Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.in dem andern Falle in ihrem Rechte gekränkt und in ihrer Existenz ge¬ Und behauptet man, jene Servitut könne eben so gut von Frankreich wie von Es ist im weiter" Verlaufe der diplomatischen Verhandlungen denn auch 32*
in dem andern Falle in ihrem Rechte gekränkt und in ihrer Existenz ge¬ Und behauptet man, jene Servitut könne eben so gut von Frankreich wie von Es ist im weiter» Verlaufe der diplomatischen Verhandlungen denn auch 32*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114039"/> <p xml:id="ID_752" prev="#ID_751"> in dem andern Falle in ihrem Rechte gekränkt und in ihrer Existenz ge¬<lb/> fährdet.</p><lb/> <p xml:id="ID_753"> Und behauptet man, jene Servitut könne eben so gut von Frankreich wie von<lb/> Sardinien getragen werden, so ergibt sich darauf die Antwort: daß es sich<lb/> schwer begreifen läßt, wie der Zweck jener Servitut, Frankreich von dem Norden<lb/> Savoyens abzuhalten, von Frankreich selbst getragen werden könne, und daß<lb/> eine Neutralität, welche gegen Frankreich gerichtet und durch Frankreich beobach¬<lb/> tet werden soll, einfach eine Absurdität genannt werden muß; daß die Interessen<lb/> Sardiniens und der Schweiz in Bezug auf jene Neutralität Hand in Hand<lb/> gingen, während die Interessen Frankreichs und der Schweiz einander gerade<lb/> entgegenlaufen, und daß es unmöglich ist von einem großen Staate zu verlangen,<lb/> daß er in einem gebotenen Augenblicke, vielleicht in dem Moment einer Krise,<lb/> nicht von allen Vortheilen Gebrauch machen solle, die ihm seine Verhältnisse<lb/> darbieten. (5s ist mit einem Worte lächerlich, zu behaupten, daß die neutrali-<lb/> sirten Provinzen diesen ihren Charakter beibehalten werden, obgleich sie franzö¬<lb/> sisch geworden. Denn entweder bedeutet die Neutralität gar nichts, oder höle<lb/> bedeutet eine Sicherstellung gegen Frankreich. Und diese in Frankreichs Hände<lb/> gelegt, ist eine Lächerlichkeit. Eine Staats-Convention der vorliegenden Art kann<lb/> nur im Kriege erprobt werden; nur dann läßt sich erkennen, ob sie unpraktisch<lb/> ist, oder ob sie wirtlich etwas zu bedeuten hat. Würde nun im Fall eines<lb/> Krieges Frankreich an seinen südöstlichen. Grenzen angegriffen, so würde eL von<lb/> der Schweiz verlangen, die neutralen Provinzen militärisch zu besetzen und so<lb/> zum Schutz des Reichs mit beizutragen. Würde aber im Gegentheile Frankreich<lb/> nach jener Seite hin den angreifenden Theil bilden, so würde es natürlich nicht<lb/> erlauben, daß auf französischem Grund und Boden die Schweiz sich dem Durch¬<lb/> märsche seiner Truppen widersetze. So würde also nicht nur die Neutralität<lb/> jener Provinzen, sondern die Neutralität der ganzen Schweiz illusorisch werden<lb/> und nur dazu beitragen, dieses Land in die Abhängigkeit Frankreichs zu bringen,<lb/> wenn nicht gar dasselbe zu zerstückeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_754" next="#ID_755"> Es ist im weiter» Verlaufe der diplomatischen Verhandlungen denn auch<lb/> die Rede gewesen von den Garantien, welche Frankreich für die. Beobachtung<lb/> der Neutralität darbieten würde, — als da sind: auf dem neutralen Gebiete<lb/> keine Festungen zu bauen, keine Garnisonen hinzulegen und auf dem Genfer<lb/> See keine Kriegsschiffe zu halten. Ob Garnisonen in den Provinzen Chablais<lb/> und Faucigny liegen oder nicht, ist vollkommen gleichgiltig; in demselben<lb/> Augenblicke, wo es der französischen Regierung von Interesse scheint 50,000<lb/> Mann dort aufzustellen, werden diese sich auch schon dort befinden, Wenn es<lb/> auf dem Genfer See keine französischen Kriegsschiffe gibt, werden Truppen und<lb/> Kriegsmaterial aller Art auf Dampfschiffe gepackt, welche unter französischer<lb/> Flagge fahren, und mit diesen an jedem beliebigen Punkte der Schweizer Küste</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 32*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
in dem andern Falle in ihrem Rechte gekränkt und in ihrer Existenz ge¬
fährdet.
