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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Schicht Meergras belegt. Fenster gibt es nicht. Das druck Mattenwände in
zwei Hälften, eine für den Mann, die andere für die Frau, geschiedene Innere
erhält sein Licht lediglich durch die Thür. Daß bei dieser Bauart häufig
Feuersbrünste vorkommen, begreift sich. Erst 1856 wurde die halbe Stadt von
einer solchen binnen einer Stunde in Asche gelegt.

Das Klima Massua's ist nicht ungesund. Die Hitze des Sommers schwächt
blos und raubt den Appetit, und die Fieber der Regenzeit sind ungefährlich.
Dagegen wird die Insel und ihre Nachbarschaft im Frühling bisweilen von
Erdbeben heimgesucht. Der Sommer dauert vom März bis zum October,
wird aber fast jedes Jahr durch einen starken Augustregen unterbrochen. Im
Sommer beobachtete Munzinger im Schatten bis -s- 40° R., und -i- 35° sind
ganz gewöhnlich, in der Nacht wie am Tage. Die Regenzeit beginnt, während
sie bei den Bogos die Monate vom Juni bis zum September umfaßt, bei
Massua erst im September oder October und dauert bis zum Januar. Alles
eilt dann ins Freie, um die erste Kühle nach den heißen Sommerwochen zu
genießen und sich der frischen Luft zu erfreuen. Das Festland, im Sommer
dürr und wüst, bedeckt sich plötzlich mit reichem Grün, und bietet nach wenigen
Tagen den zu Tausenden vom Gebirg herabkommenden Heerden von Kcnncclen,
Kühen und Ziegen ein treffliches Weideland dar.

Massua gegenüber liegen die von Städtern und Beduan bewohnten Dör¬
fer Otumlu und Saga. In dem zwischen beiden sich hinziehenden Mokullu-
Thal haben sich Europäer, meist Franzosen, angesiedelt. Die Häuser derselben sind
nicht viel besser als die in den Dörfern der Umgebung, die Gärten zwar voll Lorbccr-
rosen, Senna und Baumwollenpflanzen, aber eine eigentliche Cultur ist nicht sicht¬
bar, und es fehlt an Bäumen, welche vor der Sonnengluth schirmen könnten.

Ein Blick auf die Karte schon zeigt, daß Massua im Handel des südlichen
Rothen Meeres eine wichtige Stelle einnimmt. Es ist der natürliche Nord¬
hafen Abyssiniens, und es liegt dem Kaffeelande Uemen gegenüber. Die Ebene
zwischen der See und dem Hochplateau von Habesch liefert Gummi, Senna,
Butter und Häute in den Handel, endlich besteht eine sichere Handelsstraße
von Sennaar nach Massua, auf welcher der Stadt die Producte dieses Land¬
strichs, Elfenbein, Flußpferdzähne, Tamarinden u. a. zufließen, während von den
abyssinischen Karawanen meist Erzeugnisse der Gallasländer, Kaffee, Gold und
weißes Wachs zugeführt werden. Auf Tauschhandel lassen sich Kaufleute aus
dem Innern nicht ein, man muß daher mit guten Marie-Theresicn-Tha-
lern versehen-sein, wenn man mit ihnen Geschäfte machen will. Die Einfuhr
kommt der Ausfuhr nicht entfernt gleich. Das Geschäft mit europäischen Waa¬
ren ist nur ein Detailhandel. Am lebhaftesten ist der Verkehr in den Sommer¬
monaten, und die Stadt ist dann namentlich voll von Abyssiniern, die sich
wesentlich von dem Volk Massua's unterscheiden.


Grenzboten II. 1862. 3

Schicht Meergras belegt. Fenster gibt es nicht. Das druck Mattenwände in
zwei Hälften, eine für den Mann, die andere für die Frau, geschiedene Innere
erhält sein Licht lediglich durch die Thür. Daß bei dieser Bauart häufig
Feuersbrünste vorkommen, begreift sich. Erst 1856 wurde die halbe Stadt von
einer solchen binnen einer Stunde in Asche gelegt.

Das Klima Massua's ist nicht ungesund. Die Hitze des Sommers schwächt
blos und raubt den Appetit, und die Fieber der Regenzeit sind ungefährlich.
Dagegen wird die Insel und ihre Nachbarschaft im Frühling bisweilen von
Erdbeben heimgesucht. Der Sommer dauert vom März bis zum October,
wird aber fast jedes Jahr durch einen starken Augustregen unterbrochen. Im
Sommer beobachtete Munzinger im Schatten bis -s- 40° R., und -i- 35° sind
ganz gewöhnlich, in der Nacht wie am Tage. Die Regenzeit beginnt, während
sie bei den Bogos die Monate vom Juni bis zum September umfaßt, bei
Massua erst im September oder October und dauert bis zum Januar. Alles
eilt dann ins Freie, um die erste Kühle nach den heißen Sommerwochen zu
genießen und sich der frischen Luft zu erfreuen. Das Festland, im Sommer
dürr und wüst, bedeckt sich plötzlich mit reichem Grün, und bietet nach wenigen
Tagen den zu Tausenden vom Gebirg herabkommenden Heerden von Kcnncclen,
Kühen und Ziegen ein treffliches Weideland dar.

