Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.leugnen, daß die rein materiellen Interessen Savoyens durch seine Verbindung Wir sind demnach jetzt bei der zweiten hauptsächlichen Erwägung angelangt, Wollte man jedoch aus diesem Allen schließen! Savoyen sei ein armes leugnen, daß die rein materiellen Interessen Savoyens durch seine Verbindung Wir sind demnach jetzt bei der zweiten hauptsächlichen Erwägung angelangt, Wollte man jedoch aus diesem Allen schließen! Savoyen sei ein armes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114041"/> <p xml:id="ID_758" prev="#ID_757"> leugnen, daß die rein materiellen Interessen Savoyens durch seine Verbindung<lb/> mit dem Königreich Italien weit weniger begünstigt sind, als durch die Hin¬<lb/> neigung zu dem westlichen und nördlichen Nachbarn; es ist aber Alles, was sich<lb/> in dieser Beziehung von dem südlichen Savoyen im Hinblick auf Frankreich<lb/> hervorheben läßt, ganz in demselben und vielleicht noch in verstärktem Maaße<lb/> Wichtig im Verhältniß des nördlichen Savoyens zu der ihm benachbarten<lb/> Schweiz.</p><lb/> <p xml:id="ID_759"> Wir sind demnach jetzt bei der zweiten hauptsächlichen Erwägung angelangt,<lb/> die wir in Aussicht genommen hatten, bei den materiellen Interessen. Auch<lb/> hier wenden wir den Blick zuerst auf die geographischen und ethnographischen<lb/> Verhältnisse des Landes und finden vor uns das höchste Gebirgsland Europa's<lb/> durchschnitten und begrenzt von den Alpen in ihren höchsten Zügen. Der<lb/> Montblanc, der Eol du Bvnhomme, der Mont Cenis, der kleine Se. Bernard<lb/> bezeichnen die Spitzen der cottischen, penninischen und grajischen Alpen, die in<lb/> den mannigfaltigsten Ausläufer und Abdachungen das Land durchziehen. Die<lb/> höchsten Gebirgsketten sind mit ewigem Schnee und Eis bedeckt; in den niedrigen<lb/> Regionen derselben wechselt ^er kahle Felsen mit ansehnlichen Waldungen. Aber<lb/> auch an fruchtbaren und lieblichen Thalern mangelt es nicht, besonders in den<lb/> westlichen Theilen des Landes; so namentlich in der Provinz Genevois<lb/> mit der betriebsamen Stadt Annecy, und in der Provinz Savoie propre<lb/> mit den reizend gelegenen Chambvry und Aix-leo-bains. Hier wachsen<lb/> Getreide, Wein Flachs, Kartoffeln, Obst und Kastanien, und reichlich<lb/> vorhandene Wiesen veranlassen eine starke Viehzucht. Die Gebirge lie¬<lb/> fern Silber, Kupfer. Blei, Eisen, Steinkohlen, Mühlsteine, Marmor, Serpen¬<lb/> tinstein und Salz. In einzelnen Fabriken wird Seidenzeug, Glas, Vitriol¬<lb/> säure producirt, Eisen und Marmor bearbeitet. Mangel an genügendem Be¬<lb/> triebscapital und an ergiebigem Absatz bat aber hier stets hindernd im Wege<lb/> gestanden. So sehen sich denn die Einwohner der gebirgigen Provinzen trotz<lb/> ihres Fleißes und ihrer Genügsamkeit gezwungen, ihren Erwerb außerhalb Lan¬<lb/> des zu suchen. — und da die französische Sprache auch die ihrige ist, so wan¬<lb/> dern sie zu Tausenden in Frankreich el», wo sie mit den niedrigsten und mühe¬<lb/> vollsten Gewerben ein kleines Vermögen sich zu ersparen trachten, um damit<lb/> wieder in die geliebte Heimat!, zurückziehen zu tonnen. Wem sind die Sa-<lb/> voyarden unbekannt, die von der frühesten Jugend an in Paris und den andern<lb/> großen Städten Frankreichs ihr bescheidenes Dasein fristen, ohne dabei die Ehr¬<lb/> lichkeit, Treue und Biederkeit ihres StaMm-Charakters einzubüßen, auf die jedoch<lb/> die eigeuen Landsleute mit einer Art Verachtung serai'blicken, so daß sie als<lb/> Bewohner Savoyens nicht Savoyards, sondern Savoisiers genannt sein wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_760" next="#ID_761"> Wollte man jedoch aus diesem Allen schließen! Savoyen sei ein armes<lb/> Land und eine Last für das sardinische Gouvernement gewesen, — so würde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
leugnen, daß die rein materiellen Interessen Savoyens durch seine Verbindung
mit dem Königreich Italien weit weniger begünstigt sind, als durch die Hin¬
neigung zu dem westlichen und nördlichen Nachbarn; es ist aber Alles, was sich
in dieser Beziehung von dem südlichen Savoyen im Hinblick auf Frankreich
hervorheben läßt, ganz in demselben und vielleicht noch in verstärktem Maaße
Wichtig im Verhältniß des nördlichen Savoyens zu der ihm benachbarten
Schweiz.
