Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Gunsten seines Sohnes Karl Emmanuel des Dritten und zog sich nach Se. Alban Gunsten seines Sohnes Karl Emmanuel des Dritten und zog sich nach Se. Alban <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114034"/> <p xml:id="ID_733" prev="#ID_732" next="#ID_734"> Gunsten seines Sohnes Karl Emmanuel des Dritten und zog sich nach Se. Alban<lb/> zurück, mit seiner Freundin, der Herzogin von Spiro; diese ehrgeizige Frau mochte<lb/> sich jedoch mit einem Leben ohne äußern Glanz und Einfluß nicht begnügen<lb/> und wußte den alten Herrn zu überreden, daß derselbe plötzlich wieder in Turin<lb/> erschien, seine Thronentsagung widerrief und von Neuem die Regierung über¬<lb/> nehmen zu wollen erklärte. Kräftige Minister jedoch bestimmten den jungen<lb/> König, diesem unerwarteten Schritte mit Festigkeit zu begegnen; der alte König<lb/> ward arretirt und nach Montcarlier gebracht, wo er zwei Jahre später starb.<lb/> — Unter Karl Emmanuel dem Dritten der von 1730 vis 1773 regierte, er¬<lb/> freute sich Savoyen einer fast ununterbrochenen Ruhe. Die Wogen des öst¬<lb/> reichischen Erbfolgekriegs, an dem sich als Frankreichs und Spaniens Bundes¬<lb/> genosse auch der König von Sardinien betheiligte, berührten das Land nur<lb/> vorübergehend, und der Congreß von Aachen, 1743, brachte eine Vergrößerung<lb/> des Königreichs, da Maria Theresia einen Theil des Herzogthums Mailand<lb/> an dasselbe abtreten mußte. — Unter dem folgenden König, Victor Amadeus<lb/> dem Dritten, von 1773—1796, brachen die Folgen der französischen Revolu¬<lb/> tion auch über Savoyen und sein Regentenhaus herein. Die Provinz selbst<lb/> ward schon 1792 von den französischen Machthabern occupirt, und im Frieden<lb/> von Paris 1796 definitiv an Frankreich abgetreten. Als 66rM'loin<zue> ein<lb/> montdlime ward Savoyen dem Kaiserreiche einverleibt, und kam erst durch den<lb/> zweiten Pariser Frieden 1815 wieder ganz an den König von Sardinien. Die<lb/> wechselvolle Geschichte der Könige Karl Emmanuel des Vierten, Victor Emma¬<lb/> nuel des Ersten, Karl Felix und Karl Albert kann hier übergangen werden, da<lb/> die innern Verhältnisse Savoyens dadurch nicht wesentlich verändert wurden.<lb/> Die sogenannte piemvntcsische Revolution vom Jahre 1821 fand in diesem<lb/> Lande weniger Anklang als in der Lombardei; der vielbesprochene sogenannte<lb/> Savoyerzug im Jahre 1834 war ebenfalls ohne irgend eine Betheiligung der<lb/> Landesvcwohner ausschließlich durch Fremde unternommen worden. Seit Ein¬<lb/> führung der constitutionellen Regierungsform saßen Savoyische Deputirte aus<lb/> den Bänken der Abgeordneten-Kammer in Turin, wo sie selbstverständlich<lb/> numerisch immer in der Minorität waren. Die wesentlichen Verbesserungen<lb/> in der Verwaltung und Gesetzgebung fanden in Savoyen großentheils warme<lb/> Anerkennung; die als Grundzug im Charakter des Volks erkennbare Anhäng¬<lb/> lichkeit an das Fürstenhaus bethätigte sich bei allen Gelegenheiten, die seit<lb/> 1843 eintraten, — und die Savoyischen Regimenter haben auf allen Schlacht¬<lb/> feldern diese Treue mit Blut besiegelt. Diese Anhänglichkeit überwand auch<lb/> stets die theilweis rührige Opposition, welche sich gegen die liberale und sehr<lb/> kostspielige Turiner Negierung kundgab. Die große Masse des gut katholischen<lb/> Landvolks, zum Theil in den Gebirgen tief versteckt, sah mit Erstaunen, daß<lb/> im Namen des Königs die Klöster aufgehoben, Kirchengüter sequeflrirt und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
Gunsten seines Sohnes Karl Emmanuel des Dritten und zog sich nach Se. Alban
zurück, mit seiner Freundin, der Herzogin von Spiro; diese ehrgeizige Frau mochte
sich jedoch mit einem Leben ohne äußern Glanz und Einfluß nicht begnügen
und wußte den alten Herrn zu überreden, daß derselbe plötzlich wieder in Turin
erschien, seine Thronentsagung widerrief und von Neuem die Regierung über¬
nehmen zu wollen erklärte. Kräftige Minister jedoch bestimmten den jungen
König, diesem unerwarteten Schritte mit Festigkeit zu begegnen; der alte König
ward arretirt und nach Montcarlier gebracht, wo er zwei Jahre später starb.
