Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Unser Literarhistoriker weiß also von Nasus, einem der wüthendsten Vor¬ Unsere Quelle ist ein Buch: "Johannes Nasus", von dem Franziskaner Johannes Nah stammt aus einer ansehnlichen Familie zu Eltmann in Vrmzbotm it. 1862. 35
Unser Literarhistoriker weiß also von Nasus, einem der wüthendsten Vor¬ Unsere Quelle ist ein Buch: „Johannes Nasus", von dem Franziskaner Johannes Nah stammt aus einer ansehnlichen Familie zu Eltmann in Vrmzbotm it. 1862. 35
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114061"/> <p xml:id="ID_825"> Unser Literarhistoriker weiß also von Nasus, einem der wüthendsten Vor¬<lb/> kämpfer des Katholicismus, sehr wenig. Wir machen ihm dieses nicht zum<lb/> Borwurfe; denn welcher Geschichtschreiber ist noch im Stande, das ganze in<lb/> Journalen und Programmen zerstreute Material zu sammeln und zu kennen?<lb/> Denken wir daran, was jetzt in Tirol und andern Domänen des Ultramonta¬<lb/> nismus geschieht, so mag es nicht unzeitgemäß erscheinen, über Nasus, dessen<lb/> Bedeutung für die Literatur und Culturgeschichte man erst dann würdigt, wenn<lb/> man sich näher mit ihm bekannt gemacht, bier Einiges mitzutheilen, wobei wir<lb/> den Leser von vornherein versichern, das wir durchaus nicht gesonnen sind<lb/> all den Schmutz der Polemik, welche Deutschland damals entzweite, noch ein¬<lb/> mal aufzurühren.</p><lb/> <p xml:id="ID_826"> Unsere Quelle ist ein Buch: „Johannes Nasus", von dem Franziskaner<lb/> zu Botzen Johann Schöpf, welcher dem Leben und Wirken seines Ordensbru¬<lb/> ders eine vieljährige Forschung widmete und dabei die reichlichen gedruckten und<lb/> ungedruckten Quellen der Klvsterarchive zu Rath zog. Dieses Buch, geziert mit<lb/> dem Porträt von Nasus, ist unserem Literarhistoriker wohl nur deswegen un¬<lb/> bekannt geblieben, weil es als Programm des Botzener Gymnasiums 1860 und<lb/> nicht selbständig erschien. Wenn auch der Berfasser, wie vorauszusetzen, einen<lb/> streng ultrcunvntanen Standpunkt einnimmt, so verdient sein Werk doch volle<lb/> Empfehlung wegen der Gründlichkeit, mit der es den Stoff behandelt und sehr<lb/> viele werthvolle Daten liefert.</p><lb/> <p xml:id="ID_827" next="#ID_828"> Johannes Nah stammt aus einer ansehnlichen Familie zu Eltmann in<lb/> Ostfranken und wurde am 19. März 1534 geboren. Er wurde ehrbar und<lb/> christlich erzogen, bei einem „frommen alten Schulmeister" lernte er den Kate¬<lb/> chismus. Doch schon als zwölfjähriger Knabe ging er nach Bamberg zu einem<lb/> Schneider in die Lehre; als Gesell besuchte er später Nürnberg, Regensburg,<lb/> Augsburg und München. Auf diesen Reisen wurde er mit dem Thun und<lb/> Treiben de.r Reformatoren bekannt; er schloß sich ihnen voll Enthusiasmus an,<lb/> besuchte ihre Gottesdienste und lebte in ihrer Gesellschaft. Ihre unausgesetz¬<lb/> ten Schmähpredigten machten auf ihn bald einen solchen Eindruck, daß er, wie<lb/> er selbst gesteht, ohne Weiteres nach Steinen gesucht hätte, wenn ihm nach einer<lb/> solchen Predigt ein katholischer Priester oder Bischof begegnet wäre. Im Jahre<lb/> 1552 erfolgte jedoch der Umschlag, indem ihm ein Zufall das Büchlein et«z inri-<lb/> taticme Llrristi von Thomas a Kempis in die Hand spielte. Er wendete sich an<lb/> die Franziskaner in München, welche damals ausgezeichnete Mitglieder zahlten,<lb/> und trat, zum Katholicismus zurückkehrend, als Noviz in ihren Orden. Am<lb/> 5. August 1553 wurde er zur Ablegung des Profcß zugelassen. Auch im Klo¬<lb/> ster blieb er seinem Handwerk getreu, wofür er denn später von seinen Gegnern<lb/> scharfen Spott erntete. Wie Wilegis von Mainz das Mühlrad, nahm er spä¬<lb/> ter die Scheere in sein bischöfliches Wappen aus. Beim Schneidern erwachte</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Vrmzbotm it. 1862. 35</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0281]
Unser Literarhistoriker weiß also von Nasus, einem der wüthendsten Vor¬
kämpfer des Katholicismus, sehr wenig. Wir machen ihm dieses nicht zum
Borwurfe; denn welcher Geschichtschreiber ist noch im Stande, das ganze in
Journalen und Programmen zerstreute Material zu sammeln und zu kennen?
