Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dauphin<> mit glücklichem Erfolge den wiederholten Angriffen widerstand,
übertrug man endlich den Krieg nach Savoyen selbst, welches von dem Herzog
von Lcsdiguivres erobert ward. Der Frieden von Vervins beendigte 15',!"
diese zerstörenden Kriege, und Karl Emmanuel unterhandelte nun selbst in Pari^
und Lyon über die endliche Festsetzung der Grenzen, welche er zu seinem grö߬
ten Vortheil zu reguliren wußte: denn er erhielt die Markgrafschaft Saluzzo,
wogegen er la Bresse und Bugey abtrat; so versperrte er Frankreich die Thore
von Italien und veranlaßte den alten Lesdiguienes zu dem Ausspruch: Hein¬
rich der Vierte hat als Kaufmann, Karl Emmanuel als König gehandelt. --
Kaum wieder im ruhigen Besitze seiner angestammten und ansehnlich vergrößerten
Lande, konnte der Herzog der alten, gewissermaßen auch angestammten Ver¬
suchung nicht widerstehen, das reiche Genf wieder unter Savoyische Botmäßig¬
keit zu bringen. Am 12. Decbr. 1602 versuchte er mittelst Ueberrumpelung,
mitten im Frieden, die Stadt zu erobern,- aber der Ueberfall ward zurückge¬
schlagen, und noch heutigen Tags wird in Genf das Fest der Escalade gefeiert.
Nunmehr wandte er seine Augen auf Cypern, welches er erobern wollte, und
auf die Türkei, da die von den Türken tyrannisirten Bewohner von Macedo-
nien ihm die Herrschaft antrugen. Es blieb jedoch in beiden Fällen bei dem
Vorsatz. Als 1027 die regierende Linie der Familie Gonzaga ausstarb, vin-
dicirte er sich die Nachfolge in dem Herzogthum Mantua und der Markgrafschasi
Montserrat und veranlaßte so den Mantuanischcn Erbfolgekrieg, in dessen Ver¬
lauf Ludwig der Dreizehnte Savoyen wieder eroberte. Der Gram und Kummer
über diese fehlgeschlagnen Hoffnungen führten im I. 1630 den Tod des ehr¬
geizigen Fürsten herbei, dem man nachrühmen muß, daß er die kurzen Augen¬
blicke der Ruhe dazu verwandte seinen Namen auch an die minder geräusch¬
vollen, aber segensreicheren Werte des Friedens zu knüpfen: er baute Monu¬
mente und Paläste, errichtete Bibliotheken und sorgte wesentlich für Herstellung
von Straßen und Wegen durch das ganze Land.

Unter seinen Nachfolgern Victor Amadeus dem Ersten, -- Hyacinth, --
Karl Emmanuel dem Zweiten, -- vergrößerte sich der Einfluß der regierenden
Familie wesentlich durch Heiraths-Verbindungen mit den Bourbonen und
später durch die glänzende Persönlichkeit des Prinzen Eugen von Savoyen.
Eine Folge davon so wie von der Stellung, welche sein Haus im spanischen
Erbfolgekrieg einnahm, war, daß der Herzog Victor Amadeus der Zweite durch
den Frieden von Utrecht im Jahre 1713 das Königreich Sicilien erhielt und
damit in die Reihe der Könige eintrat. Allein diese vortheilhafte Acquisition
war nicht von langer Dauer; schon im Jahre 1720 ward der neue König
durch die Quadrupel-Allianz und den Vertrag von London gezwungen, Sicilien
herauszugeben und als Entschädigung die Insel Sardinien anzunehmen. In sei¬
nem 64. Jahre abdicirte dieser erste König von Sardinien am 3. Sept. 1730 zu


Dauphin<> mit glücklichem Erfolge den wiederholten Angriffen widerstand,
übertrug man endlich den Krieg nach Savoyen selbst, welches von dem Herzog
von Lcsdiguivres erobert ward. Der Frieden von Vervins beendigte 15',!»
diese zerstörenden Kriege, und Karl Emmanuel unterhandelte nun selbst in Pari^
und Lyon über die endliche Festsetzung der Grenzen, welche er zu seinem grö߬
ten Vortheil zu reguliren wußte: denn er erhielt die Markgrafschaft Saluzzo,
wogegen er la Bresse und Bugey abtrat; so versperrte er Frankreich die Thore
von Italien und veranlaßte den alten Lesdiguienes zu dem Ausspruch: Hein¬
rich der Vierte hat als Kaufmann, Karl Emmanuel als König gehandelt. —
Kaum wieder im ruhigen Besitze seiner angestammten und ansehnlich vergrößerten
Lande, konnte der Herzog der alten, gewissermaßen auch angestammten Ver¬
suchung nicht widerstehen, das reiche Genf wieder unter Savoyische Botmäßig¬
keit zu bringen. Am 12. Decbr. 1602 versuchte er mittelst Ueberrumpelung,
mitten im Frieden, die Stadt zu erobern,- aber der Ueberfall ward zurückge¬
schlagen, und noch heutigen Tags wird in Genf das Fest der Escalade gefeiert.
