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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Philiberts nach seiner Rückkehr auf den väterlichen Thron; seine persönliche
Stellung als Schwager der Könige von-Frankreich und von Spanien benutzend,
zog er den Weg der Unterhandlungen dem zweifelhaften Erfolge des Kriegs vor
und erlangte damit Alles, was er erstrebte.

Einmal wieder im vollständigen Besitze aller Territorien, erkannte er es
als seine wichtigste Aufgabe, nach außen wie nach innen den Thron zu stützen
und zu schmücken, -- und indem er einerseits in dieser Absicht ein regel¬
mäßiges Heer organisirte, eine Marine gründete, die bedeutendsten Städte
befestigte und die Citadelle von Turin bauete, ließ er sich zu derselben
Zeit angelegen sein, Kunst und Industrie zu unterstützen, die Landesverwaltung
zu verbessern, der Wissenschaft durch die Gründung der Universität Turin eine
Pflanzstätte zu bereiten und seine Residenz zum Mittelpunkt eines glänzenden
und kunstliebenden Hofes zu machen. So regierte er 20 Jahre lang und
hatte sich einen geschichtlichen Beinamen errungen, als er im Jahr 1580 sich
zu seinen Vätern versammelte. Ihm folgte sein Sohn Karl Emmanuel der
Erste, gleichfalls einer der merkwürdigsten und bedeutendsten Fürsten seiner
Zeit, mehr jedoch wegen der Kühnheit seiner Unternehmungen und der Hartnäckig¬
keit seines Muthes, als wegen der von ihm errungenen Erfolge; in dieser
Hinsicht der Gegensatz seines Vaters. Denn er war fast immer unglücklich,
sowohl im Felde, wie bei Unterhandlungen und Intriguen, -- obgleich die ver¬
schiedensten Zeitgenossen, wie Heinrich der Vierte und Richelieu, ihn für einen
der gescheutesten Fürsten anerkannten. Er war der allgemeine Prätendent seiner
Zeit. Wo irgend eine SuccessioMsich eröffnete, stachelte ihn der Ehrgeiz sie sür
sich in Anspruch zu nehmen, und er würde halb Europa erobert haben, wenn
das Glück seinen Eifer unterstützt hätte. Zuerst erhob er Ansprüche auf Stadt
und Territorium von Genf, von jeher das eifrig begehrte Juwel für den
Schmuck der Krone Savoyens; zu gleicher Zeit trat er als Erbe der Mark¬
grafen von Saluzzo auf -- beides ohne Erfolg. Als 1539 Heinrich der Dritte
unter dem Dolche Elements gefallen war, warf er sich zum Prätendent erber
französischen Krone aus, in seiner Eigenschaft als einziger Sohn der Margaretha
von Valois. Tante der drei letztem Könige und der bekannteren Margaretha
von Valois, welche mit Heinrich dem Vierten vermählt ward. Die innern
Zerwürfnisse Frankreichs durch die Rcligionsstreitigkeiten, die Kämpfe des neuen
Königs Heinrich des Vierten mit der Ligue, waren Anfangs den Unternehmun¬
gen des SMyischcn Herzogs günstig. Die Katholiken in der Provence er¬
klärten sich für ihn; er zog in Aix ein, und sein Schwiegervater, König Philipp
von Spanien, nöthigte das dortige Parlament ihn zum Schutzherrn der Pro¬
vinz zu ernennen. Acht Jahre lang behauptete er sich in dieser Stellung, ob¬
gleich Heinrich der Vierte bereits von Frankreich wie von den Mächten als
König anerkannt war. Da Karl Emmanuel in der Provence und in der


Philiberts nach seiner Rückkehr auf den väterlichen Thron; seine persönliche
Stellung als Schwager der Könige von-Frankreich und von Spanien benutzend,
zog er den Weg der Unterhandlungen dem zweifelhaften Erfolge des Kriegs vor
und erlangte damit Alles, was er erstrebte.

