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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Frankreich -- "wo bleibt aber die Schweiz?) -- und hier stößt man auf die
Douane, welche nicht geringere Hindernisse in den Weg legt. Mit der Ent¬
fernung dieser Douane beginnt erst die freie Entwicklung aller innern Kräfte,
die naturgemäße Eirculation des lebenswarmen Blutes durch alle Adern des
Staatskörpers. Mit der Aushebung der französischen Zollgrenze beginnt für Sa¬
lz open der Zeitpunkt eines unberechenbaren Wohlstandes; denn es enthält alle
Elemente, um daraus ein industrielles, ein Fabrikland zu machen. Einmal ist
der Arbeitslohn daselbst sehr billig, -- und zum Andern findet man dort eine
bewegende Kraft, die nichts kostet, und die in unzähligen Wasserströmen und
Bächen mit starkem Fall über das ganze Land verbreitet ist. Das sind rosl-
bare Borzüge, welche sehr bald von französischem Geld und Unternehmungs¬
geist benutzt sein werden. Bisher konnten sie nicht ausgebeutet werben,
weil der Absatz tus Ausland mangelte, und man daher nur für den ge¬
ringen inländischen Gebrauch prodrmren konnte. -- Die Mineralien u. s. w.,
welche Savoyen im Schooße seiner Berge besitzt, konnten nur zu einem
sehr kleinen Theile zu Tage gefordert werden; alles Uebrige liegt brach,
aus Mangel an Absatz, an Industrie, an Capital. Das Eisen z. B. ist
von bester Qualität und sehr ge,naht; die innere Fabrikation von Gußwaaren
ist jedoch aus das Maaß von 120V Tonnen jährlich beschränkt, denn nur so
viel wird davon über die französische Grenze gelassen; sür die Überschreitung
dieses Maaßes ist Frankreich durch Einfuhrzölle verschlossen, welche dem Verbote
gleichkommen. Das rohe Material zahlt dagegen leinen Zoll, -- und so fin¬
det man denn in den benachbarten Departements eine große Anzahl Hohofen,
welche nur favoyisches Eisen verarbeiten, und das Land selbst verliert den gan¬
zen Gewinn dieser Fabrikation. Es verliert dadurch zugleich die Möglichkeit,
den in Ueberfluß vorkommenden Anthracit, Kohlenblende, zu verwerthen, da
aus diesem ein namentlich sür Hohöfen sehr nutzbarer Brennstoff sich gewinnen
läßt. Ebenso steht es mit dem Gyps, der in ausgezeichneter Güte gebrochen
wirb, aber Dreiviettet seines ersten Einkaufspreises als Eingangszoll in Frank¬
reich bezahlen muß. Ganz gleiche Hindernisse ergeben sich für die Schiefer-,
Kalt- und Marmvrbrüche, so wie für die Ausbeutung der Blei-, Zinn- und
ilupfcrgruben. Es sind demnach unberechenbare Elemente des Nctchthums zur
Unfruchtbarkeit verdammt; sie werden überraschende llicsultate liefern, wenn Sa-
voyen mit Frankreich vereinigt wird. Die französische Industrie wird mit ih¬
ren Capitälen Alles in den Bereich ihrer Nutzung ziehen, was deren irgend fä¬
hig ist, und aus diese Weise so viel Arbeit schassen, daß die Auswanderung der
Savoyarden sich bcbeuicnd vermindern wird, da diese letztere ausschließlich da¬
her rührt, daß Savvve", eingezwängt und gelähmt wie es ist, seine Bewohner
nicht ernähren kann. -- Auch der Ackerbau kann unter solchen Umständen nur
gewinnen, denn er folgt regelmäßig dem Gange der Industrie; diese bringt


Frankreich — «wo bleibt aber die Schweiz?) — und hier stößt man auf die
Douane, welche nicht geringere Hindernisse in den Weg legt. Mit der Ent¬
fernung dieser Douane beginnt erst die freie Entwicklung aller innern Kräfte,
die naturgemäße Eirculation des lebenswarmen Blutes durch alle Adern des
Staatskörpers. Mit der Aushebung der französischen Zollgrenze beginnt für Sa¬
lz open der Zeitpunkt eines unberechenbaren Wohlstandes; denn es enthält alle
Elemente, um daraus ein industrielles, ein Fabrikland zu machen. Einmal ist
der Arbeitslohn daselbst sehr billig, — und zum Andern findet man dort eine
bewegende Kraft, die nichts kostet, und die in unzähligen Wasserströmen und
Bächen mit starkem Fall über das ganze Land verbreitet ist. Das sind rosl-
bare Borzüge, welche sehr bald von französischem Geld und Unternehmungs¬
geist benutzt sein werden. Bisher konnten sie nicht ausgebeutet werben,
weil der Absatz tus Ausland mangelte, und man daher nur für den ge¬
ringen inländischen Gebrauch prodrmren konnte. — Die Mineralien u. s. w.,
welche Savoyen im Schooße seiner Berge besitzt, konnten nur zu einem
sehr kleinen Theile zu Tage gefordert werden; alles Uebrige liegt brach,
aus Mangel an Absatz, an Industrie, an Capital. Das Eisen z. B. ist
von bester Qualität und sehr ge,naht; die innere Fabrikation von Gußwaaren
ist jedoch aus das Maaß von 120V Tonnen jährlich beschränkt, denn nur so
viel wird davon über die französische Grenze gelassen; sür die Überschreitung
