge¬<lb/> lang es ihm die Stadt Straubing, wo die neue Lehre schon festen Fuß gefaßt,<lb/> dem Katholicismus zu retten. Es ist daher kein Wunder, daß er bei den<lb/> Bischöfen und Herzögen von Baiern, welche sich stets durch religiösen Fanatis¬<lb/> mus hervorthaten, sehr beliebt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Im Jahr 1569 wurde Nah zum Guardian des Klosters in Ingolstadt er¬<lb/> nannt und vermuthlich gleichzeitig zum Custos der Straßburger Franziskaner¬<lb/> provinz. In dieser Eigenschaft hatte er sich bei der Wahl des neuen Ordens-<lb/> gencrals zu betheiligen und reiste deswegen 1571 nach Rom, wo man ihn mit<lb/> großer Auszeichnung empfing und ihm der Papst den Titel eines apostolischen<lb/> Predigers verlieh. Auf der Rückreise übertrug ihm das Domcapitel zu Brixen<lb/> das Beneficium von Se. Barbara und die Stelle eines Dompredigers, welche<lb/> er mit gewohntem Eifer verwaltete und dabei ersprießliche Dienste in Bewälti¬<lb/> gung der Wiedertäufer leistete. Daß der pfäffische Erzherzog Ferdinand gegen<lb/> diese auch mit Feuer und Schwert wüthete, ist sattsam bekannt. Einem solchen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
jedoch in ihm der Trieb noch höherer Bildung. Stundenlang stand und kniete
er, während Alles im Kloster schlief, bei der Lampe, die vor dem Bilde der
Madonna brannte, und lernte lateinische Grammatik. Bald ging er zu den
Klassikern über und gab den staunenden Obern bald solche Beweise selbsterwor-
bcner Kenntnisse, daß er, in die Zahl der Kleriker aufgenommen, sich dem Stu¬
dium der Theologie widmen konnte. Im Jahre 1557 las er zu Freising die
erste Messe. 1559 besuchte er die Universität Ingolstadt, wo noch der Geist
von Eck nachwirkte und die Waffen zum Kampf gegen die Reformatoren ge¬
schmiedet wurden. Nah war in das rechte Fahrwasser gelangt; 1560 zum Con-
ventprediger ernannt, begann er das grobe Geschütz aufzuführen, mit dem er
nun bis zum Ende seines Lebens gegen die Neuerer donnerte. Gleichzeitig
setzte er seine Studien eifrig fort, übte sich unter Leitung der Jesuiten in Dis¬
putationen, studirte Väter und Bibel und lernte zuerst Griechisch, dann begann
er auch 1563 das Hebräische. Die Bettelmönche, aus den untersten Klassen des
Volkes hervorgegangen und mit diesem auch in Sinn und Sitte harmonirend,
haben stets auf dasselbe den größten Einfluß gehabt, weil sie sich nicht erst zu
ihm herabzulassen brauchten. Auch Nah nahm öfters den Bettelsack aus die
Schultern, sammelte Lebensmittel und griff dabei die Prädicanten in scharfer
Weise an. Es war damals eine Zeit der wildesten Leidenschaft, man darf sich
daher nicht wundern, wenn er für seine Rücksichtslosigkeit in Wort und Schrift
den bittersten Haß erntete. Man schimpfte auf den Kanzeln gegen den tollen
Mönch von Ingolstadt, verklagte ihn bei hohen Personen, selbst beim Kaiser,
drohte mit Staupbcsen und Tod. Ein Franziskaner, den man mit ihm ver¬
wechselte, wurde auf offener Straße erschlagen. Ihm selbst gelang es einst nur
mit Mühe, dem Todesstoß zu entrinnen, welchen ein Lutheraner, als er im
Bette lag, gegen ihn führte. Seine Predigten hatten großen Erfolg; so ge¬
lang es ihm die Stadt Straubing, wo die neue Lehre schon festen Fuß gefaßt,
dem Katholicismus zu retten. Es ist daher kein Wunder, daß er bei den
Bischöfen und Herzögen von Baiern, welche sich stets durch religiösen Fanatis¬
mus hervorthaten, sehr beliebt war.
Im Jahr 1569 wurde Nah zum Guardian des Klosters in Ingolstadt er¬
nannt und vermuthlich gleichzeitig zum Custos der Straßburger Franziskaner¬
provinz. In dieser Eigenschaft hatte er sich bei der Wahl des neuen Ordens-
gencrals zu betheiligen und reiste deswegen 1571 nach Rom, wo man ihn mit
großer Auszeichnung empfing und ihm der Papst den Titel eines apostolischen
Predigers verlieh. Auf der Rückreise übertrug ihm das Domcapitel zu Brixen
das Beneficium von Se. Barbara und die Stelle eines Dompredigers, welche
er mit gewohntem Eifer verwaltete und dabei ersprießliche Dienste in Bewälti¬
gung der Wiedertäufer leistete. Daß der pfäffische Erzherzog Ferdinand gegen
diese auch mit Feuer und Schwert wüthete, ist sattsam bekannt. Einem solchen
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