Einmal wieder im vollständigen Besitze aller Territorien, erkannte er es
als seine wichtigste Aufgabe, nach außen wie nach innen den Thron zu stützen
und zu schmücken, — und indem er einerseits in dieser Absicht ein regel¬
mäßiges Heer organisirte, eine Marine gründete, die bedeutendsten Städte
befestigte und die Citadelle von Turin bauete, ließ er sich zu derselben
Zeit angelegen sein, Kunst und Industrie zu unterstützen, die Landesverwaltung
zu verbessern, der Wissenschaft durch die Gründung der Universität Turin eine
Pflanzstätte zu bereiten und seine Residenz zum Mittelpunkt eines glänzenden
und kunstliebenden Hofes zu machen. So regierte er 20 Jahre lang und
hatte sich einen geschichtlichen Beinamen errungen, als er im Jahr 1580 sich
zu seinen Vätern versammelte. Ihm folgte sein Sohn Karl Emmanuel der
Erste, gleichfalls einer der merkwürdigsten und bedeutendsten Fürsten seiner
Zeit, mehr jedoch wegen der Kühnheit seiner Unternehmungen und der Hartnäckig¬
keit seines Muthes, als wegen der von ihm errungenen Erfolge; in dieser
Hinsicht der Gegensatz seines Vaters. Denn er war fast immer unglücklich,
sowohl im Felde, wie bei Unterhandlungen und Intriguen, — obgleich die ver¬
schiedensten Zeitgenossen, wie Heinrich der Vierte und Richelieu, ihn für einen
der gescheutesten Fürsten anerkannten. Er war der allgemeine Prätendent seiner
Zeit. Wo irgend eine SuccessioMsich eröffnete, stachelte ihn der Ehrgeiz sie sür
sich in Anspruch zu nehmen, und er würde halb Europa erobert haben, wenn
das Glück seinen Eifer unterstützt hätte. Zuerst erhob er Ansprüche auf Stadt
und Territorium von Genf, von jeher das eifrig begehrte Juwel für den
Schmuck der Krone Savoyens; zu gleicher Zeit trat er als Erbe der Mark¬
grafen von Saluzzo auf — beides ohne Erfolg. Als 1539 Heinrich der Dritte
unter dem Dolche Elements gefallen war, warf er sich zum Prätendent erber
französischen Krone aus, in seiner Eigenschaft als einziger Sohn der Margaretha
von Valois. Tante der drei letztem Könige und der bekannteren Margaretha
von Valois, welche mit Heinrich dem Vierten vermählt ward. Die innern
Zerwürfnisse Frankreichs durch die Rcligionsstreitigkeiten, die Kämpfe des neuen
Königs Heinrich des Vierten mit der Ligue, waren Anfangs den Unternehmun¬
gen des SMyischcn Herzogs günstig. Die Katholiken in der Provence er¬
klärten sich für ihn; er zog in Aix ein, und sein Schwiegervater, König Philipp
von Spanien, nöthigte das dortige Parlament ihn zum Schutzherrn der Pro¬
vinz zu ernennen. Acht Jahre lang behauptete er sich in dieser Stellung, ob¬
gleich Heinrich der Vierte bereits von Frankreich wie von den Mächten als
König anerkannt war. Da Karl Emmanuel in der Provence und in der


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[0252] Philiberts nach seiner Rückkehr auf den väterlichen Thron; seine persönliche Stellung als Schwager der Könige von-Frankreich und von Spanien benutzend, zog er den Weg der Unterhandlungen dem zweifelhaften Erfolge des Kriegs vor und erlangte damit Alles, was er erstrebte. Einmal wieder im vollständigen Besitze aller Territorien, erkannte er es als seine wichtigste Aufgabe, nach außen wie nach innen den Thron zu stützen und zu schmücken, — und indem er einerseits in dieser Absicht ein regel¬ mäßiges Heer organisirte, eine Marine gründete, die bedeutendsten Städte befestigte und die Citadelle von Turin bauete, ließ er sich zu derselben Zeit angelegen sein, Kunst und Industrie zu unterstützen, die Landesverwaltung zu verbessern, der Wissenschaft durch die Gründung der Universität Turin eine Pflanzstätte zu bereiten und seine Residenz zum Mittelpunkt eines glänzenden und kunstliebenden Hofes zu machen. So regierte er 20 Jahre lang und hatte sich einen geschichtlichen Beinamen errungen, als er im Jahr 1580 sich zu seinen Vätern versammelte. Ihm folgte sein Sohn Karl Emmanuel der Erste, gleichfalls einer der merkwürdigsten und bedeutendsten Fürsten seiner Zeit, mehr jedoch wegen der Kühnheit seiner Unternehmungen und der Hartnäckig¬ keit seines Muthes, als wegen der von ihm errungenen Erfolge; in dieser Hinsicht der Gegensatz seines Vaters. Denn er war fast immer unglücklich, sowohl im Felde, wie bei Unterhandlungen und Intriguen, — obgleich die ver¬ schiedensten Zeitgenossen, wie Heinrich der Vierte und Richelieu, ihn für einen der gescheutesten Fürsten anerkannten. Er war der allgemeine Prätendent seiner Zeit. Wo irgend eine SuccessioMsich eröffnete, stachelte ihn der Ehrgeiz sie sür sich in Anspruch zu nehmen, und er würde halb Europa erobert haben, wenn das Glück seinen Eifer unterstützt hätte. Zuerst erhob er Ansprüche auf Stadt und Territorium von Genf, von jeher das eifrig begehrte Juwel für den Schmuck der Krone Savoyens; zu gleicher Zeit trat er als Erbe der Mark¬ grafen von Saluzzo auf — beides ohne Erfolg. Als 1539 Heinrich der Dritte unter dem Dolche Elements gefallen war, warf er sich zum Prätendent erber französischen Krone aus, in seiner Eigenschaft als einziger Sohn der Margaretha von Valois. Tante der drei letztem Könige und der bekannteren Margaretha von Valois, welche mit Heinrich dem Vierten vermählt ward. Die innern Zerwürfnisse Frankreichs durch die Rcligionsstreitigkeiten, die Kämpfe des neuen Königs Heinrich des Vierten mit der Ligue, waren Anfangs den Unternehmun¬ gen des SMyischcn Herzogs günstig. Die Katholiken in der Provence er¬ klärten sich für ihn; er zog in Aix ein, und sein Schwiegervater, König Philipp von Spanien, nöthigte das dortige Parlament ihn zum Schutzherrn der Pro¬ vinz zu ernennen. Acht Jahre lang behauptete er sich in dieser Stellung, ob¬ gleich Heinrich der Vierte bereits von Frankreich wie von den Mächten als König anerkannt war. Da Karl Emmanuel in der Provence und in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/252>, abgerufen am 08.01.2025.