— Unter Karl Emmanuel dem Dritten der von 1730 vis 1773 regierte, er¬
freute sich Savoyen einer fast ununterbrochenen Ruhe. Die Wogen des öst¬
reichischen Erbfolgekriegs, an dem sich als Frankreichs und Spaniens Bundes¬
genosse auch der König von Sardinien betheiligte, berührten das Land nur
vorübergehend, und der Congreß von Aachen, 1743, brachte eine Vergrößerung
des Königreichs, da Maria Theresia einen Theil des Herzogthums Mailand
an dasselbe abtreten mußte. — Unter dem folgenden König, Victor Amadeus
dem Dritten, von 1773—1796, brachen die Folgen der französischen Revolu¬
tion auch über Savoyen und sein Regentenhaus herein. Die Provinz selbst
ward schon 1792 von den französischen Machthabern occupirt, und im Frieden
von Paris 1796 definitiv an Frankreich abgetreten. Als 66rM'loin<zue> ein
montdlime ward Savoyen dem Kaiserreiche einverleibt, und kam erst durch den
zweiten Pariser Frieden 1815 wieder ganz an den König von Sardinien. Die
wechselvolle Geschichte der Könige Karl Emmanuel des Vierten, Victor Emma¬
nuel des Ersten, Karl Felix und Karl Albert kann hier übergangen werden, da
die innern Verhältnisse Savoyens dadurch nicht wesentlich verändert wurden.
Die sogenannte piemvntcsische Revolution vom Jahre 1821 fand in diesem
Lande weniger Anklang als in der Lombardei; der vielbesprochene sogenannte
Savoyerzug im Jahre 1834 war ebenfalls ohne irgend eine Betheiligung der
Landesvcwohner ausschließlich durch Fremde unternommen worden. Seit Ein¬
führung der constitutionellen Regierungsform saßen Savoyische Deputirte aus
den Bänken der Abgeordneten-Kammer in Turin, wo sie selbstverständlich
numerisch immer in der Minorität waren. Die wesentlichen Verbesserungen
in der Verwaltung und Gesetzgebung fanden in Savoyen großentheils warme
Anerkennung; die als Grundzug im Charakter des Volks erkennbare Anhäng¬
lichkeit an das Fürstenhaus bethätigte sich bei allen Gelegenheiten, die seit
1843 eintraten, — und die Savoyischen Regimenter haben auf allen Schlacht¬
feldern diese Treue mit Blut besiegelt. Diese Anhänglichkeit überwand auch
stets die theilweis rührige Opposition, welche sich gegen die liberale und sehr
kostspielige Turiner Negierung kundgab. Die große Masse des gut katholischen
Landvolks, zum Theil in den Gebirgen tief versteckt, sah mit Erstaunen, daß
im Namen des Königs die Klöster aufgehoben, Kirchengüter sequeflrirt und
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