dieses Maaßes ist Frankreich durch Einfuhrzölle verschlossen, welche dem Verbote
gleichkommen. Das rohe Material zahlt dagegen leinen Zoll, — und so fin¬
det man denn in den benachbarten Departements eine große Anzahl Hohofen,
welche nur favoyisches Eisen verarbeiten, und das Land selbst verliert den gan¬
zen Gewinn dieser Fabrikation. Es verliert dadurch zugleich die Möglichkeit,
den in Ueberfluß vorkommenden Anthracit, Kohlenblende, zu verwerthen, da
aus diesem ein namentlich sür Hohöfen sehr nutzbarer Brennstoff sich gewinnen
läßt. Ebenso steht es mit dem Gyps, der in ausgezeichneter Güte gebrochen
wirb, aber Dreiviettet seines ersten Einkaufspreises als Eingangszoll in Frank¬
reich bezahlen muß. Ganz gleiche Hindernisse ergeben sich für die Schiefer-,
Kalt- und Marmvrbrüche, so wie für die Ausbeutung der Blei-, Zinn- und
ilupfcrgruben. Es sind demnach unberechenbare Elemente des Nctchthums zur
Unfruchtbarkeit verdammt; sie werden überraschende llicsultate liefern, wenn Sa-
voyen mit Frankreich vereinigt wird. Die französische Industrie wird mit ih¬
ren Capitälen Alles in den Bereich ihrer Nutzung ziehen, was deren irgend fä¬
hig ist, und aus diese Weise so viel Arbeit schassen, daß die Auswanderung der
Savoyarden sich bcbeuicnd vermindern wird, da diese letztere ausschließlich da¬
her rührt, daß Savvve», eingezwängt und gelähmt wie es ist, seine Bewohner
nicht ernähren kann. — Auch der Ackerbau kann unter solchen Umständen nur
gewinnen, denn er folgt regelmäßig dem Gange der Industrie; diese bringt


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[0263] Frankreich — «wo bleibt aber die Schweiz?) — und hier stößt man auf die Douane, welche nicht geringere Hindernisse in den Weg legt. Mit der Ent¬ fernung dieser Douane beginnt erst die freie Entwicklung aller innern Kräfte, die naturgemäße Eirculation des lebenswarmen Blutes durch alle Adern des Staatskörpers. Mit der Aushebung der französischen Zollgrenze beginnt für Sa¬ lz open der Zeitpunkt eines unberechenbaren Wohlstandes; denn es enthält alle Elemente, um daraus ein industrielles, ein Fabrikland zu machen. Einmal ist der Arbeitslohn daselbst sehr billig, — und zum Andern findet man dort eine bewegende Kraft, die nichts kostet, und die in unzähligen Wasserströmen und Bächen mit starkem Fall über das ganze Land verbreitet ist. Das sind rosl- bare Borzüge, welche sehr bald von französischem Geld und Unternehmungs¬ geist benutzt sein werden. Bisher konnten sie nicht ausgebeutet werben, weil der Absatz tus Ausland mangelte, und man daher nur für den ge¬ ringen inländischen Gebrauch prodrmren konnte. — Die Mineralien u. s. w., welche Savoyen im Schooße seiner Berge besitzt, konnten nur zu einem sehr kleinen Theile zu Tage gefordert werden; alles Uebrige liegt brach, aus Mangel an Absatz, an Industrie, an Capital. Das Eisen z. B. ist von bester Qualität und sehr ge,naht; die innere Fabrikation von Gußwaaren ist jedoch aus das Maaß von 120V Tonnen jährlich beschränkt, denn nur so viel wird davon über die französische Grenze gelassen; sür die Überschreitung dieses Maaßes ist Frankreich durch Einfuhrzölle verschlossen, welche dem Verbote gleichkommen. Das rohe Material zahlt dagegen leinen Zoll, — und so fin¬ det man denn in den benachbarten Departements eine große Anzahl Hohofen, welche nur favoyisches Eisen verarbeiten, und das Land selbst verliert den gan¬ zen Gewinn dieser Fabrikation. Es verliert dadurch zugleich die Möglichkeit, den in Ueberfluß vorkommenden Anthracit, Kohlenblende, zu verwerthen, da aus diesem ein namentlich sür Hohöfen sehr nutzbarer Brennstoff sich gewinnen läßt. Ebenso steht es mit dem Gyps, der in ausgezeichneter Güte gebrochen wirb, aber Dreiviettet seines ersten Einkaufspreises als Eingangszoll in Frank¬ reich bezahlen muß. Ganz gleiche Hindernisse ergeben sich für die Schiefer-, Kalt- und Marmvrbrüche, so wie für die Ausbeutung der Blei-, Zinn- und ilupfcrgruben. Es sind demnach unberechenbare Elemente des Nctchthums zur Unfruchtbarkeit verdammt; sie werden überraschende llicsultate liefern, wenn Sa- voyen mit Frankreich vereinigt wird. Die französische Industrie wird mit ih¬ ren Capitälen Alles in den Bereich ihrer Nutzung ziehen, was deren irgend fä¬ hig ist, und aus diese Weise so viel Arbeit schassen, daß die Auswanderung der Savoyarden sich bcbeuicnd vermindern wird, da diese letztere ausschließlich da¬ her rührt, daß Savvve», eingezwängt und gelähmt wie es ist, seine Bewohner nicht ernähren kann. — Auch der Ackerbau kann unter solchen Umständen nur gewinnen, denn er folgt regelmäßig dem Gange der Industrie; diese bringt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/263>, abgerufen am 08.01.2025.