Wir sind demnach jetzt bei der zweiten hauptsächlichen Erwägung angelangt,
die wir in Aussicht genommen hatten, bei den materiellen Interessen. Auch
hier wenden wir den Blick zuerst auf die geographischen und ethnographischen
Verhältnisse des Landes und finden vor uns das höchste Gebirgsland Europa's
durchschnitten und begrenzt von den Alpen in ihren höchsten Zügen. Der
Montblanc, der Eol du Bvnhomme, der Mont Cenis, der kleine Se. Bernard
bezeichnen die Spitzen der cottischen, penninischen und grajischen Alpen, die in
den mannigfaltigsten Ausläufer und Abdachungen das Land durchziehen. Die
höchsten Gebirgsketten sind mit ewigem Schnee und Eis bedeckt; in den niedrigen
Regionen derselben wechselt ^er kahle Felsen mit ansehnlichen Waldungen. Aber
auch an fruchtbaren und lieblichen Thalern mangelt es nicht, besonders in den
westlichen Theilen des Landes; so namentlich in der Provinz Genevois
mit der betriebsamen Stadt Annecy, und in der Provinz Savoie propre
mit den reizend gelegenen Chambvry und Aix-leo-bains. Hier wachsen
Getreide, Wein Flachs, Kartoffeln, Obst und Kastanien, und reichlich
vorhandene Wiesen veranlassen eine starke Viehzucht. Die Gebirge lie¬
fern Silber, Kupfer. Blei, Eisen, Steinkohlen, Mühlsteine, Marmor, Serpen¬
tinstein und Salz. In einzelnen Fabriken wird Seidenzeug, Glas, Vitriol¬
säure producirt, Eisen und Marmor bearbeitet. Mangel an genügendem Be¬
triebscapital und an ergiebigem Absatz bat aber hier stets hindernd im Wege
gestanden. So sehen sich denn die Einwohner der gebirgigen Provinzen trotz
ihres Fleißes und ihrer Genügsamkeit gezwungen, ihren Erwerb außerhalb Lan¬
des zu suchen. — und da die französische Sprache auch die ihrige ist, so wan¬
dern sie zu Tausenden in Frankreich el», wo sie mit den niedrigsten und mühe¬
vollsten Gewerben ein kleines Vermögen sich zu ersparen trachten, um damit
wieder in die geliebte Heimat!, zurückziehen zu tonnen. Wem sind die Sa-
voyarden unbekannt, die von der frühesten Jugend an in Paris und den andern
großen Städten Frankreichs ihr bescheidenes Dasein fristen, ohne dabei die Ehr¬
lichkeit, Treue und Biederkeit ihres StaMm-Charakters einzubüßen, auf die jedoch
die eigeuen Landsleute mit einer Art Verachtung serai'blicken, so daß sie als
Bewohner Savoyens nicht Savoyards, sondern Savoisiers genannt sein wollen.
Wollte man jedoch aus diesem Allen schließen! Savoyen sei ein armes
Land und eine Last für das sardinische Gouvernement gewesen, — so würde
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