Und behauptet man, jene Servitut könne eben so gut von Frankreich wie von
Sardinien getragen werden, so ergibt sich darauf die Antwort: daß es sich
schwer begreifen läßt, wie der Zweck jener Servitut, Frankreich von dem Norden
Savoyens abzuhalten, von Frankreich selbst getragen werden könne, und daß
eine Neutralität, welche gegen Frankreich gerichtet und durch Frankreich beobach¬
tet werden soll, einfach eine Absurdität genannt werden muß; daß die Interessen
Sardiniens und der Schweiz in Bezug auf jene Neutralität Hand in Hand
gingen, während die Interessen Frankreichs und der Schweiz einander gerade
entgegenlaufen, und daß es unmöglich ist von einem großen Staate zu verlangen,
daß er in einem gebotenen Augenblicke, vielleicht in dem Moment einer Krise,
nicht von allen Vortheilen Gebrauch machen solle, die ihm seine Verhältnisse
darbieten. (5s ist mit einem Worte lächerlich, zu behaupten, daß die neutrali-
sirten Provinzen diesen ihren Charakter beibehalten werden, obgleich sie franzö¬
sisch geworden. Denn entweder bedeutet die Neutralität gar nichts, oder höle
bedeutet eine Sicherstellung gegen Frankreich. Und diese in Frankreichs Hände
gelegt, ist eine Lächerlichkeit. Eine Staats-Convention der vorliegenden Art kann
nur im Kriege erprobt werden; nur dann läßt sich erkennen, ob sie unpraktisch
ist, oder ob sie wirtlich etwas zu bedeuten hat. Würde nun im Fall eines
Krieges Frankreich an seinen südöstlichen. Grenzen angegriffen, so würde eL von
der Schweiz verlangen, die neutralen Provinzen militärisch zu besetzen und so
zum Schutz des Reichs mit beizutragen. Würde aber im Gegentheile Frankreich
nach jener Seite hin den angreifenden Theil bilden, so würde es natürlich nicht
erlauben, daß auf französischem Grund und Boden die Schweiz sich dem Durch¬
märsche seiner Truppen widersetze. So würde also nicht nur die Neutralität
jener Provinzen, sondern die Neutralität der ganzen Schweiz illusorisch werden
und nur dazu beitragen, dieses Land in die Abhängigkeit Frankreichs zu bringen,
wenn nicht gar dasselbe zu zerstückeln.
Es ist im weiter» Verlaufe der diplomatischen Verhandlungen denn auch
die Rede gewesen von den Garantien, welche Frankreich für die. Beobachtung
der Neutralität darbieten würde, — als da sind: auf dem neutralen Gebiete
keine Festungen zu bauen, keine Garnisonen hinzulegen und auf dem Genfer
See keine Kriegsschiffe zu halten. Ob Garnisonen in den Provinzen Chablais
und Faucigny liegen oder nicht, ist vollkommen gleichgiltig; in demselben
Augenblicke, wo es der französischen Regierung von Interesse scheint 50,000
Mann dort aufzustellen, werden diese sich auch schon dort befinden, Wenn es
auf dem Genfer See keine französischen Kriegsschiffe gibt, werden Truppen und
Kriegsmaterial aller Art auf Dampfschiffe gepackt, welche unter französischer
Flagge fahren, und mit diesen an jedem beliebigen Punkte der Schweizer Küste
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