Nunmehr wandte er seine Augen auf Cypern, welches er erobern wollte, und
auf die Türkei, da die von den Türken tyrannisirten Bewohner von Macedo-
nien ihm die Herrschaft antrugen. Es blieb jedoch in beiden Fällen bei dem
Vorsatz. Als 1027 die regierende Linie der Familie Gonzaga ausstarb, vin-
dicirte er sich die Nachfolge in dem Herzogthum Mantua und der Markgrafschasi
Montserrat und veranlaßte so den Mantuanischcn Erbfolgekrieg, in dessen Ver¬
lauf Ludwig der Dreizehnte Savoyen wieder eroberte. Der Gram und Kummer
über diese fehlgeschlagnen Hoffnungen führten im I. 1630 den Tod des ehr¬
geizigen Fürsten herbei, dem man nachrühmen muß, daß er die kurzen Augen¬
blicke der Ruhe dazu verwandte seinen Namen auch an die minder geräusch¬
vollen, aber segensreicheren Werte des Friedens zu knüpfen: er baute Monu¬
mente und Paläste, errichtete Bibliotheken und sorgte wesentlich für Herstellung
von Straßen und Wegen durch das ganze Land.

Unter seinen Nachfolgern Victor Amadeus dem Ersten, — Hyacinth, —
Karl Emmanuel dem Zweiten, — vergrößerte sich der Einfluß der regierenden
Familie wesentlich durch Heiraths-Verbindungen mit den Bourbonen und
später durch die glänzende Persönlichkeit des Prinzen Eugen von Savoyen.
Eine Folge davon so wie von der Stellung, welche sein Haus im spanischen
Erbfolgekrieg einnahm, war, daß der Herzog Victor Amadeus der Zweite durch
den Frieden von Utrecht im Jahre 1713 das Königreich Sicilien erhielt und
damit in die Reihe der Könige eintrat. Allein diese vortheilhafte Acquisition
war nicht von langer Dauer; schon im Jahre 1720 ward der neue König
durch die Quadrupel-Allianz und den Vertrag von London gezwungen, Sicilien
herauszugeben und als Entschädigung die Insel Sardinien anzunehmen. In sei¬
nem 64. Jahre abdicirte dieser erste König von Sardinien am 3. Sept. 1730 zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114033"/>
          <p xml:id="ID_731" prev="#ID_730"> Dauphin&lt;&gt; mit glücklichem Erfolge den wiederholten Angriffen widerstand,<lb/>
übertrug man endlich den Krieg nach Savoyen selbst, welches von dem Herzog<lb/>
von Lcsdiguivres erobert ward. Der Frieden von Vervins beendigte 15',!»<lb/>
diese zerstörenden Kriege, und Karl Emmanuel unterhandelte nun selbst in Pari^<lb/>
und Lyon über die endliche Festsetzung der Grenzen, welche er zu seinem grö߬<lb/>
ten Vortheil zu reguliren wußte: denn er erhielt die Markgrafschaft Saluzzo,<lb/>
wogegen er la Bresse und Bugey abtrat; so versperrte er Frankreich die Thore<lb/>
von Italien und veranlaßte den alten Lesdiguienes zu dem Ausspruch: Hein¬<lb/>
rich der Vierte hat als Kaufmann, Karl Emmanuel als König gehandelt. &#x2014;<lb/>
Kaum wieder im ruhigen Besitze seiner angestammten und ansehnlich vergrößerten<lb/>
Lande, konnte der Herzog der alten, gewissermaßen auch angestammten Ver¬<lb/>
suchung nicht widerstehen, das reiche Genf wieder unter Savoyische Botmäßig¬<lb/>
keit zu bringen. Am 12. Decbr. 1602 versuchte er mittelst Ueberrumpelung,<lb/>
mitten im Frieden, die Stadt zu erobern,- aber der Ueberfall ward zurückge¬<lb/>
schlagen, und noch heutigen Tags wird in Genf das Fest der Escalade gefeiert.<lb/>
Nunmehr wandte er seine Augen auf Cypern, welches er erobern wollte, und<lb/>
auf die Türkei, da die von den Türken tyrannisirten Bewohner von Macedo-<lb/>
nien ihm die Herrschaft antrugen. Es blieb jedoch in beiden Fällen bei dem<lb/>
Vorsatz. Als 1027 die regierende Linie der Familie Gonzaga ausstarb, vin-<lb/>
dicirte er sich die Nachfolge in dem Herzogthum Mantua und der Markgrafschasi<lb/>
Montserrat und veranlaßte so den Mantuanischcn Erbfolgekrieg, in dessen Ver¬<lb/>
lauf Ludwig der Dreizehnte Savoyen wieder eroberte. Der Gram und Kummer<lb/>
über diese fehlgeschlagnen Hoffnungen führten im I. 1630 den Tod des ehr¬<lb/>
geizigen Fürsten herbei, dem man nachrühmen muß, daß er die kurzen Augen¬<lb/>
blicke der Ruhe dazu verwandte seinen Namen auch an die minder geräusch¬<lb/>
vollen, aber segensreicheren Werte des Friedens zu knüpfen: er baute Monu¬<lb/>
mente und Paläste, errichtete Bibliotheken und sorgte wesentlich für Herstellung<lb/>