Massua gegenüber liegen die von Städtern und Beduan bewohnten Dör¬
fer Otumlu und Saga. In dem zwischen beiden sich hinziehenden Mokullu-
Thal haben sich Europäer, meist Franzosen, angesiedelt. Die Häuser derselben sind
nicht viel besser als die in den Dörfern der Umgebung, die Gärten zwar voll Lorbccr-
rosen, Senna und Baumwollenpflanzen, aber eine eigentliche Cultur ist nicht sicht¬
bar, und es fehlt an Bäumen, welche vor der Sonnengluth schirmen könnten.

Ein Blick auf die Karte schon zeigt, daß Massua im Handel des südlichen
Rothen Meeres eine wichtige Stelle einnimmt. Es ist der natürliche Nord¬
hafen Abyssiniens, und es liegt dem Kaffeelande Uemen gegenüber. Die Ebene
zwischen der See und dem Hochplateau von Habesch liefert Gummi, Senna,
Butter und Häute in den Handel, endlich besteht eine sichere Handelsstraße
von Sennaar nach Massua, auf welcher der Stadt die Producte dieses Land¬
strichs, Elfenbein, Flußpferdzähne, Tamarinden u. a. zufließen, während von den
abyssinischen Karawanen meist Erzeugnisse der Gallasländer, Kaffee, Gold und
weißes Wachs zugeführt werden. Auf Tauschhandel lassen sich Kaufleute aus
dem Innern nicht ein, man muß daher mit guten Marie-Theresicn-Tha-
lern versehen-sein, wenn man mit ihnen Geschäfte machen will. Die Einfuhr
kommt der Ausfuhr nicht entfernt gleich. Das Geschäft mit europäischen Waa¬
ren ist nur ein Detailhandel. Am lebhaftesten ist der Verkehr in den Sommer¬
monaten, und die Stadt ist dann namentlich voll von Abyssiniern, die sich
wesentlich von dem Volk Massua's unterscheiden.


Grenzboten II. 1862. 3
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[0025] Schicht Meergras belegt. Fenster gibt es nicht. Das druck Mattenwände in zwei Hälften, eine für den Mann, die andere für die Frau, geschiedene Innere erhält sein Licht lediglich durch die Thür. Daß bei dieser Bauart häufig Feuersbrünste vorkommen, begreift sich. Erst 1856 wurde die halbe Stadt von einer solchen binnen einer Stunde in Asche gelegt. Das Klima Massua's ist nicht ungesund. Die Hitze des Sommers schwächt blos und raubt den Appetit, und die Fieber der Regenzeit sind ungefährlich. Dagegen wird die Insel und ihre Nachbarschaft im Frühling bisweilen von Erdbeben heimgesucht. Der Sommer dauert vom März bis zum October, wird aber fast jedes Jahr durch einen starken Augustregen unterbrochen. Im Sommer beobachtete Munzinger im Schatten bis -s- 40° R., und -i- 35° sind ganz gewöhnlich, in der Nacht wie am Tage. Die Regenzeit beginnt, während sie bei den Bogos die Monate vom Juni bis zum September umfaßt, bei Massua erst im September oder October und dauert bis zum Januar. Alles eilt dann ins Freie, um die erste Kühle nach den heißen Sommerwochen zu genießen und sich der frischen Luft zu erfreuen. Das Festland, im Sommer dürr und wüst, bedeckt sich plötzlich mit reichem Grün, und bietet nach wenigen Tagen den zu Tausenden vom Gebirg herabkommenden Heerden von Kcnncclen, Kühen und Ziegen ein treffliches Weideland dar. Massua gegenüber liegen die von Städtern und Beduan bewohnten Dör¬ fer Otumlu und Saga. In dem zwischen beiden sich hinziehenden Mokullu- Thal haben sich Europäer, meist Franzosen, angesiedelt. Die Häuser derselben sind nicht viel besser als die in den Dörfern der Umgebung, die Gärten zwar voll Lorbccr- rosen, Senna und Baumwollenpflanzen, aber eine eigentliche Cultur ist nicht sicht¬ bar, und es fehlt an Bäumen, welche vor der Sonnengluth schirmen könnten. Ein Blick auf die Karte schon zeigt, daß Massua im Handel des südlichen Rothen Meeres eine wichtige Stelle einnimmt. Es ist der natürliche Nord¬ hafen Abyssiniens, und es liegt dem Kaffeelande Uemen gegenüber. Die Ebene zwischen der See und dem Hochplateau von Habesch liefert Gummi, Senna, Butter und Häute in den Handel, endlich besteht eine sichere Handelsstraße von Sennaar nach Massua, auf welcher der Stadt die Producte dieses Land¬ strichs, Elfenbein, Flußpferdzähne, Tamarinden u. a. zufließen, während von den abyssinischen Karawanen meist Erzeugnisse der Gallasländer, Kaffee, Gold und weißes Wachs zugeführt werden. Auf Tauschhandel lassen sich Kaufleute aus dem Innern nicht ein, man muß daher mit guten Marie-Theresicn-Tha- lern versehen-sein, wenn man mit ihnen Geschäfte machen will. Die Einfuhr kommt der Ausfuhr nicht entfernt gleich. Das Geschäft mit europäischen Waa¬ ren ist nur ein Detailhandel. Am lebhaftesten ist der Verkehr in den Sommer¬ monaten, und die Stadt ist dann namentlich voll von Abyssiniern, die sich wesentlich von dem Volk Massua's unterscheiden. Grenzboten II. 1862. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/25>, abgerufen am 06.01.2025.