Denken wir daran, was jetzt in Tirol und andern Domänen des Ultramonta¬
nismus geschieht, so mag es nicht unzeitgemäß erscheinen, über Nasus, dessen
Bedeutung für die Literatur und Culturgeschichte man erst dann würdigt, wenn
man sich näher mit ihm bekannt gemacht, bier Einiges mitzutheilen, wobei wir
den Leser von vornherein versichern, das wir durchaus nicht gesonnen sind
all den Schmutz der Polemik, welche Deutschland damals entzweite, noch ein¬
mal aufzurühren.
Unsere Quelle ist ein Buch: „Johannes Nasus", von dem Franziskaner
zu Botzen Johann Schöpf, welcher dem Leben und Wirken seines Ordensbru¬
ders eine vieljährige Forschung widmete und dabei die reichlichen gedruckten und
ungedruckten Quellen der Klvsterarchive zu Rath zog. Dieses Buch, geziert mit
dem Porträt von Nasus, ist unserem Literarhistoriker wohl nur deswegen un¬
bekannt geblieben, weil es als Programm des Botzener Gymnasiums 1860 und
nicht selbständig erschien. Wenn auch der Berfasser, wie vorauszusetzen, einen
streng ultrcunvntanen Standpunkt einnimmt, so verdient sein Werk doch volle
Empfehlung wegen der Gründlichkeit, mit der es den Stoff behandelt und sehr
viele werthvolle Daten liefert.
Johannes Nah stammt aus einer ansehnlichen Familie zu Eltmann in
Ostfranken und wurde am 19. März 1534 geboren. Er wurde ehrbar und
christlich erzogen, bei einem „frommen alten Schulmeister" lernte er den Kate¬
chismus. Doch schon als zwölfjähriger Knabe ging er nach Bamberg zu einem
Schneider in die Lehre; als Gesell besuchte er später Nürnberg, Regensburg,
Augsburg und München. Auf diesen Reisen wurde er mit dem Thun und
Treiben de.r Reformatoren bekannt; er schloß sich ihnen voll Enthusiasmus an,
besuchte ihre Gottesdienste und lebte in ihrer Gesellschaft. Ihre unausgesetz¬
ten Schmähpredigten machten auf ihn bald einen solchen Eindruck, daß er, wie
er selbst gesteht, ohne Weiteres nach Steinen gesucht hätte, wenn ihm nach einer
solchen Predigt ein katholischer Priester oder Bischof begegnet wäre. Im Jahre
1552 erfolgte jedoch der Umschlag, indem ihm ein Zufall das Büchlein et«z inri-
taticme Llrristi von Thomas a Kempis in die Hand spielte. Er wendete sich an
die Franziskaner in München, welche damals ausgezeichnete Mitglieder zahlten,
und trat, zum Katholicismus zurückkehrend, als Noviz in ihren Orden. Am
5. August 1553 wurde er zur Ablegung des Profcß zugelassen. Auch im Klo¬
ster blieb er seinem Handwerk getreu, wofür er denn später von seinen Gegnern
scharfen Spott erntete. Wie Wilegis von Mainz das Mühlrad, nahm er spä¬
ter die Scheere in sein bischöfliches Wappen aus. Beim Schneidern erwachte
Vrmzbotm it. 1862. 35
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