von Straßen und Wegen durch das ganze Land.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_732" next="#ID_733"> Unter seinen Nachfolgern Victor Amadeus dem Ersten, &#x2014; Hyacinth, &#x2014;<lb/>
Karl Emmanuel dem Zweiten, &#x2014; vergrößerte sich der Einfluß der regierenden<lb/>
Familie wesentlich durch Heiraths-Verbindungen mit den Bourbonen und<lb/>
später durch die glänzende Persönlichkeit des Prinzen Eugen von Savoyen.<lb/>
Eine Folge davon so wie von der Stellung, welche sein Haus im spanischen<lb/>
Erbfolgekrieg einnahm, war, daß der Herzog Victor Amadeus der Zweite durch<lb/>
den Frieden von Utrecht im Jahre 1713 das Königreich Sicilien erhielt und<lb/>
damit in die Reihe der Könige eintrat. Allein diese vortheilhafte Acquisition<lb/>
war nicht von langer Dauer; schon im Jahre 1720 ward der neue König<lb/>
durch die Quadrupel-Allianz und den Vertrag von London gezwungen, Sicilien<lb/>
herauszugeben und als Entschädigung die Insel Sardinien anzunehmen. In sei¬<lb/>
nem 64. Jahre abdicirte dieser erste König von Sardinien am 3. Sept. 1730 zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0253] Dauphin<> mit glücklichem Erfolge den wiederholten Angriffen widerstand, übertrug man endlich den Krieg nach Savoyen selbst, welches von dem Herzog von Lcsdiguivres erobert ward. Der Frieden von Vervins beendigte 15',!» diese zerstörenden Kriege, und Karl Emmanuel unterhandelte nun selbst in Pari^ und Lyon über die endliche Festsetzung der Grenzen, welche er zu seinem grö߬ ten Vortheil zu reguliren wußte: denn er erhielt die Markgrafschaft Saluzzo, wogegen er la Bresse und Bugey abtrat; so versperrte er Frankreich die Thore von Italien und veranlaßte den alten Lesdiguienes zu dem Ausspruch: Hein¬ rich der Vierte hat als Kaufmann, Karl Emmanuel als König gehandelt. — Kaum wieder im ruhigen Besitze seiner angestammten und ansehnlich vergrößerten Lande, konnte der Herzog der alten, gewissermaßen auch angestammten Ver¬ suchung nicht widerstehen, das reiche Genf wieder unter Savoyische Botmäßig¬ keit zu bringen. Am 12. Decbr. 1602 versuchte er mittelst Ueberrumpelung, mitten im Frieden, die Stadt zu erobern,- aber der Ueberfall ward zurückge¬ schlagen, und noch heutigen Tags wird in Genf das Fest der Escalade gefeiert. Nunmehr wandte er seine Augen auf Cypern, welches er erobern wollte, und auf die Türkei, da die von den Türken tyrannisirten Bewohner von Macedo- nien ihm die Herrschaft antrugen. Es blieb jedoch in beiden Fällen bei dem Vorsatz. Als 1027 die regierende Linie der Familie Gonzaga ausstarb, vin- dicirte er sich die Nachfolge in dem Herzogthum Mantua und der Markgrafschasi Montserrat und veranlaßte so den Mantuanischcn Erbfolgekrieg, in dessen Ver¬ lauf Ludwig der Dreizehnte Savoyen wieder eroberte. Der Gram und Kummer über diese fehlgeschlagnen Hoffnungen führten im I. 1630 den Tod des ehr¬ geizigen Fürsten herbei, dem man nachrühmen muß, daß er die kurzen Augen¬ blicke der Ruhe dazu verwandte seinen Namen auch an die minder geräusch¬ vollen, aber segensreicheren Werte des Friedens zu knüpfen: er baute Monu¬ mente und Paläste, errichtete Bibliotheken und sorgte wesentlich für Herstellung von Straßen und Wegen durch das ganze Land. Unter seinen Nachfolgern Victor Amadeus dem Ersten, — Hyacinth, — Karl Emmanuel dem Zweiten, — vergrößerte sich der Einfluß der regierenden Familie wesentlich durch Heiraths-Verbindungen mit den Bourbonen und später durch die glänzende Persönlichkeit des Prinzen Eugen von Savoyen. Eine Folge davon so wie von der Stellung, welche sein Haus im spanischen Erbfolgekrieg einnahm, war, daß der Herzog Victor Amadeus der Zweite durch den Frieden von Utrecht im Jahre 1713 das Königreich Sicilien erhielt und damit in die Reihe der Könige eintrat. Allein diese vortheilhafte Acquisition war nicht von langer Dauer; schon im Jahre 1720 ward der neue König durch die Quadrupel-Allianz und den Vertrag von London gezwungen, Sicilien herauszugeben und als Entschädigung die Insel Sardinien anzunehmen. In sei¬ nem 64. Jahre abdicirte dieser erste König von Sardinien am 3. Sept. 1730 zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/253
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/253>, abgerufen am 08.01.2025.